AboAbonnieren

Studie zeigtSchon 30 Minuten Bewegung senken Risiko für schweren Covid-Verlauf

Lesezeit 4 Minuten
222676991 (1)

Bewegung reduziert das Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Sport ist gesund, das weiß jeder. Wie lebensrettend regelmäßige Bewegung jedoch sein kann, zeigt eine Studie aus den USA: Menschen, die keinen Sport machen, haben ein 2,3 mal höheres Risiko, mit Corona im Krankenhaus zu landen. Sportmuffel sind damit sogar gefährdeter für einen schweren Corona-Verlauf als einige Menschen mit schweren Vorerkrankungen. „Sport stabilisiert das Immunsystem“, sagt auch Wilhelm Bloch, Professor für Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er erklärt, wie viel Sport pro Woche empfehlenswert ist und welche Aktivitäten nicht dazu zählen.

Es sind beeindruckende Ergebnisse, die das Gesundheitsunternehmen Kaiser Permanente präsentiert: Es wertete die Daten von über 48.000 Covid-Patienten aus, die alle ihr Sportpensum angaben. Wer mehr als 150 Minuten pro Woche trainierte gilt als „aktiv", Menschen, die zwischen elf und 149 Minuten pro Woche trainieren sind „teils aktiv“. Alles darunter stuften die Forscher als „inaktiv“ ein.

Das Ergebnis: Inaktive Patienten werden 2,3 mal häufiger im Krankenhaus behandelt und landen 1,7 mal öfter auf der Intensivstation. Die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, lag bei den Inaktiven zweieinhalb mal so hoch wie bei aktiven Menschen. Regelmäßige Bewegung, so die Forscher, reduziere das Krankheitsrisiko gewaltig. „Wir empfehlen, die Förderung von körperlichen Aktivitäten zu priorisieren“, schreiben die Wissenschaftler.

Alles zum Thema Corona

Sportmediziner: „Aktivität schützt“

Bloch_Wilhelm 14

Wilhelm Bloch ist Professor am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln. 

Für Wilhelm Bloch sind die Ergebnisse der Studie nicht überraschend. „Durch Sport trainieren wir unser Immunsystem“, sagt der Professor. „Was ich an der Studie interessant fand: Der Effekt der Inaktivität war stärker als der einiger chronischer Grunderkrankungen.“ Aktive Patienten mit einer Organtransplantation haben zum Beispiel kein höheres Risiko für einen schweren Corona-Verlauf als inaktive Menschen ohne Transplantation. Kein Sport kann also eine Corona-Infektion gefährlicher machen als eine schwere Vorerkrankung.

Übergewicht gilt zum Beispiel als Risikofaktor für einen schweren Corona-Verlauf. Die Studie zeigt jedoch: Übergewichtige, die Sport machen, sind deutlich weniger gefährdet als Übergewichtige, die auf Bewegungen verzichten. „Aktivität schützt“, betont Bloch.

Sport kann Überreaktion des Immunsystems bremsen

Wieso Sport gerade bei Corona-Infektionen schützt, hat viele Gründe. Einer sticht besonders hervor: Bei einer Corona-Infektion kommt es häufig zu einer gefährlichen Überreaktion des Immunsystems. Der Körper entdeckt in dem Virus einen neuen Erreger, der dem Immunsystem unbekannt ist. „Dann reagiert der Körper mit einem unspezifischen Abwehrsystem“, sagt Bloch. „Das ist ein bisschen wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.“ Schießt das Immunsystem daneben, greift es den eigenen Körper an.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Sport kann helfen, das Immunsystem so zu stabilisieren, dass es zu keiner Überreaktion kommt. „Diese überschießende Reaktion braucht eine Gegensteuerung, eine Bremse im Immunsystem“, sagt Bloch. „Man kann sich jedes Training als kleinen, entzündlicher Reiz vorstellen. Dadurch wird diese Bremse trainiert.“

„Sport ist Laufen mit Schnaufen“

Um körperlich fit zu bleiben, empfiehlt der Sportmediziner mindestens 30 Minuten Training dreimal wöchentlich. Ein flotter Spaziergang reicht da nicht – der Puls muss hochgehen. „Sport ist Laufen mit Schnaufen“, sagt Bloch. Spaziergänger müssten sich etwas öfter bewegen. Nach den Empfehlungen der WHO sollten jeder Mensch auf 150 Minuten Bewegung wöchentlich kommen.

Für welchen Sport man sich entscheidet, ist egal - hauptsache Bewegung. Das kann sowohl eine Joggingrunde am Rhein sein, eine Radtour ins Bergische oder ein anstrengendes Workout zuhause. „Der Körper muss gefordert sein und man muss eine gewisse Zeit hinein investieren“, sagt Bloch.

Seit der Pandemie bewegen sich die Menschen weniger

Natürlich ist regelmäßiger Sport kein hundertprozentiger Schutz gegen Covid-19. Krank wird man trotzdem, sagt Bloch, doch das Risiko für einen schweren Verlauf und Long-Covid sinkt. Das Problem ist nur: Mit Beginn der Pandemie hat ein Großteil der Bevölkerung den Sport auf ein Minimum heruntergefahren. Ins Homeoffice fährt schließlich niemand mit dem Fahrrad, auch das Fußballtraining und die Kraftübungen im Fitnessstudio nach Feierabend fallen weg. Ein geringer Prozentsatz nutzte die Lockdowns, um den Körper in Form zu bringen, die meisten bauten ihre Muskeln eher ab. „Wir haben zu wenig getan, um die Gesellschaft körperlich aktiv zu halten“, kritisiert Bloch.

Anstatt alle Sportstätten einfach zu schließen, sagt Bloch, hätte man den Menschen mehr Alternativen geben müssen. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir beim Sport differenzierter vorgegangen wären“, sagt er. „Dass man überlegt hätte, geschlossene Kleingruppen beim Sport zuzulassen.“ Eine Gruppe von drei, vier, Leuten die sich regelmäßig draußen zum Workout treffen sei im Sommer super möglich. Klar, Hallensport mit hundert Leuten sei momentan undenkbar. Doch komplett geschlossene Fitnessstudios sind für den Sportmediziner auch keine Lösung. „Wir brauchen strenge Hygienemaßnahmen, aber wir müssen weiter Sport machen“, sagt Bloch.