Vorbeugende WirkungStudie zeigt, wer täglich kalt duscht, wird seltener krank
Köln – Für die Einen ist schon die Vorstellung davon schauderhaft, für die Anderen Routine: die tägliche Dusche mit eiskaltem Wasser. Wissenschaftliche Studien bestätigen nun, dass dieses Ritual tatsächlich gesund halten kann. Für den Extremsportler Wim Hof – er hält mit sechs Minuten den Weltrekord fürs Schwimmen unter Eis – steht fest: die tägliche kalte Dusche macht den Arzt entbehrlich. Auch gegen Long-Covid-Symptome zeigt die Maßnahme Wirkung.
Der Niederländer Hof kennt sich aus mit Kälte, auf die er derzeit in der BBC-Serie „Freeze the fear“ („Friere die Angst ein“) Prominente trainiert. Seine Kandidaten bibbern und stöhnen, aber Hof hat ihnen eingebläut, dass sie etwas für ihre Gesundheit tun. Doch was sagt die Wissenschaft zur präventiven Kraft des kalten Duschens?
Die größte Studie dazu stammt vom Academic Medical Center in Amsterdam. Darin wurden 3000 Probanden aufgefordert, sich täglich warm zu duschen. Drei Viertel von ihnen sollten das mit einem kalten Schauer beenden, der – aufgeteilt auf jeweils einem der Viertel – 90, 60 oder 30 Sekunden dauern sollte. Das Experiment dauerte insgesamt drei Monate.
Länge ohne Bedeutung
Im Anschluss präsentierte sich die Kaltwassergruppe mit insgesamt 29 Prozent weniger Fehltagen bei ihrer Arbeit. „Interessanterweise war es jedoch dabei ohne Bedeutung, wie lang die kalte Dusche war“, betont Studienleiter Geert Buijze. Die betreffenden Testpersonen berichteten nach 30 Tagen zudem von einer deutlichen Besserung ihrer Lebensqualität, sie fühlten sich vor allem munterer. Später gab es hier jedoch keine weitere Steigerung mehr. Buijze betont, dass die Daten der Studie zu einer Zeit erhoben wurden, als die Niederlande unter einer massiven Influenza-Welle ächzten. Das kalte Duschen schützte also nicht nur vor harmlosen Atemwegsinfekten, sondern auch vor der vergleichsweise schweren Grippe. Nebenwirkungen wurden hingegen nur selten berichtet, und wenn, dann waren sie harmlos.
Bislang sei ungeklärt, so der Mediziner, was physiologisch hinter dem präventiven Effekt des regelmäßigen Kaltduschens steckt. Eine Theorie lautet, dass es nach zwei bis drei Wochen den Körper dazu bringt, weniger immundämpfende Hormone wie etwa Kortisol und Noradrenalin auszuschütten. Doch die empirischen Belege dafür sind rar. „Die stärksten physiologischen Antworten auf Kältereize haben wir in den ersten 30 Sekunden“, so Buijze. „Und das spricht dafür, dass sie weniger über hormonelle als über neuronale Signalwege vermittelt werden.“
Der Berliner Komplementärmediziner Bernhard Uehleke erklärt, dass sich Viren und Bakterien schlechter im Nasen-Rachen-Raum festsetzen können, wenn dort eine gute Durchblutung herrscht. „Und die hängt – aufgrund nervöser Schaltkreise – wesentlich von der Durchblutung in den Extremitäten ab.“ Wenn also die Blutgefäße in Händen und Füßen durch systematische Kältereize so trainiert werden, dass sie selbst in nasskalter Jahreszeit gut durchblutet werden, verbessert dies auch die Infektabwehr in den oberen Atemwegen. Wichtig dabei ist jedoch die Dosierung: „Ein Kältereiz ist richtig dosiert, wenn sich anschließend ein Wärmegefühl mit einer wohligen Entspannung einstellt.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Wohliges Wärmegefühl
Das Wärmegefühl erklärt sich daraus, dass es – um den Körper vor Auskühlung zu schützen – erst zu einer Verengung der Blutgefäße kommt, die wenig später kompensatorisch mit ihrer Weitstellung beantwortet wird. Kalte Duschen könnten daher auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen schützen. Doch ob dazu ein paar Sekunden Kälte pro Tag reichen, ist fraglich.
Besser sieht die Datenlage zu den psychischen Effekten aus. So verabreichte man an der Medizinischen Hochschule Hannover 24 Senioren eine klassische Kneipp-Behandlung: einen zehnsekündigen Gesichtsguss von zehn bis zwölf Grad kaltem Wasser und danach für eine Minute einen genauso kalten, nassen Nackenumschlag. Die Probanden zeigten daraufhin deutlich bessere Ergebnisse in kognitiven Tests.
Für Nikolai Shevchuk vom Medical College of Virginia sind kalte Duschen auch eine Behandlungsoption für das Chronique Fatigue Syndrom (CFS), also jene bleierne Müdigkeit, die als Symptom von Long Covid besonders häufig auftaucht: „Wiederkehrende Kältereize aktivieren im Gehirn das Retikuläre System und damit Wachheit und motorische Funktionen.“