Kölner AlternsforscherWie wir unseren Körper jünger halten als er eigentlich ist
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Köln – Die meisten wissen es, die wenigsten tun es: vorausschauend leben. Täten wir es, könnten wir uns viele Arztbesuche und Medikamente sparen. Der Kölner Alternsforscher Professor Björn Schumacher erklärt, wie wir dem Alter auf dem Papier ein Schnippchen schlagen könnten. Am 19. Mai spricht er darüber auch im studio dumont.
Vorausschauend leben ist wie ein Dauerbad im Gesundheits- und Jungbrunnen. Wer 50 ist, geht locker für 40 durch, wer 70 ist, dem nimmt man gern die 60 ab und so fort. Dass Körper und Organismus nicht so alt sind, wie der Mensch auf dem Papier ist, das „hängt zu zwei Drittel von der Lebensweise, und zu einem Drittel von den Genen ab“, sagt Professor Björn Schumacher, 47 Jahre alt, topfit, Direktor des Instituts für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung am Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität Köln.
Warum wir nicht das tun, was langfristig Erfolg verspricht, das weiß Schumacher auch: „Wir leben im Hier und Jetzt. So funktioniert auch unser Belohnungssystem – eben kurzfristig. Es ist nun mal anstrengend und schwierig, sich langfristig an etwas zu halten, dessen positive Auswirkungen wir erst Jahre oder Jahrzehnte später sehen und spüren.“
Wer erst mit 50 plus, 60 plus und später anfängt zu überlegen, was er noch tun könne, um gut zu altern, gesund und fit zu bleiben und die Malaisen des Alterns sowie ein paar Lebensjahre weg zu mogeln, schafft noch einiges. Zwar nicht mehr den großen Wurf, aber beachtliche Verbesserungen. Weil der Mensch aber nun mal ein Individuum ist, gibt es kein Rezept, das für alle anwendbar ist. „Ich muss also herausfinden, was für mich optimal ist und was ich tunlichst meiden sollte, weil es mir schadet“, so Schumacher.
Veranstaltung im studio dumont
„Jünger als die Lebensjahre“ lautet die Infoveranstaltung mit Prof. Dr. Björn Schumacher, die am Donnerstag, 19. Mai 19 Uhr, im studio dumont, Breite Straße 72, Köln, stattfindet.
Der Experte: Prof. Dr. Björn Schumacher ist Direktor des Instituts für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung am Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln. Von 2014 bis 2020 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Alternsforschung und ist seit 2022 Präsident der Deutschen Gesellschaft für DNA-Reparatur, Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln. (Foto: Uni Köln)
Moderation: Marie-Anne Schlolaut
Tickets zum Preis von 16 Euro, Forum-Blau-Vorzugspreis 13 Euro, sind erhältlich unter forumblau.de/akademie oder auch bei Kölnticket unter 0221/28 01.
Machbar ist diese Analyse mit der Alternsuhr, einer speziellen Diagnoseform, die sich jener Biomarker bedient, die wichtige Hinweise geben, mit welcher Therapie und mit welchen Lebensstil-Varianten sich die besten Erfolge erzielen lassen – zugeschnitten auf die jeweilige Person.
Weniger Kalorien, aber nicht Hungern
Man weiß ziemlich sicher, dass eine kalorienbewusste Ernährung den Alterungsprozess deutlich verlangsamt. „Im Tierversuch hat man die Kalorienzufuhr um 30 bis 40 Prozent verringert und sehr positive Effekte damit erzielt. Die Tiere lebten länger und blieben gesund“, sagt Schumacher. „Das Genom, also die Erbinformationen einer Zelle, muss ständig repariert werden, jeden Tag, jede Nacht, jede Minute. Und im Alter schafft es das System nicht mehr, so schnell und gründlich zu reparieren wie es eigentlich müsste.
Können die Schäden nicht mehr beseitigt werden, steigt logischerweise das Risiko zu erkranken. Wenn man kalorienarm lebt, entstehen weniger Schäden am Genom, die der Organismus reparieren muss.“ Schumacher warnt jedoch vor falschen Schlussfolgerungen: „Kalorienbewusst zu leben heißt nicht zu hungern. Vermieden werden muss unbedingt jede Form der Mangelernährung.“ Mehr noch: Wer sich „positiv kalorienbewusst ernährt, der stärkt auch im Alter sein Immunsystem“.
Vor Jahren wurden erstmalig anhand einer Studie in Neuseeland rund 20 Biomarker definiert, mit denen man messbare Veränderungen für das weitere Leben nachweisen konnte. Die neuesten solcher Biomarker zu definieren lässt sich leicht realisieren, entweder mittels einer Blutprobe oder aber des Speichels in der Mundhöhle, der wie beim Corona-Test mit einem Wattestäbchen entnommen wird. Auch Spucktests sind möglich.
