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Schlaf-Experte„Wer überall sofort schlafen kann, mit dem stimmt meist was nicht“

Lesezeit 5 Minuten
GettyImages-Mann schläft

50 Prozent aller Schlafstörungen werden vorrangig durch Schnarchen und gestörte Atmung verursacht.

Köln – Im schweizerischen Bern haben Forscher anhand von Studien gezeigt, dass der REM-Schlaf, die nächtlichen Traumschlafphasen, „das Essverhalten deutlich beeinflussen kann“, so das „Ärzteblatt“. Wobei „nicht allein die Schlafdauer, sondern auch die Schlafqualität entscheidend“ ist. Nun könnte man flapsig entgegnen: Wer schläft, kann nun mal nicht essen, und wer nicht schläft, findet auch im Dunkeln die Kühlschranktür. Aber so simpel ist das nicht mit der Nachtruhe und dem Körpergewicht.

Schlafmediziner und Allgemeinarzt Dr. Michael Feld erklärt: „Wer weniger schläft als er sollte und schlechter schläft als er es sich wünscht, der nimmt oft zu. Der Schlaf ist wichtig für die Appetitregulation. Die Botenstoffe, die unter anderem im REM-Schlaf produziert werden, sind wichtig für das Gesamtorchester der Appetitregulation.“

Mehr Appetit durch einen gestörten Schlaf

Sobald die Traumschlafphase gestört ist, springt der Organismus an. Das aufgeschreckte Gehirn will sofort gefüttert werden, am liebsten mit Kohlenhydraten, weil sie aus Zuckermolekülen bestehen. Feld: „Wenn wir wach werden steigt auch der Stress-Hormon-Spiegel an, das Cortisol. Das Hirn ist sofort in Alarmbereitschaft und prüft, ob es einen Grund gibt zu agieren.“ Die Botenstoffe Noradrenalin und Adrenalin mischen mit, sodass kaum ein Weg an Kohlenhydraten als Energiequelle vorbei führt.

„Ein gestörter Schlaf ist appetitfördernd. Wer auf Dauer eine Stunde weniger schläft als er nötig hätte und wer schlecht schläft, kommt auf ein Plus von 300 Kalorien pro Tag. Das addiert sich und macht pro Jahr drei Kilo aus, denn Schlafmangel und schlechter Schlaf sind appetitanregend“, erläutert Schlafexperte Feld. Auch Schnarcher werden tagsüber von Hungergefühlen gequält. „Wer immer großen Appetit und Hunger hat, der ist nachts zu viel wach“.

Die optimale Mischung aus Tiefschlaf, Traumschlaf und Leichtschlaf

REM-Schlaf

Typisch für den REM-Schlaf, die Haupt-Traumschlafphase, sind schnelle Augenbewegungen (Rapid Eye Movement) bei geschlossenen Lidern. Die genaue Ursache ist noch nicht erforscht. Dazu gibt es diverse Theorien:

Theorie 1: Wenn man träumt, ziehen im Gehirn diverse Bilder vorbei, die man mit den Augen – wie beim Sehen – verfolgt, daher die schnellen Bewegungen.

Theorie 2: Durch die Augenbewegungen wird das Gehirn aufgewärmt. Das Gehirn darf nicht auskühlen, aber je länger wir schlafen desto stärker die Hirn-Auskühlung, da wir uns im Schlaf kaum bewegen. Also versucht der Organismus, das zu verhindern.

Theorie 3: Die Augenbewegungen nach rechts und links sind eine Art „Verdauungshilfe“ für die Seele und verknüpfen rechte und linke Gehirnhälfte miteinander.

Buchtipps:Michael Feld: „Schlafen für Aufgeweckte – Mehr Lebensenergie durch guten Schlaf“ & „Dr. Felds große Schlafschule – Endlich wieder richtig gut schlafen“

Damit der Schlafmotor wieder rund läuft, „muss man meist an mehreren Schlaf-Schräubchen gleichzeitig drehen“, sagt Feld. Wer genetisch bedingt einen gestörten Traumschlaf hat, hat schlechte Karten – alle anderen nicht. 50 Prozent aller Schlafstörungen werden vorrangig durch Schnarchen und gestörte Atmung verursacht. „Schlafstörungen“, so weiß Feld aus seinem Praxisalltag, „ werden stark psychologisiert, aber oft sind körperliche Ursachen der Auslöser.“ Das optimale Schlaferlebnis setzt sich zusammen aus 20 Prozent Tiefschlaf, 20 Prozent Traumschlaf und 60 Prozent Leichtschlaf. Und das alles sollte sich in drei bis fünf Schlafzyklen à 90 Minuten abspielen. Was aber nur klappt, wenn wir nicht versuchen, diesen Rhythmus durch unseren Lebensstil auszutricksen und somit Tief- und REM-Schlaf, die erholsamsten Schlafphasen, empfindlich stören.

