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Podcast Hirn & HeinrichWas haben Sie über Demenz gelernt, Sabine Heinrich?

Lesezeit 7 Minuten
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Die Kölner Moderatorin Sabine Heinrich und der Demenzforscher Professor Gerd Kempermann.

  1. In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  2. Im Dezember geht es um die Krankheiten Demenz und Alzheimer und den richtigen Umgang damit.
  3. Im zweiten Teil sprechen die Kölner Moderatorin Sabine Heinrich und Demenzexperte Gerd Kempermann über die Bedeutung von Bewegung für Kopf und Geist.

KölnFrau Heinrich, Sie moderieren unter anderem Musik- und Quiz-Shows, wie sind Sie zum Thema „Demenz“ gekommen?

Sabine Heinrich: Das Thema kam zu mir. Die Mütter von drei engen Freunden sind an Demenz erkrankt. Ich habe also sehr nah miterlebt, welche enorme Herausforderung das für die gesamte Familie bedeutet. Als dann die Anfrage des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) für den Podcast kam, sagte ich sofort zu, dachte mir, ich bin zwar keine Expertin, kann aber dazu beitragen, Betroffenen und ihren Familien Mut zu machen und zu zeigen: Ihr seid nicht allein.

Was war das Überraschendste, was Sie über Demenz erfahren haben – in den bislang 17 Folgen von „Hirn & Heinrich“?

Heinrich: Sehr verwundert hat mich, dass Demenz noch vor 30 Jahren eine so seltene Diagnose war, dass es kaum Hilfsangebote gab. Man dachte: Die Leute sind halt alt, lassen wir sie auf dem Sessel sitzen. Positiv überrascht hat mich, dass man Demenz nicht heilen kann, es aber heute viele Möglichkeiten gibt, das Leben für alle Beteiligten erträglicher zu gestalten. Es stehen Hilfsangebote zur Verfügung, man muss sie nur kennen. Dennoch müssen wir mehr über Demenz sprechen, damit Betroffene nicht stigmatisiert werden und sich trauen, zu bekennen, dass sie beispielsweise nachts nicht mehr zurück ins Bett finden. Und dann sofort eine Gedächtnisambulanz aufsuchen. Es gibt immer noch viel Informationsbedarf, obwohl es so viele Menschen gibt, die von Demenz betroffen sind.

Sabine Heinrich

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Moderatorin Sabine Heinrich.

Foto: dpa

Sabine Heinrich ist als Moderatorin der Show „Unser Star für Oslo" deutschlandweit bekannt geworden. Seit Sommer 2021 moderiert sie eine eigene Quiz-Sendung im ZDF. Die Hörfunk- und Fernsehmoderatorin (u.a. „Frau tv“, „Nicht dein Ernst“) spricht im Wissenspodcast „Hirn & Heinrich“ vom DZNE über Demenz und andere neurodegenerative Erkrankungen. Sabine Heinrich lebt in Köln.

https://www.dzne.de/aktuelles/podcast/

Prof. Gerd Kempermann: Die Zahl wird weiter zunehmen. 2018 gab es bei uns geschätzte 1,6 Millionen Demenzkranke, bis 2050 könnten es 3 Millionen sein. Was ein gesamtgesellschaftliches Problem mit enormer Sprengkraft auch für den sozialen Frieden bedeutet. Und im Koalitionsvertrag weitgehend ausgespart wurde. Zwar gibt es eine ausgetüftelte nationale Demenzstrategie, die aber gemessen an der Größe der Herausforderung finanziell nicht ausreichend unterfüttert ist. Das müssen wir ändern! Neurodegenerative Erkrankungen sind unfassbar komplexe Krankheitsbilder, die so vernetzt in die Gesellschaft eindringen, dass sie vernetzt, also interdisziplinär, angegangen werden müssen.

Weshalb ja 2009 das DZNE gegründet wurde. Dient dessen Podcast mit Frau Heinrich auch diesem Ziel der Vernetzung?

Kempermann: Absolut, Frau Heinrich lebt unser Ziel, die Bündelung von bundesweiter Expertise, im Podcast auf wunderbare Weise aus. Wir arbeiten mit 1000 Fachleuten daran, die Ursachen von degenerativen Erkrankungen des Gehirns zu verstehen und neue Ansätze für eine wirksame Prävention, Therapie und Versorgung zu finden. Frau Heinrich vermittelt diese interdisziplinären Erkenntnisse erfrischend, verständlich und hilft damit mit, die Lebensqualität Betroffener und deren Familien entscheidend zu verbessern.

Professor Gerd Kempermann

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Professor Gerd Kempermann.

Foto: DZNE/Ronald Frommann

Professor Gerd Kempermann ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz und Parkinson. Er ist Professor für Genomik an der Universität Dresden, Sprecher und Gruppenleiter des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Autor (u.a. „Die Revolution im Kopf: Wie neue Nervenzellen unser Gehirn ein Leben lang jung halten“).

Inwiefern ist es möglich, die Lebensqualität zu verbessern? Ein Hirn kann man nicht reparieren, es gibt auch noch keine Pillen gegen Demenz.

Kempermann: Gehirnzellen können zwar nicht regenerieren und das Risiko an Demenz zu erkranken, ist zu zwei Dritteln genetisch bedingt. Aber wir wissen auch, dass ein Drittel des Risikos durch den Lebensstil beeinflusst wird, womit es durchaus Möglichkeiten gibt, sein Gehirn länger fit zu halten und Demenz zu vermeiden oder zu vermindern.

Und zwar mit täglichem Sudoku oder anderem Gehirnjogging?

