Die letzten 4,5 Kilo nach zwei Schwangerschaften wollte sie abnehmen – und griff dafür zum Diabetesmedikament Ozempic. Doch noch einmal würde die junge Mutter das Medikament nicht einnehmen.
„Ich würde es niemandem empfehlen“Wie eine junge Mutter mit Ozempic abgenommen hat
In den letzten drei Jahren hatte sie durch Sport und eine Ernährungsumstellung 20 Kilogramm abgenommen. Die letzten hartnäckigen Kilos nach zwei Schwangerschaften blieben aber. Dafür griff die 31-Jährige zu Ozempic. „Jeder schwört darauf“, sagt die zweifache Mutter aus Hannover. Ihren Namen und ihr Gesicht möchte sie nicht preisgeben. Zu groß ist doch die Scham. Denn Ozempic ist eigentlich ein Diabetesmedikament – und in den sozialen Medien auch als Abnehmspritze bekannt.
Der in Ozempic enthaltene Wirkstoff Semaglutid ahmt das Hormon GLP-1 nach. Es erzeugt das Sättigungsgefühl und verlangsamt die Magenentleerung. Das Problem: Weil Abnehmspritzen wie Ozempic vor allem durch Social Media in Mode sind, ist das Diabetesmedikament überall ausverkauft. Selbst Diabetikerinnen und Diabetiker bekommen in Apotheken kaum Ozempic.
Trotzdem besorgte sich die junge Mutter eine Spritze - wie genau, möchte sie nicht verraten. Nur so viel: Ein Arzt in der Türkei riet ihr, das Medikament vor einer möglichen Bauchdeckenstraffung einzunehmen, um die letzten Kilos abzunehmen. Überprüfen lässt sich die Aussage nicht.
Ozempic zum Abnehmen: Müdigkeit, Trägheit und Magen-Darm-Beschwerden
Sechs Wochen lang nahm die junge Frau Ozempic wöchentlich, für am Ende 4,5 Kilogramm weniger auf der Waage. „Ich esse sonst sehr gerne Süßkram, aber ich hatte während der Zeit extreme Appetitlosigkeit“, sagt die Hannoveranerin. Doch wirklich glücklich war sie mit ihrer Abnehmmethode nicht. „Ich würde es niemandem empfehlen.“ Denn sie hatte extreme Nebenwirkungen, über die niemand spreche. Unter anderem waren Müdigkeit, Trägheit und Magen-Darm-Beschwerden ihre täglichen Begleiter. „Ich musste zudem jeden Tag eine Kopfschmerztablette nehmen.“
Die Beschwerden der 31-Jährigen waren so stark, dass sie sogar überlegte, die Einnahme von Ozempic abzubrechen. „Aber dafür habe ich zu viel Geld für das Medikament ausgegeben.“ Noch mal möchte sie Ozempic zum Abnehmen nicht einnehmen – obwohl die Beschwerden, inklusive der Appetitlosigkeit aufgehört haben. „Ich verfalle komplett in alte Muster“, sagt sie über ihr Essverhalten. Für eine erneute Einnahme von Ozempic sei das schlechte Gewissen dann doch zu groß. Denn ihr Vater sei selbst Diabetiker.
Ozempicmangel niedersachsenweit spürbar
Für Fachärztin Henrike Hilbig vom Diabeteszentrum Hannover ist das Völlegefühl bei der Einnahme keine Nebenwirkung. „Das ist die Wirkung.“ Laut ihrer Einschätzung hätten aber ihre Patientinnen und Patienten nur ganz selten Beschwerden wie Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden. „Es ist etwas anderes, wenn ich mir das Medikament illegal im Internet bestelle oder von einem Arzt verschrieben bekomme.“ In einer Praxis werde über die Nebenwirkungen aufgeklärt, die Dosis langsam erhöht oder bei Nebenwirkungen gegengesteuert. „Zudem ist bei unseren Patienten der Leidensdruck viel höher.“ Es ginge nicht nur um ein paar Kilogramm auf der Waage, sondern um die Gesundheit. Auch Hilbig beobachtet einen Mangel an Diabetesmedikamenten wie Ozempic: „Die Lage hat sich noch nicht entspannt.“
Laut der Apothekerkammer Niedersachsen wurde Ozempic erstmals im September 2023 auf der Engpassliste aufgenommen. „Alle Apotheken, egal ob in der Stadt oder auf dem Land, sind von dem Engpass betroffen“, sagt Panagiota Fyssa, Pressesprecherin der Apothekerkammer Niedersachsen. Laut Meldung des Herstellers werden die Engpässe, trotz erhöhter Produktmengen, bis ins vierte Quartal 2024 hinein erwartet.