AboAbonnieren

Kleine Kugeln, keine Wirkung?Lauterbach will Homöopathie streichen – das hat es mit Globuli auf sich

Lesezeit 4 Minuten
11.01.2024, Berlin: Illustration: Homöopathische Glasfläschchen, Kügelchen und Tabletten liegen auf einem Tisch. Foto: Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Homöopathische Mittel: wissenschaftlich nachweisbar Effekt auf die Gesundheit oder nur Hokuspokus?

An Globuli scheiden sich die Geister. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Vorhaben.

Zuckerkügelchen gegen Erkrankungen: Die Debatte über den Nutzen von homöopathischen Mitteln ist wieder im Gange. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung von Globuli und anderen homöopathischen Behandlungen durch gesetzliche Krankenkassen streichen. „Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt. Auch den Klimawandel können wir nicht mit Wünschelruten bekämpfen“, sagte Lauterbach in dieser Woche. Stattdessen sollen homöopathische Therapien nur noch auf eigene Rechnung gehen.

Was gilt bisher für homöopathische Mittel?

Bereits seit Jahren wird diskutiert, ob Homöopathie weiter von Krankenkassen bezahlt werden soll. Homöopathische Therapien stehen nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Das dafür notwendige Nutzenbewertungsverfahren von Arzneimitteln würden sie auch nicht bestehen. Bisher bieten viele gesetzliche Kassen homöopathische Mittel aber als freiwillige Zusatzleistung an.

Der Gebrauch homöopathischer Mittel in Deutschland lässt sich auch nicht kleinreden. Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2021 hat gezeigt, dass 70 Prozent der Deutschen offen für Homöopathie sind – rund 54 Prozent der Deutschen haben 2021 homöopathische Mittel verwendet, was rund 45 Millionen Menschen entspricht.

Warum Lauterbach homöopathische Mittel nun streichen will

Homöopathische Therapien will Gesundheitsminister Karl Lauterbach als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen nun zum einen streichen, um Kosten zu sparen. Die geschätzten Einsparungen durch den geplanten Schritt bezifferte er auf 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr. Im Vergleich dazu wurden 2022 rund 50 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel ausgegeben.

Lauterbach gehe es aber nicht nur ums Geld, sondern ums Prinzip. Wissenschaft sei die Basis des Regierungshandelns in der Klima- und Gesundheitspolitik oder anderen Bereichen. „Es kann keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert – im Bereich der Homöopathie haben wir das bisher gemacht“, so Lauterbach.

Was ist Homöopathie und wie wirkt sie?

Laut der Deutschen Homöopathie-Union handelt es sich um eine alternative Heillehre, die der deutsche Arzt Samuel Hahnemann im 18. Jahrhundert erfunden hat. Der Begriff „Homöopathie“ stammt aus dem Griechischen, wobei „homoios“ „ähnlich“ und „pathos“ „Leiden“ bedeutet. Homöopathie baut also auf dem Grundsatz auf, dass „Ähnliches durch Ähnliches“ geheilt werden kann und dass eine Substanz umso stärker wird, desto schwächer sie konzentriert ist.

In der Homöopathie verwendete Wirkstoffe sind oft in hoher Konzentration giftig. Basis für homöopathische Arzneimittel können pflanzliche, tierische, und mineralische Substanzen sein. Die Ausgangssubstanz wird in der Herstellung schrittweise extrem verdünnt und so lange geschüttelt, bis die gewünschte Potenz erreicht sei, erklärt Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbands Nordrhein.

Dieses Wirkprinzip ist naturwissenschaftlich nicht erklärbar. Auch die Uni Witten/Herdecke stellte bei ihren Studien zu potenzierten Substanzen in der Homöopathie und der Anthroposophischen Medizin fest, dass ein mögliches Wirkprinzip wissenschaftlich noch nicht identifiziert ist. Im letzten Schritt des Herstellungsprozesses werde die verdünnte Lösung dann auf kleine Zuckerkügelchen getropft, damit sie einziehe – diesen Prozess würden Homöopathen als „Imprägnieren“ bezeichnen, so Funken.

Wie wirksam ist Homöopathie?

Viele homöopathische Arzneimittel seien jedoch so stark verdünnt, dass darin keine Wirkstoffmoleküle mehr nachweisbar seien, sagt Funken. Woran sich Wissenschaft und Medizin stoßen. Die Einnahme homöopathischer Mittel gehe also über einen Placebo-Effekt nicht hinaus. „Daher ist die Diskussion, die Lauterbach jetzt angestoßen hat, richtig und notwendig. Die Homöopathie ist innerhalb der medizinischen Versorgung nicht akzeptiert. Es ist daher nur konsequent, Therapieformen, die medizinisch nicht nachgewiesen sind und somit nicht dem wissenschaftlichen Standard entsprechen, nicht weiter zu finanzieren“, sagt Funken.

Das sagen NRW-Gesundheitsminister Laumann und die Krankenkassen zu Lauterbachs Plan

Der GKV-Spitzenverband beurteilt den Vorstoß Lauterbachs als Vorhaben mit symbolischem Gehalt, wie Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, auf Anfrage mitteilt: „Für homöopathische Arzneimittel haben alle gesetzlichen Krankenkassen zusammen 2021 rund sieben Millionen Euro ausgegeben. Was die Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt.“ NRW-Gesundheitsminister karl-Josef Laumann (CDU) wollte sich zu den Plänen Lauterbachs auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht äußern.

Kritik an Lauterbachs Plan gegen Homöopathie auf Kassenkosten

Kritik an Lauterbachs Plänen kommt auch von anderer Seite. So wehren sich deutsche Homöopathie-Ärztinnen und -Ärzte gegen das Vorhaben von Lauterbach. „Eine Streichung der freiwilligen Kassenleistung Homöopathie würde das Therapieangebot in der ärztlichen Versorgung einschränken“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Michaela Geiger.

Der Apothekerverband prognostizierte eine Kostensteigerung. „Die Kosten für homöopathische Behandlungen als Kassenleistung sind im wahrsten Wortsinne homöopathisch. Eine Abschaffung könnte aber dazu führen, dass alternative Therapien der Ärzte mit anderen erstattungsfähigen Arzneimitteln umgesetzt werden, die viel teurer sind“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein. Er befürchte eine Benachteiligung von Menschen mit weniger Geld.

Auch die bayerische Staatsregierung signalisierte Ablehnung der Pläne. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) bezeichnete die Lauterbach-Ankündigung als politische Nebelkerze. Offensichtlich solle mit dieser Diskussion davon abgelenkt werden, dass die Bundesregierung bei der notwendigen Finanzierungsreform der gesetzlichen Krankenkassen nicht vorankomme. Die evidenzbasierte moderne Medizin müsse zwar der Maßstab für die Versorgung sein. Es bestehe aber in der Bevölkerung durchaus auch der Wunsch nach ganzheitlichen alternativen Behandlungsansätzen. (mit dpa)