Kempermann: Beim einseitigen Gehirntraining wie Rätsellösen, ist der Transfer, also die Übertragbarkeit auf andere Lerngebiete, sehr gering. Damit ist es kein effizienter Weg, das Gehirn zu trainieren. Anders ist das erstaunlicherweise mit körperlicher Aktivität, die außerordentlich gut transferiert. Es gibt keinen anderen messbaren, medizinisch relevanten Faktor, der eine derart positive Wirkung auf quasi alles hat, was unseren Organismus betrifft. Damit ist Bewegung auch sehr gut fürs Gehirn.

Ich dachte, der Kopf sei vor allem fürs Denken da. Wenn ich etwas für meinen Kopf tun möchte, muss ich mich also körperlich fit halten?

Kempermann: Genau. Nervensysteme sind evolutionär entstanden, um Bewegung zu ermöglichen. Unsere Ur-Ahnen waren mit einem Bewegungsapparat ausgestattet, der es ihnen ermöglichte, große Entfernungen zurückzulegen, um ein Mammut zu jagen, eine Partnerin zu finden, dem Unwetter davon zu laufen. Und ihr Gehirn half ihnen, mit den dabei konfrontierten Eindrücken und Erlebnissen klarzukommen, Balance zu halten, wenn es über Stock und Stein ging oder Orientierung zu geben, um wieder zurück zu finden. Umgekehrt hilft uns Bewegung auch geistig auf die Sprünge. Nicht umsonst lernen viele Menschen beim Gehen.

Was bedeutet das für die Demenz-Therapie und -Prävention?

Kempermann: Selbst wenn wir noch wenig über die therapeutische Wirkung wissen, ist eines klar: Im Gehirn wächst nichts nach, was verloren ging, aber es hat eine unglaubliche Fähigkeit zur Kompensation. Die ist umso breiter, je mehr ich mit meinem Gehirn im Jetzt und Heute anstelle, und damit quasi seinen Tank auffülle. Menschen, die körperlich, geistig und sozial sehr aktiv sind, haben nachweislich ein geringeres Risiko, eine Demenz zu entwickeln, oder zumindest erst später. Zwar sind Zweidrittel des Risikos genetisch bedingt und das Los, das wir in der genetischen Lotterie gezogen haben, kann nicht beeinflusst werden. Aber wie gesagt: Immerhin ein Drittel des Risikos wird durch unseren Lebensstil beeinflusst. Das ist verdammt viel Potenzial, das wir nutzen können, um unsere Chance zu erhöhen, gesund und zufrieden alt zu werden.

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Aber der nackte Sport und die rein geistige Beschäftigung genügen dafür nicht?

Kempermann: Sich körperlich UND geistig zu bewegen, lautet die bessere Devise. Raus in die Welt, Erfahrungen sammeln und nutzen, denn die Breite an Aktivität regt das Gehirn an. Wichtig ist mir dabei aber, dass man nicht einer quälenden Checkliste folgt, die einem vorschreibt, so und so viele Kilometer zu Joggen, Krafttraining zu betreiben, Kalorien einzusparen, sondern all das in einem Rahmen tut, der einem liegt. Man hält Vorsätze eher durch, wenn sie dem Lebensstil entsprechen und nicht, wenn sie einem vielleicht irgendwann mal etwas nutzen. Prävention heißt für mich: Ich verhalte mich aus der jetzigen Situation heraus, so, wie ich später einmal leben möchte und was meine Lebensqualität erhält – auch im Falle einer Demenz.

Heinrich: Genau das ist noch etwas, was ich über Demenz gelernt habe: Sie birgt ein enormes therapeutisches Potenzial und auch das der Vorsorge ist noch lange nicht ausgeschöpft!

Neuer Inhalt

Mit unserer Serie „Gesund durchs Jahr“ legen wir den Schwerpunkt ganz auf Ihre Gesundheit. Jeden Monat gibt es dazu ein Schwerpunktthema, zu dem jede Woche ein neuer Artikel erscheint. Im Dezember dreht sich alles um das Thema Demenz. 

Wie nutzen Sie das eine Drittel, mit dem Sie der Demenz die Stirn bieten könnten?

Heinrich: Ich flechte Neurosport, Techniken, die mein Gehirn trainieren, in meinen Alltag ein. Wenn ich mit meiner Familie im Café sitze und durch die Fensterscheiben auf das Gewusel in den Straßen schaue, empfinde ich das nicht mehr als Stress sondern nutze es als Training, quasi wie ein großes Wimmelbild, in dem wir jetzt alle Menschen mit gelben Jacken finden.

Kempermann: Ich mache etwas Yoga und habe vor allem auch eine Arbeit, die mir großen Spaß macht und mich vielfältig fordert. Ich darf dauernd etwas Neues lernen. Yoga ist übrigens eine Bewegungsart, die, wie Tanz, viele Aspekte, die der körperlichen und geistigen Fitness dienen, unmittelbar vereint.

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?

Kempermann: Zu verstehen, was die neurobiologischen Grundlagen dafür sind, dass wir unterschiedlich gut altern, und welche Rolle wir selbst dabei spielen, unsere Kompensationsfähigkeit zu erhalten.

Ihr Plädoyer, Frau Heinrich?

Heinrich: Schiebt nichts auf, carpe diem! Außerdem bräuchten wir unter anderem dringend Care Manager, die den betroffenen Familien als Kontaktperson zu Ärzten, zur Kranken- und Pflegekasse bei administrativen und pflegerischen Aufgaben zur Seite stehen.