AboAbonnieren

Testosteron beim MannHaben Männer auch Wechseljahre?

Lesezeit 6 Minuten
Ein Testosteronmangel ist bei Männern eher selten. /Philippe Degroote

Ein Testosteronmangel ist bei Männern eher selten.

Die Hoden produzieren ab dem 40. Lebensjahr stetig weniger Testosteron. Einige ältere Männer klagen gar über Symptome, die auch in der Menopause der Frau auftreten.

Eine Frau wird praktisch ihr gesamtes Leben lang über ihre Hormone aufgeklärt. Noch in der Kindheit und Jugend beginnt der Menstruationszyklus, der von Hormonen gesteuert wird: unter anderem von den weiblichen Sexualhormonen Östrogen und dem Progesteron. Während der Schwangerschaft erhöht sich die Menge dieser Hormone gewaltig und sinken nach der Geburt wieder abrupt ab. Mit zunehmendem Alter fällt die Produktion von Östrogen und Progesteron, bis schließlich die Menstruationsperioden und der Eisprung im Zuge der Wechseljahre zum Erliegen kommen. Doch was passiert eigentlich mit Männern und ihren Hormonen innerhalb ihres Lebens?

Tatsächlich ändert sich auch der Testosteronspiegel des Mannes ab der Pubertät stetig – und zwar sogar täglich. Morgens ist der Wert des männlichen Sexualhormons am höchsten, bevor im Laufe des Tages abnimmt und am Abend einen Tiefpunkt erreicht. Dieser Zyklus ist gewiss nicht mit dem Menstruationszyklus der Frau zu vergleichen, aber er zeigt eben doch: Auch Männer sind nicht vor hormonellen Veränderungen geschützt, die ihr Verhalten, Wohlbefinden und Leben verändern können. Manche von ihnen bekommen das ab dem 40. Lebensjahr zu spüren, denn ab dann sinkt der Testosteronwert in der Regel jährlich. Medial ist dabei oft von der sogenannten Andropause, der Wechseljahre der Männer, die Rede.

Weniger Testosteron im Alter kann Folgen haben

„Testosteronabfall ist ein normaler Alterungsprozess. Jährlich sinkt der Testosteronwert ungefähr ab dem 40. Lebensjahr um circa ein Prozent“, sagt Sven Diederich, Endokrinologe und Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Viele Männer bemerken diese Veränderung zunächst gar nicht. Ab dem 60. Lebensjahr leiden viele jedoch an Symptomen, die auch durch einen sinkenden Testosteronspiegel verursacht worden sein können: Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Kraftlosigkeit, abnehmendes sexuelles Verlangen oder auch depressive Verstimmungen. Es sind Symptome, die auch in der Menopause von Frauen auftreten. „Die hormonellen Änderungen bei Männern im Alter unterscheiden sich aber sehr deutlich von denen der Frauen“, betont Diederich.

Bei Frauen kommt die Östrogenproduktion in den Eierstöcken im Zuge der Menopause zum Erliegen. Das ist eine gravierende Veränderung für ihre Körper, die sehr oft mit zahlreichen Beschwerden einhergeht, ehe sich der Körper an die Umstellung gewöhnt. Auch Testosteron ist für das Wohlbefinden von Männern sehr wichtig. Es wird in den Hoden produziert und gelangt von dort aus in den gesamten Körper. Ein gesunder Spiegel trägt unter anderem dazu bei, körperlich leistungsfähiger zu sein – denn es erhöht die Produktion von roten Blutkörperchen. Das Hormon kann auch die Lust auf Sex erhöhen und die Stimmung verbessern. Der jährliche Testosteronabfall ab 40 kann daher über längere Zeit durchaus Auswirkungen auf den Körper haben. Doch vergleichbar zur Menopause ist dieser Prozess nicht.

„Die Testosteronproduktion endet bei Männern nicht, sofern sie keine bestimmten Erkrankungen haben. Obendrein sinkt der Spiegel nur sehr langsam – deswegen ist der Abfall im Alter selten ein großes Problem“, sagt Diederich. Zu einem Problem wird der Testosteronspiegel nur dann, wenn ein Mangel vorliegt. Per Definition ist das dann der Fall, wenn der Spiegel bei unter 8 Nanomol pro Liter liegt. Medizinerinnen und Mediziner messen den Wert über ein Blutbild.

„Ein ‚echter‘ Testosteronmangel, der durch eine Störung der Hoden oder des Steuerungsorgans der Hoden oder der Hirnanhangsdrüse bedingt ist – und von dem Testosteronabfall im Alter klar zu differenzieren ist –, ist lebenslang behandlungsbedürftig“, sagt DGE-Experte Diederich. Dies müsse mithilfe von Hormonpräparaten zur Vermeidung von Knochenabbau und weiteren Folgen therapiert werden. Ein Mangel ist jedoch sehr selten, betrifft etwa drei bis fünf Männer über 60 – und hat oft andere Ursachen.

