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Lungenarzt erklärt„Es gibt für mich nur zwei Gründe, ein Masken-Attest auszustellen“

Lesezeit 6 Minuten
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Michael Barczok ist Lungenarzt mit eigener Praxis in Ulm.

  1. Michael Barczok ist Lungenarzt und behandelt unter anderem Asthmatiker und COPD-Patienten.
  2. Immer wieder fragen seine Patienten nach Masken-Attesten.
  3. Im Gespräch erzählt er, wie er auf solche Fragen reagiert. Außerdem spricht er über Ärztekollegen, die zur Querdenken-Bewegung gehören.

Herr Dr. Barczok, Sie haben eine große Lungenpraxis in Ulm. Kommen viele Menschen zu Ihnen und fragen nach einem Masken-Attest?Barczok: Ich habe natürlich jeden Tag Patienten, die danach fragen und eine eingeschränkte Lungenfunktion haben, Asthmatiker oder COPD-Patienten. Bei diesen Patienten gebe ich nie ein Masken-Attest. Sondern da kommt es immer zu einem Masken-Beratungsgespräch. Der Patient sagt in der Regel so etwas wie: „Ich kann nicht in der Stadt herumlaufen, weil ich kein Luft bekomme“. Dann sage ich: „Okay. Sie wollen also von mir eine Befreiung von der Maske mit der Begründung, dass Sie eine schlechte Lungenleistung haben? Sie wissen aber doch, dass Sie ein hohes Risiko haben, dass Sie im Falle einer Infektion schwer krank werden? Finden Sie das sinnvoll?“ Und so ist ein Gespräch meist schnell beendet. Denn das ist einfach der nackte Wahnsinn, wenn ein Kranker, der wirklich geschützt werden muss, eine Maskenbefreiung will und sozusagen nackt in der Straßenbahn sitzt.Haben Sie bisher Masken-Atteste geschrieben?

Wir haben eine Handvoll Masken-Atteste verteilt. Es gibt für mich nur zwei Gründe, ein Masken-Attest auszustellen und die sind sehr selten. Es gibt Menschen, die geraten in Panik, wenn sie etwas vor der Nase oder dem Mund haben. Die hyperventilieren dann, es wird ihnen schummrig und schwarz vor Augen. Medizinisch ist das ungefährlich, das hat mit Atemwegserkrankungen oder Maskenerkrankungen nichts zu tun, sondern mit Atemtechnik. Die zweite Ausnahme ist aus meiner Sicht, wenn jemand eine schwere Hautallergie hat. Wir haben zum Beispiel eine Mitarbeiterin in der Praxis, die hat auf verschiedene Masken von mehreren Herstellern jeweils mit einem schweren Ausschlag um die Mund und Nase herum reagiert. Aber das sind extrem seltene Sachen. Der Maßstab ist einfach: Je kränker jemand ist, desto sinnwidriger ist es, so jemandem eine Maskenbefreiung zu geben. Bei Patienten, die befreit werden, ist es umso wichtiger, dass sie sich an alle anderen Regeln halten. Sprich: Abstand halten sich nicht in Situationen begeben, wo Menschenansammlungen zum Problem werden können.

Das heißt, als Mensch, der ein Masken-Attest hat, auf eine Corona-Demo zu gehen ist sehr widersprüchlich.

Ja. Das ist einfach widersinnig.

Bei einer Corona-Demonstration in Köln sagte eine Rednerin, sie sei Asthmatikerin und würde ersticken, wenn sie eine chirurgische Maske aufsetzte. Spricht aus medizinischer Sicht irgendetwas dagegen, auch als kranke Person eine chirurgische Maske zu tragen?

Eine chirurgische Maske behindert die Atmung praktisch nicht. Sie ist sehr stark durchlässig und sitzt in der Regel nicht eng an. Außerdem hat sie überall Löcher und Falten, durch die Luft hindurchkommt. Ich arbeite nur mit Asthmatikern und Menschen mit schweren Lungenerkrankungen. Selbst Patienten, die ein Sauerstoffgerät haben, haben kein Problem, wenn sie eine chirurgische Maske tragen. FFP2 oder FFP3 Masken sind dichter als chirurgische Masken und können – zumindest, wenn man sich bewegt – die Atmung behindern. Aber auch diese dichten Masken sind kein Problem, wenn man sitzt. Sobald man im Wartezimmer sitzt, im Zug oder in der Straßenbahn, kann man völlig problemlos auch als schwer lungenkranker Mensch so eine Maske verwenden. Diese FFP2 Masken sind für einen kranken Menschen die einzige Lebensversicherung. Je kränker jemand ist, desto eher muss er sich mit einer richtigen Maske schützen. Aber dass ausgerechnet jemand, der krank ist, sich von der Maske befreien lässt, ist für mich medizinisch gesehen der Wahnsinn. Aber die Patienten sehen das durchaus ein. Klar kriegt der Patient Atemnot. Wenn er auch normalerweise Atemnot bekommt, dann kriegt er das auch, wenn er mit einer Maske herumläuft.

