Frage an den PaartherapeutenIst Fremdgehen das Ende der Beziehung?
- Der Partner hat eine Affäre. Für viele Paare bedeutet dies das Ende der Beziehung.
- Das muss nicht sein, meint der Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg aus Hamburg.
- Wie Paare an ihrer Beziehung arbeiten können und wie wichtig Verstehen ist, erklärt er im Interview.
Köln – Oskar Holzberg arbeitet als Psychotherapeut in Hamburg und bietet auch Paar- und Sexualtherapie an. In der Zeitschrift „Brigitte“ beantwortet er jede Woche die „Fragen der Liebe“. Im Interview verrät er, was Paare unbedingt beachten sollten, damit die Liebe hält, ob Fremdgehen das Ende bedeutet und wann eine Paartherapie helfen könnte. Er selbst ist seit mehr als 30 Jahren verheiratet.
Herr Holzberg, Sie beantworten seit Jahren in der „Brigitte“ die Fragen der Liebe. Gibt es die eine Frage, die alle umtreibt?
Oskar Holzberg: Was von den Paaren am meisten geäußert wird ist, dass ihre Kommunikation nicht mehr funktioniert, dass sie nicht mehr miteinander sprechen können.
Was alle umtreibt ist der starke Widerspruch zwischen dem Wunsch nach der der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse und dem Gemeinsamen der Partnerschaft. Das beißt sich natürlich. Beide können sich nicht gleichzeitig total und ungehemmt selbst verwirklichen. Wollen den anderen aber auch nicht einengen. So entstehen Vorwürfe, Schuldgefühle und Konflikte.
Fällt es Paaren heute schwerer, Kompromisse zu finden? Oskar Holzberg: In den vergangenen Jahren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Menschen häufiger wissen wollen, wie sie ihre Beziehung richtig führen können. Sie wollen für alles eine Lösung haben und können nicht mehr so gut damit leben, dass es Widersprüche gibt, die sich nicht auflösen lassen und mit denen man einfach umgehen muss. Kompromisse sind unbeliebter geworden.Also gibt es nicht die eine Antwort auf die Frage: „Wie machen wir es richtig“?Oskar Holzberg: Nein. Viele Menschen haben einen zu hohen Anspruch an die Paarbeziehung und auch an sich selbst als Partner. Das lässt sich oft nicht mit der Paar-Realität übereinbringen. Wir vergleichen uns gerade auf Grund der sozialen Medien endlos und überall scheinen dann Paare die großartigsten Dinge zu tun. Und dann glauben wir, wir machen irgendwas falsch und müssten nur wissen, wie Beziehung richtig geht. Eine Beziehung wächst, wie ein Baum. Es gibt keinen richtigen Baum.
Aber was können Paare dann sinnvollerweise machen?Oskar Holzberg: Es lohnt sich, eine Kultur aufzubauen, in der man miteinander sprechen und Konflikte klären kann. Konflikte sind unvermeidlich. Einer wird immer mal unglücklich damit sein, wie die Beziehung läuft. Und dann braucht es eine Paarkultur der gegenseitigen Offenheit, um überhaupt den Schritt zu machen, das zu äußern, sich dem zu stellen, einander zuzuhören. Wer versucht die eigene Unzufriedenheit stillschweigend zu verwalten, scheitert. Gefühle lassen sich nicht endlos verbergen. Und schon der Versuch entfernt die Partner voneinander.
Wann würden Sie einem Paar raten, zur Paartherapie zu gehen?Oskar Holzberg: Wenn man merkt, dass man immer weniger Situationen miteinander geklärt bekommt. Natürlich hat man Konflikte und Streits, aber findet man danach wirklich wieder zueinander oder passiert das nicht? Ein weiteres Symptom wäre auch, wenn man merkt, dass man ständig innerhalb von ganz kurzer Zeit in eine Aufgebrachtheit miteinander gerät. Wenn man das Gefühl hat: „Es ist egal, was ich mache, immer eskaliert es“. Aus festgefahrenen Eskalationsmustern kommt man als Paar oft alleine nicht wieder heraus.
Was kann man tun, wenn sich nur einer beraten lassen möchte und der andere nicht?Oskar Holzberg: Schritt eins ist zu klären: „Was ist dein Bild von Paartherapie, dass du da auf keinen Fall hin willst?“ Schritt zwei ist zu sagen: „Wenn du keine Paartherapie machen willst, aber wir ein Problem haben, was ist dann deine konkrete Vorstellung davon, wie wir es lösen?“ Dann sollte man sich nicht mit Allgemeinplätzen abspeisen lassen wie „Wir sind doch nur erschöpft, nach dem Urlaub wird alles besser.“ Heftig wird es, wenn der Partner sagt: „Ich finde, wir haben kein Problem, das ist deine Sache“ Dann stellt die Beziehung in Frage. Denn wenn der eine Partner ein Problem hat, dann hat auch der andere dies Problem. Da kann man sich nicht abkoppeln. Wer nicht bereit ist, etwas dafür zu tun, beendet in dem Moment die Beziehung. An diesem Punkt würde ich jedem empfehlen, dagegen zu halten. Man sollte klar machen, dass einem das Thema wirklich wichtig ist. „Solange du dich aus der Beziehung zurückziehst, tue ich das auch.“ Man kann ja immer etwas tun. Aus dem Schlafzimmer ausziehen, nicht mehr kochen, allein ausgehen.