Wechseljahre bei Männern gibt es nicht

Von Wechseljahren bei Männern kann somit aus vielen Gründen nicht die Rede sein – auch wenn der altersbedingte Testosteronabfall bei Männern zunächst wie ein Pendant zu der Menopause der Frauen klingen mag. „Der Begriff Wechseljahre bei Männern dramatisiert den völlig normalen Testosteronabfall und leitet in eine falsche Richtung“, betont Diederich. Die Hormonproduktion kommt bei Männern, anders als bei Frauen, niemals zum Stillstand. Ihre Fruchtbarkeit endet nicht, der Hormonspiegel sinkt nur langsam und bleibt oft symptomlos. Trotzdem sorgt das Thema Wechseljahre bei Männern für Verunsicherung.

„Das Älterwerden geht auch bei Männern mit ganz verschiedenen körperlichen Veränderungen einher. Deswegen ist es verständlich, dass Männer Erklärungen und Lösungen dafür haben wollen“, sagt Diederich. Es ist eine Verunsicherung, die der Pharmaindustrie in die Karten spielt. Denn wo es gesundheitliche Probleme gibt, lässt sich auch Geld verdienen. „Seitdem es die Diskussion um Wechseljahre des Mannes gibt, werden Testosteronpräparate deutlich mehr verkauft“, sagt Diederich. Pharmafirmen würden dazu beitragen, indem sie Fragebögen zur Bestimmung eines möglichen Testosteronmangels verbreiten.

Der Endokrinologe beobachtet auch in der Praxis, dass die Thematik im Bewusstsein vieler Männer angekommen ist. Die Häufigkeit der Beratungsgespräche zum Thema Testosteronmangel seien gestiegen. Viele würden im Internet Fragenbogen mit ihren Symptomen ausfüllen – und bei bestimmten Beschwerden spucke der Test mitunter die Verdachtsdiagnose Testosteronmangel aus. „Manche Männer gehen damit vernünftig um und holen sich medizinischen Rat“, sagt Diederich. „Andere holen sich im Internet Speicheltests oder behandeln sich ohne ärztlichen Rat mit Testosteronpräparaten, wovon ich nur abraten kann.“

Antriebsmangel und niedriger Testosteronwert: Oftmals stecken andere Probleme dahinter

Testosteronpräparate können grundsätzlich nur dann helfen, wenn der zu geringe Testosteronspiegel auch die Ursache der Beschwerden ist. „Es ist durchaus sinnvoll, bei Beschwerden im Alter auf die Hormonwerte zu blicken. Wenn sie aber in Ordnung sind, weise ich Patienten darauf hin, dass hinter ihren Symptomen auch andere Gründe wie zum Beispiel eine Depression oder starker Stress stecken könnten“, sagt Diederich. Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, sexuelle Unlust sind schließlich auch Folgen psychischer Leiden.

Wodurch ein von der Norm abweichender Testosteronspiegel zustande kommt, ist eine andere wichtige Frage. Der Normalwert liegt zwischen acht und 35 Nanomol pro Liter. Allerdings können auch schon geringere Werte innerhalb dieser Spanne auf Probleme bei der Testosteronproduktion hinweisen. Bekannt ist, dass unter anderem Stress, Übergewicht, und Schlafmangel zu einem geringeren Spiegel führen können. Beschwerden bekämpfen Betroffene dann nicht mit einer Testosteronzugabe, sondern mit der Behandlung des zugrunde liegenden Problems.

Wechseljahre-Symptome wie Schweißausbrüchen und Hitzewallungen abklären lassen

Ohnehin können Männer ihren Testosteronspiegel bis zu einem gewissen Grad selbst und ohne Hormonpräparate beeinflussen. „Sehr wichtig ist es, Übergewicht zu vermeiden“, sagt Diederich. Damit einher geht auch, auf die Ernährung zu achten und Sport zu treiben. Diederich empfiehlt zweimal Ausdauer- und zweimal Krafttraining pro Woche. Männer sollten zudem beachten, dass Alkohol und Rauchen den Testosteronspiegel verschlechtern können. Soziale Kontakte wirken sich dagegen gut darauf aus. „Sich ein soziales Umfeld zu schaffen, in dem man sich wohlfühlt, ist die Kunst des Älterwerdens“, sagt Diederich.

Auch wenn Testosteronmangel ein vergleichsweise seltenes Problem bei Männern ist, sollten sie Symptome nicht ignorieren. Allein deshalb nicht, weil sie auch auf andere gesundheitlichen Probleme zurückzuführen sein könnten – und durch eine ärztliche Abklärung entdeckt und behandelt werden können. Männer sollten sich laut Hormonexperte Diederich dabei nicht von Diskussionen um vermeintlich behandlungsbedürftige Wechseljahre verunsichern lassen. Dennoch sollten sie vor allem auf Symptome achten, die bei Frauen während der Wechseljahre auftreten. „Vor allem bei Beschwerden wie Schweißausbrüchen und Hitzewallungen ist es sinnvoll, den Testosteronwert im Blut messen zu lassen“, sagt Diederich.