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Abbruch zuhauseBerliner Ärztinnen begleiten Frauen per Video bei ihrer Abtreibung

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Ein Schwangerschaftsabbruch ist auch mit speziellen Tabletten möglich.

Ein Familienberatungszentrum in Berlin bietet seit einem Jahr ungewollt schwangeren Frauen zuhause einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch an. Ärztinnen begleiten sie per Video dabei. Die Gynäkologin Jana Maeffert ist eine von ihnen und spricht im Interview über ihre Erfahrungen.

Frau Maeffert, Sie sind eine der Gynäkologinnen, die Frauen per Video beim Schwangerschaftsabbruch zuhause betreuen. Das Angebot des Familienplanungszentrums gibt es jetzt seit einem Jahr. Hat das etwas mit Corona zu tun?Jana Maeffert: Ja auf jeden Fall, aber nicht nur. Es gibt einfach zu wenige Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Die Idee ist allerdings nicht neu und kommt auch nicht von uns. In einigen US-amerikanischen Bundesstaaten zum Beispiel werden die Abtreibungspillen bei weiten Wegen legal verschickt. Entscheidend für unseren Start war, als im März 2020 die telemedizinische Abtreibungsbegleitung in Großbritannien erlaubt wurde. Wir haben uns dann gefragt, ob man so etwas in Deutschland auch anbieten kann, uns mit Juristinnen zusammengesetzt und festgestellt, dass nichts dagegen spricht.

Zur Person

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Foto: Marga van den Meydenberg

Jana Maeffert ist niedergelassene Gynäkologin in Berlin und arbeitet für das Familienplanungszentrum Balance in Berlin. Außerdem ist sie Beirat bei „Doctors for Choice“ , einem bundesweiten Netzwerk von Ärztinnen, Juristen und anderen Menschen, die sich für eine selbstbestimmte Familienplanung einsetzen.

Wie funktioniert ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch, wie ein operativer?Bei einem medikamentösen Abbruch werden im Abstand von zwei Tagen zwei Medikamente gegeben. Das erste Medikament blockiert das Hormon Progesteron, das die Schwangerschaft aufrechterhält. Das zweite Medikament löst eine Blutung aus, bei der der Embryo abgestoßen wird. Der Vorgang entspricht einer spontanen Fehlgeburt. Bei der operativen Methode wird das Schwangerschaftsgewebe mit einem schmalen Plastikröhrchen abgesaugt. Der Eingriff selbst dauert wenige Minuten und kann in einer kurzen Vollnarkose oder mit örtlicher Betäubung durchgeführt werden.

Warum haben Sie das Projekt „Schwangerschaftsabbruch zuhause ins Leben gerufen und was sind die Vorteile davon?Vorbild für uns ist ein ähnliches Projekt in Großbritannien, bei dem zwischen April und Dezember 2020 Tausende ungewollt Schwangere begleitet wurden. Die Wartezeit war durch das telemedizinische Angebot deutlich geringer und das Alter der Schwangerschaft beim Abbruch dadurch um etwa eine Woche niedriger. Außerdem können die Frauen selbst entscheiden, wann, wo und mit wem sie den Abbruch durchführen möchten. Dies kann besonders in Regionen mit schlechter Versorgungslage erleichternd sein.

Das Projekt „Schwangerschaftsabbruch zuhause“ - so funktioniert es

Was steckt dahinter?

Das Projekt „Schwangerschaftsabbruch zuhause“ ist ein Angebot des Familienplanungszentrums Balance in Berlin. Nach vorheriger Beratung und der Zusendung verschiedener Unterlagen erhalten die Frauen per Post zwei Tabletten, mit denen die Schwangerschaft beendet wird. Gynäkologinnen des Zentrums begleiten sie dabei per Video über den datensicheren Kommunikationsdienst medflex.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Zuerst muss das Familienplanungszentrum kontaktiert und geklärt werden, ob die Voraussetzungen für den medikamentösen Abbruch zuhause erfüllt werden. Diese lauten: Schwangerschaft bei Erstkontakt nicht weiter als 8. Woche, störungsfreies Internet, Kamera, Mikrofon, ausreichende Deutschkenntnisse oder Begleitung durch eine Übersetzerin, Beratungsschein einer anerkannten Schwangerenberatungsstelle (mindestens drei Tage alt) und Überweisung einer Gynäkologin mit Angabe des genauen Schwangerschaftsalters. Ebenfalls muss gewährleistet sein, dass die Frau nach der Einnahme des zweiten Medikaments und der anschließenden Blutung nicht alleine ist.Wenn alle Voraussetzungen stimmen, erhalten die Frauen ein Paket mit einem Informationsblatt, den beiden Tabletten, Medikamenten gegen Schmerzen und Übelkeit und einem speziellen Schwangerschaftstest, der nach dem Abbruch verwendet wird.

