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Arzt für Fitness statt Pillen„Wer Sport treibt, lebt drei bis sechs Jahre länger"

Lesezeit 7 Minuten
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Mit Sport kann man in jedem Alter anfangen, es kommt nur auf das richtige Maß an. (Symbolbild)

  1. Sport steigert nicht nur das Wohlbefinden – im richtigen Maß kann er sogar das Leben verlängern.
  2. Von der heilenden Wirkung regelmäßigen Trainings ist Prof. Dr. Herbert Löllgen, ehemaliger Chefarzt und praktizierender Kardiologe und Sportkardiologe, absolut überzeugt.
  3. Er betreut in seiner Praxis Menschen jeden Alters und spricht mit unserer Autorin über seine Erfolgsformel für ein gesundes Leben.

Köln – Für Prof. Dr. Herbert Löllgen wäre es die größte Strafe, wenn man ihm verböte Sport zu treiben. Er bewegt sich leidenschaftlich gern, braucht den sportlichen Ausgleich, um den Kopf frei zu machen und sich danach entspannt anderen Dingen zu widmen. Dieses Wohlfühl-Rezept verschreibt er auch seinen Patienten und notiert genau, wie sie sich wie oft zu bewegen haben, um gesund zu werden und gesund zu bleiben. Erstaunlicherweise klappt das sehr gut, denn immerhin „50 Prozent der Patienten halten durch“ und bleiben am Ball, so Herbert Löllgen.

Wöchentlich fünf Stunden Sport und Bewegung

Das kommt nicht von ungefähr. Löllgen, der in Remscheid lebt und arbeitet, ist glaubwürdig. Das, was er seinen Patienten verordnet, macht der 77-Jährige mit seinen 67 Kilo und seinen 1,76 Metern Körpergröße regelmäßig selbst und ist der lebende Beweis für die Wirksamkeit dieses „Medikaments“.

Jeder zweite Tag ist für Herbert Löllgen Sporttag. Im Keller steht sein Spinning-Rad, liegen die Geräte für das Krafttraining, also Hanteln, Gewichte, Gymnastikband. Wenn er alle Gliedmaßen trainiert hat, leicht ins Schwitzen gekommen ist, dann geht er raus zum Laufen: 30 Minuten mindestens, meist aber 60. In der Woche kommt er auf rund fünf Stunden Sport und Bewegung. Das einzige, was ihn eventuell an seiner Joggingrunde in der freien Natur, mit Blick aufs Wasser oder in die Wälder, abhalten könnte, wäre sehr starker Regen: „Dann laufe ich nicht ganz so gerne.“ Aber ansonsten joggt er los, bei Minus 8 Grad und Schnee genauso wie bei heißen 30 Grad und staubigen Wegen. „Das macht mir nichts.“

Kardiologe Herbert Löllgen

Kardiologe Herbert Löllgen

Trotz der preußischen Tugenden, die Herbert Löllgen zweifelsfrei besitzt, überkommt auch ihn gelegentlich die Unlust. „Das kenne ich schon, aber wenn ich dann trotz allem loslaufe, dann merke ich nach zwei oder drei Kilometern, dass es mir Spaß macht, dass ich mich frei fühle.“ Das ist für ihn essentiell. Man merkt es ihm an, wenn es so weit ist, dass er nach Bewegung lechzt. Als er noch Chefarzt in der Klinik war, hatte er eine Assistentin, „die medizinisch und menschlich hervorragend war. Die sagte immer um 17 Uhr: Chef, Sie müssen jetzt nach Hause trainieren.“

„Man kann in jedem Alter anfangen"

Das Argument vieler, seien es Kollegen oder Patienten, dass sie es ihm gleich tun würden, ihnen aber die Zeit fehle, lässt Löllgen ungern gelten. „Ich höre mir das an und frage, wie derjenige den Tag einteilt.“ Spätestens dann ergibt sich plötzlich wie von selbst ein Zeitfenster für Sport und Bewegung. Löllgen: „Ich hatte als Chefarzt in der Klinik meinen Tag streng eingeteilt und habe durchgearbeitet. Dadurch kam ich abends rechtzeitig raus.“ Das eine oder andere Schwätzchen und andere Spielereien während des Dienstes hat er sich verkniffen. Nicht aber die Zeit, um mit seinen Patienten ausführlich zu sprechen und ihnen einen neuen Lebensstil schmackhaft zu machen – egal wie alt sie sind oder wie unbeweglich sie leben.

„Man kann in jedem Alter damit anfangen, sollte sich vorher jedoch untersuchen lassen, um vernünftig zu starten und es nicht zu übertreiben. Wer Mitte 50 und inaktiv ist, der braucht schon drei Monate, um sich wieder normal belasten zu können.“ Um all das im Gespräch zu klären, muss Löllgen Zeit haben und „sich in den Patienten einfühlen, damit ich weiß, wo er Probleme hat und warum er dies und jenes nicht machen kann“.