Weil die Trickserei mit dem Schlafrhythmus aber Normalität geworden ist dank Festbeleuchtung bis spät in die Nacht, TV-Abenden, nächtlichen Stunden vor dem PC oder mit dem Handy in der Hand, sind „Schlafstörungen in jeder Schlafphase an der Tagesordnung“. Den Tiefschlaf genießt der Mensch vornehmlich in der ersten Nachthälfte. Das Gehirn ist „offline“ und gegen Reize abgeschottet. „Der Schlaf ist so tief, dass man selbst mit einer vollen Blase nicht wach wird und keinen Drang verspürt, zur Toilette zu gehen.“ Ab der Nachtmitte spielen vermehrt REM- und Leichtschlafphasen die Hauptrolle. „Wir sind anfälliger für Geräusche und Störungen und können leichter geweckt werden.“ Wer Durchschlafprobleme habe, resümiert der Schlafmediziner, leide meist in der zweiten Nachthälfte. Wer Einschlafprobleme habe, schlafe dagegen in der zweiten Nachthälfte besser.

Schlechtes Schlafen kann auf Krankheiten hinweisen

Veranstaltung

Schlafmediziner Michael Feld

Schlafmediziner Dr. Michael Feld

Dr. Michael Feld. Foto: Uwe Schmitz

Schlankmacher SchlafMittwoch, 17. März, 19 Uhr

Experte:Dr. Michael Feld, Schlafmediziner, Allgemeinarzt, Buchautor sowie Experte in TV und RadioModeration: M.-A. Schlolaut

Karten für Online Präsentation: 5 Euro zzgl. VVK-Gebühren.Die Tickets sind online buchbar unterwww.forumblau-akademie.deoder bei KölnTicket:0221/ 28 01.Abonnenten mit Bonuskarte melden sich bitte unter:0221/ 28 03 44

In der heiklen Traumschlafphase (REM) befindet sich der Organismus in einem großen Durcheinander, „weil das eine total komplexe Schlafphase ist“. Die Temperatur spielt verrückt, die Atmung wird holprig, der Herzschlag gerät aus dem Takt, denn der „Organismus ist vollauf mit den Aufräumarbeiten im Gehirn beschäftigt und kann sich um die anderen Dinge nicht kümmern. Multitasking im Organismus gibt es nicht. Was gemacht werden muss, wird Schritt für Schritt voll konzentriert erledigt – und zwar nacheinander.“

Die diffizile REM-Schlafphase kann auch Hinweis sein auf ernsthafte Erkrankungen. „Man hat festgestellt, dass 40 Prozent der Betroffenen, die an Parkinson erkranken, bereits Jahre vorher Störungen im REM-Schlaf hatten. Normalerweise leben wir in dieser Phase unsere Träume nicht aus. Wir nennen das paradoxen Schlaf. Deshalb sind auch die Muskeln in dieser Phase wie gelähmt. Aber wenn im REM-Schlaf die Muskeln nicht ausgeschaltet werden, kann es passieren, dass diese Menschen um sich schlagen, aufspringen oder sonstige verrückte Dinge tun.“ Das klassische Schlafwandeln ist etwas anderes. „Das passiert nur in der Tiefschlafphase.“

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Motorische Auffälligkeiten oder Verhaltensstörungen im REM-Schlaf können, so Feld, Vorboten für Parkinson sein, eine sogenannte „REM-Schlaf-Verhaltensstörung“. „Wird das früh genug erkannt, kann man mit Medikamenten den Verlauf der Parkinson-Erkrankung deutlich verlangsamen.“ Wer unter Depressionen leidet, hat übrigens nicht nur eine längere REM-Schlafphase, sondern auch intensivere ruckartige Augenbewegungen. Feld: „Das ist ein hilfloser Versuch des Körpers, die Depression zu mildern.“ Anti-Depressiva-Medikamente können die „REM-Phase verkürzen, von der ein Depressiver zu viel hat.“

Wer angesichts dieser und anderer Komplikationen im Schlaf behauptet „ich kann immer und überall sofort schlafen“, mit dem stimme meist was nicht, so Feld. „Demjenigen fehlt oft die nächtliche Erholung im Schlaf.“ Dieser Mangel kann sich nicht nur aufs Gemüt legen, sondern auch auf Bauch und Hüften.