Erster Videotermin

Beim ersten Videotermin erfolgt eine genaue Beratung, der Ablauf wird geklärt und offene Fragen besprochen. Im zweiten Videotermin nehmen die Frauen das erste Medikament in Begleitung der Ärztin per Video ein. Nach zwei Tagen muss die zweite Tablette genommen werden. Hier ist die Ärztin nicht per Video dabei. Weil es nach der Einnahme zu Blutungen kommt, bei denen der Embryo abgestoßen wird, sollen die Frauen nicht alleine sein, sondern zur Sicherheit von einer vertrauten Person begleitet und umsorgt werden. Wenn Unsicherheiten, Fragen oder Komplikationen auftauchen, stehen die Ärztinnen am Telefon oder per Chat bereit. Auch eine Notfallnummer ist beigelegt.

Zweiter Videotermin

Etwa zehn Tage nach der Einnahme folgt der letzte Videotermin für die Nachbesprechung. Nach zweieinhalb Wochen machen die Frauen den speziellen Schwangerschaftstest aus dem Paket, mit dem nachgewiesen wird, dass der Abbruch erfolgreich war. Außerdem wird geklärt, ob eine Nachsorge beim Frauenarzt nötig ist.

Wie viele Frauen haben das Angebot bisher genutzt?Wir hatten bisher 140 Anfragen, etwa 80 Frauen haben tatsächlich den Abbruch gemacht.

Bekommen Sie viele Anfeindungen von Abtreibungsgegnern?Überhaupt nicht. Natürlich gab es entsprechende Kommentare von Aktivisten im Netz, aber ansonsten keine bösen Mails. Wir haben zwar ab und zu Demonstranten vor dem Familienplanungszentrum, aber das hat nichts mit dem Projekt zu tun.

Kontakt und Informationen

Familienplanungszentrum Balancevideosprechstunde@fpz-berlin.de030/23 62 36 80Alle Informationen zum Projekt finden Sie hier.

„Mehr als du denkst - weniger als du denkst“ ist eine Kampagne über Zahlen und Statistiken rund um Abtreibungen in Deutschland und ein Vergleich mit anderen Ländern.

Verschicken Sie die Pillen auch ins Ausland?Nein.

Wer bezahlt den Abbruch?Wenn Sie unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, stellt die Krankenkasse eine Kostenübernahme aus und die Bundesländer bezahlen den Abbruch.

Gibt es bei Ihnen Ausschlusskriterien?Die Frauen müssen auf jeden Fall Deutsch können oder eine Übersetzerin dabei haben, die bei den Videogesprächen anwesend ist und bei den Papieren hilft. Weil wir die Abtreibung legal anbieten, gibt es bei uns viel auszufüllen.

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Gibt es ein Mindestalter?Im Moment 16. Da ist ein Abbruch auch ohne Einverständnis der Eltern möglich. Die meisten Frauen bei uns sind aber auch nicht jung, sondern über 35 und haben bereits Kinder.

Zum Weiterlesen

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Jeanne Diesteldorf: „(K)eine Mutter. Abtreibung – zwölf Frauen erzählen ihre Geschichte“, KiWi Verlag, 240 Seiten, 14 Euro

In diesem Buch beschreiben zwölf Frauen, warum sie sich zu einer Abtreibung entschlossen haben. Eine davon ist die Kölnerin Janine Wieser, die vom Arzt als Mörderin bezeichnet wurde und uns ihre Geschichte erzählt hat.

Tatsächlich? Man denkt ja, dass eher jüngere Frauen abtreiben.60 Prozent aller Frauen, die einen Abbruch machen, haben bereits Kinder. Die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen, die abtreiben, ist genauso groß wie die der 30- bis 40-Jährigen. Bei uns ist der Altersdurchschnitt eher höher, wir haben mehr Frauen über 30, viele gut ausgebildet und mitten im Leben. Sie verstehen unser Projekt und kommen gut mit der Technik klar.

Ärzte dürfen nicht darüber informieren, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, das verbietet Paragraf 219a Strafgesetzbuch. Die neue Ampel-Koalition will dieses Werbeverbot nun kippen. Was sagen Sie dazu?

Ich finde das ganz toll. Gleichzeitig ist es längst überfällig und nichts, wo man groß applaudieren müsste. Es ist eher ein Skandal, dass sich der Paragraf 219a bis jetzt gehalten hat. Anschließend sollte sich die Regierung unbedingt auf den Paragraf 218 konzentrieren und schauen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, die Regeln für Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches anzusiedeln und so straffrei zu machen. Man könnte Abbrüche im Arztrecht ansiedeln. Neuseeland und Kanada sind da vorbildlich. Auch in Lateinamerika tut sich einiges. In Argentinien und Mexiko wurden Abbrüche entkriminalisiert. Das steht bei uns noch aus.