Wie wirkt Wegovy? Wer bekommt die Spritze und was kostet sie? Gibt es Nebenwirkungen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Funktion, Kosten, NebenwirkungenDie wichtigsten Fakten zur Abnehmspritze Wegovy
Von Tanja Wessendorf
Lesezeit 5 Minuten
Die Abnehmspritze Wegovy ist seit Montag auch in Deutschland erhältlich.
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Die Abnehmspritze Wegovy wird bereits seit Monaten in den sozialen Medien gehypt. Seit Montag ist das Medikament nun auch in deutschen Apotheken erhältlich. Ärztinnen und Ärzte können es Patienten mit Adipositas auf Rezept verschreiben. Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk, der Wegovy herstellt, rechnet mit einer hohen Nachfrage und einem begrenzten Angebot. Ärzte werden deshalb gebeten, das Mittel „verantwortungsvoll“ zu verschreiben. Gedacht ist das Medikament als Abnehmhilfe für adipöse Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30. Weil man damit schnell Gewicht verlieren kann, interessieren sich auch viele Normalgewichtige für das Mittel.
Für wen ist Wegovy geeignet, wie wirkt es und welche Nebenwirkungen gibt es? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Für Menschen mit Adipositas ist jetzt in Deutschland die Abnehmspritze Wegovy erhältlich.
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Was ist Wegovy und wie wirkt es?
Wegovy ist ein verschreibungspflichtiges Medikament zum Abnehmen mit dem Wirkstoff Semaglutid. Semaglutid ist eine Variante des körpereigenen Hormons GLP-1, das für die Verdauung zuständig ist. Es wirkt zum einen auf die Bauchspeicheldrüse und verbessert dort die Insulinbildung. Dadurch wird der Blutzucker schneller abgebaut. Gleichzeitig meldet es dem Zentralen Nervensystem, dass Nahrung vorhanden ist. Man hat also weniger Hunger. Auch Heißhungerattacken sollen seltener auftreten.
Wie viel kann man mit Wegovy abnehmen?
Laut einer Studie im „New England Journal of Medicine“ mit insgesamt fast 2000 Teilnehmern hatten Wegovy-Probanden, die eine Dosis Semaglutid pro Woche erhielten, nach 68 Wochen im Schnitt 15 Prozent abgenommen. Die Vergleichsgruppe erreichte mit einem Scheinmedikament nur einen Verlust von gut zwei Prozent.
Für wen ist Wegovy gedacht?
Menschen mit Adipositas und einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 können die Spritze auf Rezept erhalten. Der BMI berechnet sich aus dem Verhältnis von Größe und Gewicht, die Deutsche Adipositas Gesellschaft bietet auf ihrer Seite einen entsprechenden Rechner an. Daneben kann das Mittel auch bei Übergewichtigen (BMI ab 27) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung wie Diabetes Typ 2 eingesetzt werden. Außerdem bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren mit Adipositas.
Wie wird Wegovy angewendet?
Die Medikamente werden mit einem Pen einmal pro Woche in das Fettgewebe gespritzt. „Die Nadeln sind dünn und kaum zu spüren“, sagt Prof. Martin Reincke, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Schwerpunkt Endokrinologie. Sobald die Spritze wieder abgesetzt wird, tritt allerdings der normale Stoffwechsel wieder ein.
Gibt es Nebenwirkungen?
In bisherigen Studien berichteten Probanden am häufigsten von Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. Der Hersteller nennt auf seiner Webseite zudem weitere mögliche Nebenwirkungen wie Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern.
Wie viel kostet die Anwendung?
Novo Nordisk gibt den Apothekenabgabepreis einer Vier-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) mit gut 300 Euro an. Kassenpatienten in Deutschland müssen das zunächst selbst bezahlen. Insbesondere Arzneimittel, die der Abmagerung, dem Zügeln des Appetits und zur Regulierung des Körpergewichts dienen, sind nach bisherigen Regelungen von der Verordnungsmöglichkeit ausgeschlossen. „Die Regelung wird hoffentlich bald geändert, sodass zumindest einige Adipositas-Patienten auf Kassenrezept damit versorgt werden können“, sagt Jens Aberle, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft.