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Könnte man die Beratung auch alleine machen?Oskar Holzberg: Es gibt natürlich die Möglichkeit, sein eigenes Verhalten zu verändern. Eine individuelle Therapie kann ein guter Ort sein, um sich und die eigenen Beziehungsmuster zu reflektieren. Und wenn ich mich anders verhalte, verändert sich auch die Beziehung. Aber das hat Grenzen. Wenn jemand unehrlich ist, sich verweigert, dann erreiche ich ihn dadurch nicht. Der Königsweg bleibt die gemeinsame Therapie. Wenn ich in Einzelsitzungen mit Klienten feststelle, dass es auch große Probleme in der Partnerschaft gibt, dann ist meistens der oder die Falsche in Therapie. Wer bereit ist, sich zu hinterfragen, ist meistens auch der kompetentere in der Beziehung.
Haben Sie den Eindruck, dass sich mehr Paare beraten lassen als früher und dass Paartherapie kein Tabu mehr ist? Oskar Holzberg: Ich glaube, die Akzeptanz hat zugenommen und der Bedarf ist da. Oft ist es allerdings so, dass ein bisschen zu spät wahrgenommen wird, dass eine Beratung sinnvoll wäre. Bevor es richtig zur Scheidung oder Trennung kommt, versucht man es halt noch einmal mit einer Paartherapie. Aber andererseits ist für viele Menschen der Wert einer Partnerschaft wieder gestiegen. Die Menschen erkennen, wie verletzlich sie sind, wie wertvoll stabile Beziehungen sind, wie schmerzhaft und destruktiv die endlosen Trennungen. Obwohl es ja heutzutage über das Internet viel einfacher erscheint, eine neue Partnerschaft zu finden. Und Beziehungen so austauschbar erscheinen und wir in unserem Konsumdenken immer glauben, dass es irgendwo noch eine bessere Partnerin gibt, erkennen wir, dass wir mit dem „Wenn es nervt, muss halt was Neues her.“ letztlich einsam werden. Die Akzeptanz und die Bereitschaft, eine Paartherapie zu machen sind gestiegen. Wie ja auch generell die Bereitschaft gewachsen ist, Therapie oder Coaching zu machen.Ist die Bereitschaft zu Therapie oder Beratung auch bei Männern größer geworden?Oskar Holzberg: Auch bei Männern, ja. Früher habe ich es eher so erlebt, dass fast immer die Frauen angerufen haben. Ich glaube, die Männer machen das jetzt auch eher, weil sie ihre Gefühle erlauben. Aber natürlich machen es auch nicht alle freiwillig. Manchmal hat die Frau auch einfach die Nase voll immer die Beziehung am Laufen zu halten und drohen dann: „Entweder kümmerst du dich jetzt um eine Paartherapie oder das war’s!“ Dann sind die Männer aber mittlerweile auch meist bereit, das zu übernehmen.
Ist Fremdgehen das Ende für die Beziehung?Oskar Holzberg: Nein. Fremdgehen stellt allerdings die Bindungssicherheit in einer Beziehung in Frage. Es ist immer eine starke Bindungsverletzung. Es gibt jemand anderen, der zumindest teilweise wichtiger ist oder wichtiger war. Außerdem wurde das Vertrauen gebrochen. Man muss das dann wieder herstellen. Das bietet oft die Chance für das Paar zu klären, was eigentlich zwischen ihnen läuft, wo eigentlich die Unzufriedenheiten liegen. In gewisser Weise ist es also auch eine Chance, aber es tut natürlich unglaublich weh und kann sehr schwierig sein.
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Welchen ultimativen Tipp können Sie Paaren geben? Was muss man tun, damit die Beziehung gut bleibt?Oskar Holzberg: Verstehen ist wichtiger als verstanden werden. Kommunikation kreist immer. Stellen Sie sich das bei einem Paar so vor: Der eine macht oder äußert etwas, der andere reagiert darauf, darauf reagiert wieder der andere Partner. Das geht immer hin und her. Es entwickelt sich fast immer ein bestimmtes Muster, eine bestimmte Eskalation. Der eine ist unzufrieden, sagt es dem anderen, der empfindet es als Vorwurf, zieht sich zurück und will nicht weiter darüber reden. Das empfindet dann der andere, der das klären will, als weitere Ablehnung. Er wird seinen Appell also noch einmal verstärken, was dazu führen könnte, dass sich der andere erst recht und noch weiter zurückzieht. Das steigert sich dann und schon ist man in einen Konflikt, der immer weiter eskaliert. Jeder will dann seinen Standpunkt erklären und verteidigen. Beide wollen dringend verstanden werden. Die Botschaft aneinander ist: „Versteh mich doch endlich!“ Doch wenn zwei Menschen darum kämpfen, verstanden zu werden, dann ist keiner mehr da, der noch bereit ist oder in der Lage ist, zu verstehen. Wenn man es umdreht und beide würden sich Mühe geben, den jeweils anderen erstmal zu verstehen, was in dem anderen vorgeht und wie er die Situation erlebt hat, dann gibt es eine große Chance auf gegenseitiges Verständnis.Abschließend: Was ist denn Ihre eigene Frage an die Liebe?Oskar Holzberg: Ich frage mich, was die Liebe denn eigentlich ist und ob ich ihr immer gefolgt bin, beziehungsweise, ob ich ihr immer folge.