„Wer Sport treibt, lebt drei bis sechs Jahre länger"

Er, der liebend gern Sportler geworden wäre, zusätzlich zum Medizinstudium noch an der Sporthochschule Köln studiert und diverse Qualifikationen erworben hat, hat sich bewusst für die Kardiologie entschieden, denn „dieser Beruf ist meine Erfüllung“. Schon früh war ihm aufgrund seines sportlichen Lebens bewusst, wie faszinierend das Herz-Kreislauf-System und wie bedeutend die Bewegung für dieses System ist. „Wir als Kardiologen hätten deutlich weniger Arbeit, wenn die Menschen regelmäßig Sport treiben würden. Denn wer Sport treibt, lebt drei bis sechs Jahre länger und gesünder als einer, der keinen Sport treibt“. Und man kann dem Alter auf diese Weise schon mal ein Schnippchen schlagen.

Als der Kardiologe Löllgen merkte, dass er „bis 65 mühelos einen Kasten Wasser schleppen konnte, und mir das auf einmal doch schwer fiel“ hat er das erstaunt registriert, sich geärgert und mehr Krafttraining ins „Alle-Zwei-Tage-Pensum“eingebaut. Ergebnis: Es klappt wieder. Das Alter macht Herbert Löllgen keine Angst. „Im Augenblick noch nicht, man verdrängt es. Mein Wahlspruch ist „trabe bis zum Grabe“ und ich möchte gern beim Joggen tot umfallen.“ Wobei Sterben und Tod gedanklich bei ihm ganz hinten stehen. „Ich tue das alles, weil ich mich wohlfühlen und den Anforderungen des täglichen Lebens gewachsen sein möchte. Ja, es wird der Tag kommen wo ich vielleicht nicht mehr joggen kann. Dann walke ich eben oder gehe schwimmen.“

Kein Mittagessen, kaum Alkohol, wenig Süßkram

Hinzu kommt, dass der Vater von vier Töchtern, die allesamt in seine sportlichen Fußstapfen gestiegen sind, eher spartanisch lebt und seine Kinder diesen Lebensstil gleichfalls inhaliert haben. Absolut wichtig ist für Herbert Löllgen ein gutes und reichhaltiges Frühstück. Das Mittagessen fällt meist ganz aus. Das brachten der hektische Klinikalltag und die oft unsäglich langen Wochenenddienste als junger Arzt mit sich. „Da wurde essen zur Nebensache.“ Abends wird gemeinsam gespeist, aber eher übersichtlich, was die Menge betrifft. Ab und an genehmigt sich Löllgen ein Eis. „Kuchen gibt es bei uns nur Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Schokolade mag ich nicht und mehr als ein bis zwei Gläser Wein pro Woche trinke ich nicht.“ Das ist für Löllgen keine Strafe, sondern Lebensstil aus Überzeugung. Ein Bäuchlein musste er sich folglich noch nie abtrainieren, weil er keins hatte. Und die ein bis zwei Kilo, die er gelegentlich mal im Urlaub zulegt, die sind gleich wieder weg, wenn er zu Hause auf die Piste geht.

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Dass er so lebt, wie er lebt, hat er unter anderem seinem Elternhaus zu verdanken. Der Vater war ein sehr guter Freizeit-Sportler und führte bis zum Ende ein bewegtes Leben. Während Sohn Herbert nachweislich von den väterlichen Genen profitiert, sind seine drei Schwestern in dieser Hinsicht leer ausgegangen. Die Begeisterung für den Sport hört bei Löllgen nur bei einer Disziplin definitiv auf: Boxen. „Das ist für mich gesetzlich erlaubte schwere Körperverletzung bis hin zur Tötung.“ Man wisse, dass die Verletzungen in diesem Sport vorzeitig zu Demenz und Parkinson führen können. Prüfe man nach, wer dement werde und zuvor im Sport Kopfverletzungen erlitten habe, dann seien das zu 50 Prozent Boxer, Rugby-Spieler und zum Teil auch Fußballspieler aufgrund der Kopfbälle.

Sport kann manches Medikament überflüssig machen

Verletzungen haben im Leben von Herbert Löllgen bisher keine Rolle gespielt, darauf hat er geachtet. „Die Achillessehne musste mal ein bisschen gerichtet werden“ und jedes Frühjahr plagt ihn der Heuschnupfen. „Aber das habe ich gut im Griff.“ Andere Schwachstellen im System Löllgen fallen ihm so schnell nicht ein, außer dass er gelegentlich immer noch staunt, wie er als junger Arzt, späterer Chefarzt und Familienvater Beruf, Sport, Ehefrau und vier Töchter unter einen Hut bekommen hat. „Ich frage mich manchmal, wie das geklappt hat.“

Dass vieles klappt und sich nachweislich lohnt, kaufen ihm seine Patienten bedingungslos ab. Wenn sie nach dem Klinikaufenthalt zu ihm kommen und ihm zehn Pillen präsentieren, die sie ab jetzt aufgrund ihrer Herzbeschwerden nehmen sollen, rät Löllgen nicht selten: „Sie können drei davon weglassen, wenn Sie sich bewegen.“ Spricht‘s und macht sein Rezept fertig: drei mal pro Woche 15 bis 20 Minuten Ausdauersport wie Laufen, Schwimmen, Radfahren und den Puls auf 120 bringen, und zwei Mal die Woche Krafttraining. Mitgeliefert wird von Löllgen die Info, wo es passende Sportvereine und Fitnessstudios gibt. Denn: „Menschen zu Sport und Bewegung anzuregen, da kann man als Arzt und Kardiologe viel Gutes tun.“