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Studie der LandesmedienanstaltViele Heranwachsende kennen Pornos und Sexting – mit gravierenden Folgen

Lesezeit 4 Minuten
Ein junger Mann blickt auf ein Smartphone.

Pornos und Sexting sind bereits in den Unterstufen der weiterführenden Schulen ein Thema. (Archivbild)

Eine Studie unter 11- bis 17-Jährigen zeigt, dass 42 Prozent schon Pornos gesehen haben – und dass sie selbst auch solches Material verschicken.

Kinder und Jugendliche in Deutschland kommen immer früher mit pornografischen Inhalten in Kontakt. Das zeigt eine repräsentative Studie der Landesmedienanstalt NRW, welcher zufolge bundesweit 42 Prozent der 11- bis 17-Jährigen angaben, bereits einen Porno gesehen zu haben. Im Vorjahr lag der Wert bei 35 Prozent. Die Zunahme betrifft vor allem die besonders jungen Befragten – Kinder im Alter von 11 bis 13 Jahren.

Pornos haben Einfluss auf Verhalten der Kinder und Jugendlichen

Der Konsum von Pornografie und das Sexting, also das Empfangen und Versenden von Textnachrichten mit sexuellem Inhalt, Nacktbildern oder -videos, könnten in direktem Zusammenhang stehen. Das Phänomen des Sextings sei durchaus weit verbreitet: Ein Viertel der Befragten gab an, schon mal eine solche Textnachricht erhalten zu haben. Rund 42 Prozent der Minderjährigen, die angaben, einen Porno gesehen zu haben und zugleich auch zu „sexten“, lassen sich nach eigener Aussage durch Pornos für ihr Sextingverhalten inspirieren. „Die Befragten lassen also das, was sie in Pornos entdecken, in ihr eigenes Verhalten einfließen“, folgerte die Medienanstalt NRW.

Dass der regelmäßige Konsum von Pornografie einen schädlichen Einfluss auf die Psyche haben kann, gerade auf die von Heranwachsenden, belegen zahlreiche Studien. Trotz oder gerade wegen der Brisanz des Themas wird jedoch wenig darüber gesprochen. Die Psychologin Tabea Freitag gründete mit ihrem Mann in Hannover die „Return – Fachstelle Mediensucht“ und ärgerte sich in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ über Wissenschaftler, „die trotz der Vielzahl eindeutiger Studien behaupten, eine negative Wirkung von Pornografie sei nicht nachgewiesen.“

Eine weitere mögliche Folge des frühen Pornokonsums ist die Beeinflussung der eigenen Sexualität. Viele Kinder und Jugendliche sehen ihren ersten Porno, bevor sie eigene sexuelle Erfahrungen im echten Leben machen – die pornografischen Inhalte werden als normal verstanden, da sie keine Möglichkeit haben, das Gezeigte mit der Realität abzugleichen. So lernen die Heranwachsenden anhand von Pornos, wie Sex aussehen kann. Marc Eumann, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz, bestätigt das gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Der Konsum von Pornografie kann sowohl das Frauenbild als auch die Erwartungshaltung an Sex und Beziehungen von Kindern und Jugendlichen nachhaltig schädigen.“

Heranwachsende können das Gesehene nicht einordnen

Häufig werden in Pornos gewaltvolle Praktiken wie Würgen oder Schlagen gezeigt. Eine britische Studie aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass fast 90 Prozent der gefragtesten Mainstream-Pornos Gewalt und Demütigung von Frauen beinhalteten. Die Studie der Medienanstalt NRW belegt, dass fast die Hälfte der Minderjährigen mit Porno-Erfahrung – 48 Prozent – der Aussage „Ich habe Dinge in Pornos gesehen, die ich lieber nicht gesehen hätte“ zustimmten.

Porno-Plattformen sind in der Vergangenheit zudem wiederholt damit aufgefallen, Aufnahmen zu verbreiten, die ohne das Einverständnis der Gezeigten hochgeladen wurden, in denen Minderjährige oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu sehen sind. Wer diese Plattformen besucht, muss demzufolge damit rechnen, Aufnahmen von sexuellem Missbrauch zu sehen.

Kinder und Jugendliche sind sich diesen Risiken nicht bewusst, denn ihre Gehirne entwickeln sich noch. Der präfrontale Kortex, zuständig unter anderem für die Einschätzung von Konsequenzen und der Selbstkontrolle, ist nicht voll ausgereift. In dieser kritischen Phase derartigen Inhalten ausgesetzt zu sein, führt zu einer Normalisierung – eben auch von Inhalten, die brutale Sexpraktiken bis hin zu Vergewaltigungen zeigen.

Professor Rudolf Stark, Psychologe und Leiter der Forschungsgruppe „Pornografiekonsum und Hypersexualität“ an der Universität Gießen, nennt „sehr starke konditionierte Reaktionen im Belohnungssystem“ als Hauptgrund für den starken Gewöhnungseffekt, den Pornos haben.

Schutz von Minderjährigen durch „Porno-Ausweis“ scheitert bislang am Datenschutz

Für Eltern oder Lehrkräfte sei es kaum vorstellbar, wie einfach Kinder und Jugendliche heute an Pornografie kommen und vor allem auch selbst solches Material online versenden, sagt Direktor Tobias Schmid der Landesanstalt für Medien NRW. „Aber die Studie zeigt es eindeutig: Das passiert. Wir sind gefordert, Minderjährige zu schützen.“

Die Landesanstalten meinen, den Zugang zu Pornos im Internet bereits ausreichend zu regulieren, nämlich durch gesetzlich vorgeschriebene Altersverifikationssysteme, die Porno-Plattformbetreiber dazu verpflichten sollen, dass Kindern und Jugendlichen der Zugriff auf pornografische Inhalte verwehrt bleibt. Dieser rechtlichen Pflicht entziehen sich die Plattformen jedoch in der Praxis mit einer Vielzahl an Tricks: So können sie deutsche Nutzer anhand der IP-Adresse erkennen und auf ausländische Subdomains umleiten, die diesen Gesetzen nicht unterliegen.

Die Politik versucht weiter, die Porno-Plattformen zu regulieren. Ein oft diskutierter „Porno-Ausweis“, also ein neuer digitaler Alters- und Identitätsnachweis, scheiterte bislang am Datenschutz. Als wirksam erwies sich bislang nur der Druck von Kreditkartenunternehmen auf die größten Plattformen der Internet-Pornografie. (mit dpa)