Mit dem Alter ändern sich Schlafdauer und Einschlafverhalten. Das sind normale Vorgänge. Doch viele ältere Menschen klagen über gesundheitliche Auswirkungen. Hilflos ausgeliefert sind sie dem aber nicht.
Immer müde und schlapp?Warum man im Alter schlechter schläft und was es mit seniler Bettflucht auf sich hat
Monika Schneider fühlt sich müde und irgendwie wackelig auf den Beinen. Die 79-Jährige ist gerade von einer fünftägigen Busreise aus Paris zurückgekehrt. Der Ausflug hat ihr eigentlich gut gefallen. „Doch die Nächte im Hotel waren schrecklich“, erzählt sie. „Die Matratze war zu weich, die Bettdecke viel zu warm.“ Und obwohl das Reiseprogramm anstrengend war, wälzte sich die Seniorin in jeder Nacht gefühlt eine Ewigkeit im Bett hin und her, bevor sie endlich Ruhe finden konnte.
Auch zu Hause hat Monika Schneider seit einigen Jahren Probleme mit dem Ein- und dem Durchschlafen. Kein Einzelfall, zeigen Studien immer wieder: So hat ein Forscherteam vom Netherlands Institute for Neuroscience in Amsterdam 2021 die Daten aus 36 Schlafstudien mit mehr als 200.000 Teilnehmenden ausgewertet.
Demnach gaben 15 Prozent der über 65-Jährigen an, Einschlafprobleme zu haben. Rund 20 Prozent klagten, dass sie nachts regelmäßig aufwachen und danach schlecht wieder in den Schlaf finden. Im Vergleich dazu lagen diese Werte bei den 26- bis 40-Jährigen nur halb so hoch.
Schlafbedürfnis ändert sich
„Mit dem Älterwerden ändert sich auch unser Schlafverhalten. Das gehört zum natürlichen Alterungsprozess“, bestätigt Chronobiologe Dr. Henrik Oster, Leiter des Instituts für Neurobiologie an der Universität Lübeck. „Dabei liegt der größte Unterschied beim Schlafbedürfnis von Babys und Erwachsenen. Während Säuglinge 16 oder kurz nach der Geburt sogar 18 Stunden Schlaf am Tag benötigen, pegelt sich das mit der Pubertät im Schnitt bei um die sechs bis acht Stunden pro Tag ein – das kann individuell variieren.“
Die Schlaf-Wach-Regulierung werde durch zwei Faktoren bestimmt: zum einen von der inneren Uhr und zum andern vom sogenannten Schlafhomöostat.
„Die innere Uhr sorgt dafür, dass man tagsüber wach und aktiv ist und sich nachts im Schlaf erholt – also für den regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, deren wichtigster Motor das Tageslicht ist“, erklärt Oster: „In der Dunkelheit wird im Körper das Hormon Melatonin gebildet, bei Tageslicht wird diese Produktion gedrosselt. Melatonin verlangsamt den Stoffwechsel, senkt den Blutdruck und die Körpertemperatur und wirkt darüber schlaffördernd.“
Chronotyp gibt den Takt vor
Doch auch da gibt es bekanntlich Unterschiede, die innere Uhr der Menschen ist nicht genormt: Einige werden durch ihren Taktgeber zu Lerchen, die früh in den Tag starten und abends zeitig Ruhe suchen. Andere kommen als Eulen erst spät ins Bett – und morgens umso schwerer wieder raus. „An seinem Chronotyp kann man nur wenig ändern. Es ist deshalb wichtig, dass man seinen natürlichen Rhythmus findet und ihm folgt“, sagt der Wissenschaftler.