Also würden Sie eher das Tragen einer chirurgischen Maske oder einer FFP2 Maske empfehlen als das einer Stoffmaske?

Ja, würde ich schon. Die Stoffmasken haben nur eine Funktion: Feuchtigkeit aufnehmen, Tröpfchen aufhalten. Je nachdem was das für eine Maske ist, kann es schon mal sein, dass die Maske beim Tragen feucht wird. Und eine feuchte Stoffmaske quillt auf – dann kann es sein, dass man tatsächlich etwas schlechter Luft kriegt. Ich mag die Stoffmasken gar nicht.

Inwiefern gibt es eine Schutzwirkung durch den Mund-Nasen-Schutz?

Da gibt es mittlerweile eine sehr große Reihe an Untersuchungen, gerade was den chirurgischen Mund-Nasen-Schutz angeht. Wenn ich krank bin und huste, atme, spreche, gebe ich durch die Maske eine deutlich geringere Zahl an Erregern ab. Deswegen werden seit Jahrzehnten chirurgische Masken von Ärzten getragen, die über einem Patienten stehen, den sie gerade operieren, damit keine Bakterien oder Viren auf den Operationsbereich gehustet oder geatmet werden. Beim Einatmen ist der Schutz relativ gering, aber er ist nicht null. Aber weil er gering ist, bin ich der Meinung, dass gerade kranke Patienten gut daran tun, in eine Apotheke zu gehen, sich zwei, drei chirurgische Masken zu besorgen und noch zwei FFP2 Masken.

In Dortmund waren im Oktober bei einer Corona-Demo von 1000 Demonstranten 200 von der Maskenpflicht befreit. Glauben Sie, dass zu viele Menschen befreit werden?

Aus meiner Sicht gibt es kaum einen vertretbaren Grund, warum Ärzte eine Befreiung machen. Wenn ich als Arzt sage, ich bin Querdenker – das gibt es ja leider auch – finde das alles Mumpitz und sage: Ich befreie die alle. Dann ist das eine Sache. Das ist unärztlich. Aber wenn ich gerade Patienten, die krank sind, kritiklos eine Maskenbefreiung gebe, dann ist das für diese Patienten besonders widersinnig und gefährlich.

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Wie bedenklich ist es, wenn gesunde Leute keine Maske tragen wollen?

Je kränker jemand ist, desto bedenklicher finde ich die Maskenbefreiung. Wobei man natürlich sagen muss: Wenn einer nicht krank ist, dann gibt es sowieso keinen Grund für eine Masken-Befreiung. Wie in Leipzig bei der Demonstration mit 20.000 Menschen ohne Maske. Ich habe dafür kein Verständnis. Wenn jemand sich selbst gefährdet, ist das eine Sache. Wenn er jemanden gegen seinen Willen ansteckt und dieser Mensch krank wird oder gar stirbt, ist das eine andere Sache. Keiner hat das Recht, mich durch sein Verhalten krank zu machen oder gar umzubringen. Früher hatte man noch häufiger Patienten mit Tuberkulose. Die Krankheit ist nicht so ansteckend wie Covid und nicht so tödlich. Aber da gibt es ganz klare Absonderungsregeln. Da gibt es Krankenhäuser, in denen Menschen mit offener Tuberkulose notfalls gegen ihren Willen isoliert werden können. Jetzt haben wir hier eine Erkrankung, die ansteckender ist, die noch viel gefährlicher verläuft, und da gibt es Massendemonstrationen gegen das Maskentragen und Menschen, die bewusst und gezielt dagegen verstoßen. Das sind alles Dinge, die für mich als Lungenspezialist schwer ertragbar sind.

Wie problematisch ist es, dass es einzelne Querdenker-Ärzte gibt, die scheinbar sehr viele von den Attesten herausgeben?

Natürlich ist das ein Problem. Und ich finde es richtig, wenn die Ärztekammer auch gegen solche Ärzte vorgeht. Ein Arzt muss sich darüber Gedanken machen, was er da attestiert, wem er das attestiert und er muss ihn natürlich auch gründlich untersuchen. Einfach so ein Attest auf die Homepage stellen und für 10 Euro herunterladen lassen, ist doch völlig daneben.