Die Gesellschaft setzt sich für eine Kostenübernahme in Fällen ein, in denen Wegovy medizinisch angezeigt ist, etwa wenn andere Therapieoptionen nicht helfen. Der Mediziner rechnet in diesem Jahr auch noch mit Studienergebnissen zu der Frage, inwieweit Wegovy beim Vorbeugen einiger Adipositas-Folgeerkrankungen hilft. Diese könnten womöglich Argumente für eine Kostenübernahme liefern.
Kann ich auch mit Normalgewicht die Spritze bekommen?
Von der Anwendung durch Normalgewichtige, die etwas abnehmen wollen, raten Fachleute klar ab. Das Verhältnis von Nutzen und Risiko stimme dann nicht. „Ein gewissenhafter Arzt würde Normalgewichtigen das Mittel nicht verschreiben“, sagt Aberle. Hinzu kommt die Gefahr, dass Kranke schwieriger an ihre Medikamente kämen, wenn zu viele Gesunde sie kauften. In der Vergangenheit hat es bereits Lieferengpässe gegeben, sodass das Mittel knapp für diejenigen wurde, die es wirklich benötigten.
Was passiert, wenn ich das Mittel als Gesunder einnehme?
Martin Reincke bringt die Antwort auf den Punkt: „Sie nehmen auf jeden Fall ab. Aber Sie verzichten auch auf sehr viel Genuss. Lustvoll essen ist nicht mehr möglich, weil Sie immer ganz schnell satt sind.“ Außerdem gibt es die beschriebenen Nebenwirkungen.
Wer sollte Wegovy nicht nehmen?
Für eine Reihe von Menschen mit bestimmten Erkrankungen ist die Wirksamkeit nicht untersucht, etwa bei Diabetes Typ 1. Während der Schwangerschaft und Stillzeit darf das Präparat nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) nicht verwendet werden. Laut Hersteller sollen auch jene Menschen Wegovy nicht bekommen, die schon selbst oder in der Familie eine bestimmte Form von Schilddrüsenkrebs hatten. Der Hersteller weist außerdem darauf hin, dass das Medikament die Wirkweise anderer Medikamente beeinflussen könne, weil es die Magenentleerung verlangsame.
Was hat es mit dem Medikament Ozempic auf sich?
Das Diabetes-Medikament Ozempic wird oft in einem Atemzug mit Wegovy genannt, hat eine ähnliche Wirkung und stammt ebenfalls vom dänischen Pharmahersteller Novo Nordisk. Es enthält eine geringere Semaglutid-Dosis als Wegovy, ist seit 2018 in Europa zugelassen und wird bei sogenannter Typ-2-Diabetes eingesetzt, also bei Menschen, bei denen das Insulin im Körper nicht mehr so gut wirkt. Offiziell ist es nicht als Abnehmpräparat zugelassen, kann im sogenannten Off-Label-Use aber auch zu diesem Zweck abgegeben werden.
Können Wegovy und Ozempic eine dauerhafte Lösung zum Abnehmen sein?
Klares Nein. Die Spritzen sind bei allen Anwendergruppen nur als Ergänzung zu Diät und Sport gedacht. Zudem verlieren sie ihre Wirkung, sobald sie abgesetzt werden. Leichtes Übergewicht mithilfe von Medikamenten reduzieren zu wollen, hält Martin Reincke für eine Fehlentwicklung: „Es mag angenehm sein, aber man macht es sich bewusst leicht. Vieles ist mit etwas Kontrolle bei den Mahlzeiten und mehr körperlicher Aktivität in Eigenregie machbar. Das Medikament ist noch nicht lange auf dem Markt, es gibt wenig Erfahrung. Es sind auch gravierende Nebenwirkungen denkbar.“
Monica Negrean, Chefärztin in der Klinik für Innere Medizin II – Diabetologie und Endokrinologie am St. Vinzenz Hospital in Köln, ist ebenfalls kein Fan dieser Entwicklung. „Das Leben ist kompliziert und die Leute suchen nach einer schnellen Lösung. Es kann ja keine Dauerlösung sein, sich das ganze Leben lang etwas zu spritzen. Die richtige Lösung wäre, den Lebensstil zu verändern.“
Sind weitere Alternativen geplant?
„Die Entwicklung ist in vollem Gange“, sagt Monica Negrean. In den USA ist mit Mounjaro bereits ein Diabetes-Mittel erhältlich, mit dem bis zu 25 Prozent Gewichtsabnahme möglich sind. (mit dpa)