„Der zweite Faktor, der Schlafhomöostat, beschreibt einen Prozess, bei dem während des Wachseins die Schlafbereitschaft und der Schlafdruck stetig steigen. Man wird also zunehmend müde.“ Dieser Druck könne durch das Schlafen wieder abgebaut werden. Oder anders: „Je länger wir wach sind, desto größer wird die Schlafschuld und umso tiefer und länger schlafen wir meist in der Folge.“
Schlaf wird anders verteilt
Das erkläre auch ein weit verbreitetes Missverständnis: Man meint, dass ältere Menschen jenseits des sechzigsten Lebensjahres und vor allem im Rentenalter viel weniger Schlaf brauchen würden. „Ein Irrtum“, meint Oster. „Vielmehr wird der Schlaf häufig von den Seniorinnen und Senioren auf den Tag verteilt. Auch mit einem Nickerchen nach dem Mittagessen oder vor dem Fernseher wird ihr Schlafbedarf gedeckt. Insgesamt schlafen sie aber nicht weniger.“ Allerdings gebe es dadurch eine andere Begleiterscheinung: „Das abendliche Einschlafen wird erschwert.“
Weniger Tiefschlafphasen
Zudem ändert sich mit fortschreitendem Alter die Schlafarchitektur: „Die Tiefschlafphasen nehmen ab, der Schlaf wird dadurch leichter, unruhiger und anfälliger für Störungen“, sagt Oster. Ein vorbeifahrendes Auto, ein bellender Hund, das Singen der Vögel frühmorgens wecken ältere Menschen schnell auf und bringen sie zeitig zum Aufstehen. „Man spricht von seniler Bettflucht, die hat also nichts mit dem sinkenden Schlafbedarf zu tun, sondern mehr mit den leichteren Schlafphasen.“
Nicht selten hätten ältere Menschen das Gefühl, zu wenig Schlaf zu bekommen – das aber sei oft ein subjektives Empfinden. „Häufig zeigen die Tests im Schlaflabor dann, dass das Schlafverhalten normal ist“, so der Chronobiologe.
Vorsicht mit Medikamenten
„Die Versuchung, zu Medikamenten zu greifen, ist groß. Doch die klassischen Schlafmittel beheben keine altersbedingten Veränderungen im Schlafverhalten“, weiß Oster.
Die jahrelange Einnahme könne sogar gesundheitsschädigend sein: „Denn die Tabletten stören nächtliche Entgiftungsprozesse und damit die Regeneration des Gehirns. Das kann Demenzerkrankungen befördern und darüber hinaus süchtig machen.“
Es gebe aber auch Medikamente, die gezielt die innere Uhr beeinflussen und nicht abhängig machen. Das müsse man mit dem Hausarzt besprechen, den man unbedingt konsultieren sollte, wenn man sich dauerhaft müde und abgeschlagen fühlt.
Denn Fakt ist: „Nur während man schläft, können sich Körper, Geist und Psyche regenerieren. Ein auf Dauer nicht erholsamer Schlaf beeinträchtigt daher nicht allein die Befindlichkeit, sondern schädigt auf Dauer den Gesamtorganismus.“
Ruhebedürfnis falsch eingeschätzt
Schlafprobleme sind besonders in den Pflegeheimen ein großes Thema. Doch das Pflegepersonal ist damit häufig zu wenig vertraut. Das hat ein Team des Berliner Forschungsverbunds „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA) herausgefunden, das Schlafstörungen bei älteren Menschen in Pflegeheimen untersucht hat.
Die Ergebnisse zeigen, dass Heimbewohnerinnen und Heimbewohner mit Schlafstörungen selbst wenig Initiative entwickeln, um ihren Alltag zu gestalten. Viele von ihnen sind kontaktarm und selten in der Lage, sich selbst zu beschäftigen. Das Pflegepersonal würde das meist fälschlicherweise als Bedürfnis nach Ruhe deuten und sie mitunter von den Aktivitäts- und Bewegungsprogrammen ausschließen.
Ein Teufelskreis, der die Schlafprobleme der Betroffenen zusätzlich verstärkt.
Schlafhygiene entwickeln
Völlig ausgeliefert ist man den Schlafproblemen im Alter aber nicht. Eine Schlafhygiene hilft, einen gesunden Schlaf zu ermöglichen oder zu fördern. Chronobiologe Oster gibt dafür sieben Tipps:
Möglichst nur in der Nacht schlafen. Wer tagsüber unbedingt ein Nickerchen machen will, sollte es kurz halten.Abends erst ins Bett gehen, wenn man müde und schläfrig ist.Auf Kaffee und Alkohol verzichten. Beides bringt den natürlichen Rhythmus des Körpers durcheinander und unterdrückt den erholsamen Tiefschlaf.Auf eine optimale Schlafzimmertemperatur achten – die sollte nicht über 18 Grad liegen.Das Schlafzimmer abdunkeln, um besser ein- und länger ausschlafen zu können.Vor dem Schlafengehen einen Spaziergang oder in Maßen Sport machen, möglichst an der frischen Luft.Auch ausreichend Tageslicht und geistig anregende Tätigkeiten helfen, die Schlafqualität im Alter zu verbessern.