USA in Sachen Vorsorge vorbildlich
Diese Art von Vorsorgeuntersuchung, die beim Hausarzt erfolgen könnte, gibt es schon längst in den USA. Dort wurden 20.000 Hausärzte von darauf spezialisierten Diagnoseunternehmen unter Vertrag genommen. Auch in Deutschland gibt es einige wenige Unternehmen, die solche Tests anbieten. Aber sie kombinieren das mit ihrem eigentlichen Kerngeschäft, dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln.
Schumacher: „Es wäre gut, wenn man die Tests und die Mittelchen entkoppeln würde und es dem Hausarzt überlassen würde, seinem Patienten das Testergebnis zu erklären und ihm zu sagen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.“ Der Alternsforscher warnt: „Die Alarmglocken sollten läuten wenn ich sehe, dass ich biologisch älter bin als auf dem Papier und etwas mit meiner Gesundheit nicht mehr stimmt. In den meisten Fällen kann ich selber etwas dafür tun, um meinen Gesundheitszustand zu verbessern.“
Diagnose: Vorbeugen mit der Alternsuhr
Für Schumacher gehören die Alternsuhr und die damit verbundenen Tests in den Werkzeugkasten der Präventionsmedizin. „Bei uns könnte das schon morgen der Fall sein, man muss es nur wollen.“ Und damit beginnen, die Hausärzte in diesem Diagnostikverfahren zu schulen. Zu klären bleibt, wer zahlt. Noch liegen die Kosten bei 200 bis 400 Euro pro Test. „Sie werden immer billiger werden. In Zukunft wird man sie für ein paar Euro anbieten. Derzeit zahlen Kassen aber nur für Therapien, wenn eine Krankheit eingetreten ist. Es sind eben Kranken- und keine Gesundheitskassen.“
Schumacher und sein Team haben die Alternsuhr weiterentwickelt und sich dabei auf die Gen-Aktivität konzentriert. „Wir können erkennen und messen, welche Gene verantwortlich sind für das biologische Altern.“ Das heißt also, welche Gene sich warum so ins Zeug legen können, dass man mit 50 noch so fit und aktiv ist wie mit 40, oder aber das Gegenteil verursachen, nämlich dass man mit 60 daherkommt als sei man 70 und älter. Eine wesentlich Rolle spielen dabei die Immungene.
Mehr Entzündungen im Alter
„Es gibt im Alter zunehmend Entzündungsreaktionen, die zu einer Immunschwäche führen. Sie sind die Triebfeder für schnelles Altern.“ Es wird fieberhaft geforscht, diese ständigen kleinen Entzündungen abzustellen. Erste klinische Untersuchungen laufen und einige wenige Medikamente sind bereits im Einsatz.
Dazu gehört auch der Wirkstoff Rapamycin, der in der Transplantationsmedizin eingesetzt wird um zu verhindern, dass das Immunsystem das neue Organ abstößt. Man hat festgestellt, dass bei einer sehr geringen Dosis Rapamycin Erstaunliches passiert. Das Immunsystem arbeitet plötzlich mit voller Kraft. Genauso stark und präzise, als würde der Mensch seine Kalorienzufuhr drosseln. Denn weniger und bewusst zu essen gibt dem Immunsystem eine Initialzündung, schnell und akkurat zu agieren.
Wundermittel Rapamycin
Schumacher: „Wir wissen, dass etwa Grippeimpfungen bei älteren Menschen nicht mehr so effektiv wirken wie bei jüngeren. Mit einer geringen Dosis Rapamycin wurden diese Impfreaktionen deutlich verbessert.“ Schumacher warnt jedoch: „Kein Arzt und keine Ärztin dieser Welt würde Rapamycin für solche und andere Effekte verschreiben – aufgrund der Nebenwirkungen. Man versucht derzeit, neue Hemmstoffe zu entwickeln, die sich besser dosieren lassen und weniger Nebenwirkungen haben.“
Fakt ist für Schumacher, dass uns ein langes Leben beschert ist aufgrund der guten medizinischen Versorgung und der exzellenten Impfstoffe. „Wir sind nur deshalb so gesund und können so lange leben, weil wir all diese Therapien nutzen können. Diese Kombination lässt uns auf ein gutes Leben hoffen, aber wir haben es selbst in der Hand und müssen viel mehr Eigenverantwortung übernehmen.“
Gen-Make-up bestimmt das Alter
Das ist machbar, wenn die Möglichkeiten der Alternsuhr und die damit verbundenen Änderungen der Lebensweise angewandt und befolgt werden. Einschränkend gilt das, was Professor Lenhard Rudolph, Alternsforscher am Leibniz-Institut in Jena, sinngemäß sagt: Das Gen-Make-up bestimmt, wie alt man wird. Wenn meine Gene auf 70 Jahre programmiert sind, kann ich so gesund leben wie ich will, ich werde keine 100. Schumacher ergänzt: „Aber ich kann gesund 70 werden und ein paar Jahre dazu gewinnen. Menschen die 100 und älter werden sind die Ausnahme. Ein Viertel bis ein Fünftel von ihnen bleibt gesund bis kurz vor dem Tod. Da spielen die Lebensfaktoren eine ganz bedeutende Rolle.“