„Was wollte ich noch mal?“Warum wir Dinge vergessen, wenn wir durch eine Tür gehen
Köln – Das ist uns allen schon passiert: Wir laufen zurück ins Haus, um die Sonnenbrille zu holen und haben drinnen angekommen vergessen, was wir eigentlich wollten. Oder wir machen den Kühlschrank auf und wissen nicht mehr warum.
Solche Situationen sind irritierend, manchmal peinlich, ungewöhnlich sind sie nicht. Das Phänomen hat sogar einen Namen. Den Tür-Effekt (Doorway Effect).
Und es hilft uns zu verstehen, wie unser Gehirn arbeitet.
Unser Gehirn legt die Erinnerung zur Seite
Beim Durchschreiten einer Tür schnürt unser Gehirn Erinnerungspakete und packt sie zur Seite. In einem anderen Raum oder draußen angekommen, fällt uns die Erinnerung deshalb schwerer, besagt eine Studie, die Psychologie-Professor Gabriel Radvansky von der University of Notre Dame (US-Staat Indiana) bereits vor einigen Jahren durchgeführt hat.
Er bat 60 Studenten, Gedächtnisübungen zu machen. Sie sollten zum Beispiel Gegenstände in eine Box verstauen und sich später daran erinnern. Ergebnis: Wer die Aufgabe im selben Raum erledigt hatte, konnte sich besser erinnern als die Personen, die danach in einen Nebenraum gegangen waren.
Die Tür grenzt Ereignisse voneinander ab
Durch eine Tür hereinzukommen oder herauszugehen diene dem Gehirn als Abgrenzung von Ereignissen. Sie unterteile Episoden der Aktivität und lege sie ab, erklärte Wissenschaftler Radvansky. „Uns an eine Aktivität oder eine Entscheidung zu erinnern, die wir in einem anderen Raum getroffen haben, ist schwierig, weil sie bereits wegsortiert wurde.“
Doch der Tür-Effekt tritt nicht nur auf, wenn wir physisch von einem Raum in den anderen laufen. Auch wenn wir gedanklich zu einem anderen Thema springen, fällt es uns schwerer, uns zu erinnern, was wir davor gedacht haben, erklärt Tom Stafford in einer Wissenskolumne zum Thema für die BBC.
Unsere Aufmerksamkeit bewegt sich auf verschiedenen Ebenen
Der Psychologe benutzt dafür ein anschauliches Beispiel: Jemand frage drei Bauarbeiter, woran sie gerade arbeiten. Der erste sagt, er packe einen Stein auf den anderen. Der zweite sagt, er baue eine Mauer. Und der dritte Bauarbeiter erklärt, er baue eine Kathedrale. Ein solches Bild werde häufig verwendet, um zu zeigen, dass man das große Ganze sehen soll, doch es zeige auch, dass jede Tätigkeit verschiedene Ebenen habe, die alle wichtig sind, um eine Arbeit auszuführen. Denn wer nicht sorgfältig einen Stein auf den anderen mauert, wird nie eine Kirche bauen.
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Im Alltag bewegt sich unsere Aufmerksamkeit ständig zwischen diesen drei Ebenen. Dadurch schaffen wir es, auch komplexere Pläne umzusetzen. Der Tür-Effekt trete auf, wenn unsere Aufmerksamkeit sich zwischen diesen Ebenen bewege. So läuft man möglicherweise eine Treppe hinauf, um seinen Schlüssel aus dem Schlafzimmer zu holen. Der Schlüssel gehört zu den übergeordneten Plänen „zur Arbeit fahren“, „Geld verdienen“. Oben angekommen hat man den Plan „Schlüssel holen“ vergessen, weil man auf der Treppe zum nächsten Plan springt, „herumliegende Klamotten wegräumen“ aus der Kategorie „Haus in Ordnung halten“.
„Was wollte ich noch mal sagen?“
Wir halten also ständig mehrere Bälle in der Luft, um unser Leben zu managen. Und hin und wieder fällt mal einer herunter und wird vergessen. Das passiert häufiger, wenn wir den Raum wechseln – ganz real oder eben in Gedanken. Das erklärt auch, warum wir jemandem im Gespräch manchmal ganz dringend etwas sagen wollen. Kommen wir endlich zum Zug, wissen wir plötzlich nicht mehr, was so wichtig war. „Was wollte ich noch mal sagen?“, fragen wir dann. Unser Gegenüber kann es nicht wissen und unser Gehirn hat den Gedanken schon irgendwo abgelegt.