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ZukunftsangstDiese Strategien helfen gegen das Ohnmachtsgefühl

Lesezeit 4 Minuten
Nachdenkliche Frau auf dem Sofa

Zukunftsangst kann ein Gefühl von Ohnmacht auslösen. Aber es gibt Strategien, um das Gedankenkarussell zu stoppen.

Es herrscht Krieg, der Job ist unsicher, das Klima in der Krise, die Preise steigen. Was tun gegen die ständigen Sorgen?

Wie soll das bloß alles weitergehen? Vielleicht stößt der Blick in die Zukunft auch in Ihnen ein Gedankenkarussell an, das sich stundenlang drehen kann. Angst um den Job, vor weiter steigenden Preisen, Krankheiten, der Klimakrise, davor, dass die Welt angesichts der blutigen Konflikte weiter aus den Fugen gerät. Kurz: Zukunftsangst.

Schwer Greifbares macht besonders Angst

Diese Art der Angst hat eine besonders tückische Eigenschaft: Sie bezieht sich auf etwas Großes, schwer Greifbares. Das kann schnell ein Gefühl von Ohnmacht erzeugen. „Das eigene Leben können wir schließlich stärker beeinflussen als das Große, das Globale“, erklärt Mirriam Prieß, Therapeutin und Ärztin in Hamburg. „Dementsprechend haben wir in unserem persönlichen Leben mehr Möglichkeiten, Ängste auch zu bewältigen.“

Ein Beispiel: Wem bei Höhe mulmig wird, der kann die Angst anpacken, indem er übt, auf Aussichtsplattformen zu steigen. Und dabei im besten Falle merkt: „Toll, ich kann das ja!“ Solche Erfolgserlebnisse helfen dabei, Ängste hinter sich zu lassen. Einen so konkreten Fahrplan aus der Angst gibt es allerdings nicht, wenn sie sich auf Zukunftsszenarien bezieht.

Ein erster Schritt: Die Angst besser verstehen

Dennoch gibt es Strategien, um der Zukunftsangst etwas von ihrer Wucht zu nehmen. Ein erster Schritt: Angst und ihre Funktion besser verstehen. Dass wir dieses Gefühl in unsicheren Zeiten erleben, ist nämlich ganz normal. Denn Angst ist eine Reaktion auf Situationen, die wir als Bedrohung erleben, wie der Psychotherapeut Andreas Hagemann sagt. „Evolutionsgeschichtlich ist Angst äußerst sinnvoll, um sich vor einer realen oder zu erwartenden Gefahr zu schützen“, beschreibt der Ärztliche Direktor der Haku-Privatkliniken Eschweiler und Merbeck.

Gut zu wissen dabei: „Ängste entstehen aus inneren Erfahrungswelten, meist auch aufgrund von schlechten Erfahrungen“, sagt Mirriam Prieß. „Und auf dieser Grundlage bewerten wir Situationen im Außen.“ Wenn wir schon einmal eine betriebsbedingte Kündigung erlebt haben, dann bangen wir wahrscheinlich schneller, wenn im Flurfunk das Wort „Stellenabbau“ fällt.

Eine entscheidende Rolle spielt auch unsere Persönlichkeit. „Dabei prägen uns die ersten Jahre unseres Lebens – da passieren die ersten Beziehungserfahrungen, die sich dann auf das Selbstwertgefühl auswirken“, sagt Buchautorin Prieß. Und auch darauf, wie wir herausfordernde Situationen bewerten. Ob wir uns also zutrauen, sie zu meistern – oder ob wir eher mit Verunsicherung und Ohnmachtsgefühlen reagieren.

Wer die Angst wegdrückt, verstärkt sie

Was können wir tun, wenn die Gedanken akut kreisen, sich im Körper Anspannung ausbreitet? Mirriam Prieß rät, die Angst dann zu respektieren. „Das heißt: Zuzulassen, dass ich Angst habe, anstatt dagegen anzukämpfen. Denn das macht sie nur stärker.“ Oft flaut die Angst schon etwas ab, wenn es gelingt, mental etwas Distanz zu ihr aufzubauen. Dafür kann man sich selbst sagen: „Da ist Angst in mir, ich bin aber nicht die Angst“, wie die Ärztin rät.

Dann ist Gelegenheit, mit kühlem Kopf zu prüfen: Was genau ist los? Wovor sorge ich mich? Wie realistisch sind die Szenarien, die ich mir ausmale? Was könnten Lösungen sein, sollte es so weit kommen?

Stress im Alltag loslassen

Was Ängsten ebenfalls etwas entgegensetzen kann: Aktivitäten in den Alltag einbauen, die uns dabei helfen, Anspannung abzubauen. Denn dem Psychotherapeuten Hagemann zufolge ist Angst im Grunde nichts anderes als Stress. Was ihm entgegenwirkt? Das können regelmäßige Joggingrunden sein, