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Zu dick, zu dünn, zu „anders“Was steckt hinter dem Begriff „Bodyshaming“?

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Ständiger Zwang zur Selbstoptimierung macht auf Dauer unglücklich und kann sogar zu Depressionen führen

Köln – Zu dick, zu dünn, zu anders – gerade junge Menschen können durch ein verzerrtes Körperbild eine ablehnende Haltung gegen den eigenen Körper entwickeln. Das hat auch Magda Albrecht bereits früh erleben müssen. Die Autorin erinnert sich noch gut an ihre Kindheit: „Mein Körpergefühl war immer sehr abhängig von Einschätzungen meiner Umwelt. Abwertende Sprüche haben schon früh dazu geführt, dass ich mich nicht so wohl in meinem Körper gefühlt habe.“

„In Ihrer Größe haben wir sowieso nichts da!"

Negative Kommentare über ihr Gewicht begleiteten sie durch den Alltag; das konnte ein spöttischer Kommentar der Verkäuferin sein: „In Ihrer Größe haben wir sowieso nichts da!“ oder Hänseleien von Klassenkameraden. Das Urteil lautete: Dicksein ist schlecht und ungesund.

Ob mit vielen Pfunden auf den Hüften oder Cellulite an den Beinen – viele Menschen erleben Abwertungen durch andere. Das Beschämen oder Beleidigen eines anderen aufgrund seiner körperlichen Erscheinung nennt sich „Bodyshaming“ – ein Ausdruck, der im Zeitalter ständiger sozialer Bewertung aktueller denn je ist.

Ständige Kommentare von anderen

Verurteilt und abschätzig behandelt zu werden, das kannte Magda Albrecht als Jugendliche nicht anders. Die ständigen Kommentare über ihr Aussehen führten dazu, dass sie mit sich selbst haderte: „Kindern und Jugendlichen wird kaum ein selbstbestimmtes und selbstbewusstes Verhältnis zum eigenen Körper vermittelt, wenn sie von gesellschaftlichen Normen abweichen“, so Albrecht. „Das betrifft auch Kinder mit Behinderungen oder schwarze Kids, die permanent als „anders" wahrgenommen werden.“

Dabei bestimme die Art und Weise, wie man mit sich selbst umgeht, sogar maßgeblich die Lebensqualität, erklärt Miriam Kegel, Paar- und Sexualtherapeutin aus Köln. Sie unterstützt Menschen dabei, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln und wieder zu lernen, zum eigenen Körper zu stehen: „Meine Fähigkeit zur Selbstliebe entscheidet auch darüber, welches Verhalten ich bei meinem Gegenüber akzeptiere. Je weniger ich mich selbst schätze, umso eher werde ich dies auch bei meinem Gegenüber gespiegelt bekommen.“

Soziale Medien verstärken den Druck

Erschwert wird die Selbstliebe jedoch durch tägliche Konfrontation mit unerreichbaren Idealen. „Bodyshaming ist das Be- und Abwerten von Körpern, bei dem man sich ausschließlich an normativen Körper- und Schönheitsnormen orientiert“ erklärt Albrecht. In Werbespots oder auf sozialen Medien wie Instagram und Facebook wird das „perfekte Bild“ kreiert: Sei schlank und fit, dann bist du erfolgreich. „Die wenigsten würden sagen: „Guck mal meine schöne Cellulite an!", weil Cellulite als etwas Hässliches angesehen wird. Dabei haben die meisten Menschen Cellulite, das ist etwas sehr Natürliches.“, erläutert die Autorin. Die Abwertung von Cellulite sei jedoch gesellschaftlich geformt und nicht einfach objektiv oder sachlich richtig.

Obwohl auch Männer mit abwertenden Kommentaren konfrontiert werden, seien Frauen doch „ganz klar stärker betroffen“, so Miriam Kegel. Das habe einfach evolutionäre Gründe: Während für die Frau eher der soziale Status des Mannes für die Fortpflanzung von Bedeutung war, galten für die Männer äußerliche Kriterien als Zeichen für die Fruchtbarkeit der Frau.

„Die Werbe- und Schönheitsindustrie zeigt uns heutzutage künstlich perfektionierte Schönheitsideale, deren bearbeitete Bilder niemals durch eine reale Frau erreicht werden können", erklärt die Psychologin. Zusätzlich werde damit Kapital gemacht, den natürlichen Alterungsprozess der Frauen abzuwerten: Altern erscheine hierbei wie ein Makel, dem scheinbar durch Anti-Falten-Cremes und Fitnessprodukte Einhalt geboten werden muss.

Den eigenen Körper wieder lieben lernen

Aber wie kann man dem ständig präsenten Zwang der Selbstoptimierung entkommen und wieder lernen, sich selbst zu lieben? Miriam Kegel rät dazu, eine bewusste Entscheidung für den eigenen Körper zu treffen: „Dies fängt schon dabei an, dass ich auf eine Art und Weise durch die Gegend laufe, in der ich in meinem Körper präsent bin, statt mich zu verstecken.“ In Kursen zum Thema „weibliches Körperbewusstsein” hilft sie Frauen dabei, ihren Körper wieder lieben zu lernen.

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Unterstützung können Betroffene nicht nur in Seminaren finden, sondern auch in der seit einiger Zeit aufkommenden „body-positivity“-Bewegung. Immer mehr Menschen wehren sich mit Bildern oder Posts in sozialen Netzwerken gegen den Druck der Mode- und Schönheitsindustrie.

Magda Albrecht hat sogar ein Buch über Ihre Erfahrungen geschrieben: „fa(t)shionista“ heißt es und soll dazu beitragen, das Schönheitsideal zu verändern und die Vorurteile gegen „andere“ Körper abzubauen.

Sie rät dazu, die Leistungs- und Schönheitsnormen bewusst zu hinterfragen und wieder Platz für Körpervielfalt zu machen.

Ihr Plädoyer: Der ständige Ruf nach Perfektionismus macht uns krank – wichtig ist, sich selbst für eine positive Haltung zu entscheiden. Dann zählen nicht mehr die Kilos auf der Waage, sondern die wirklich wichtigen Dinge.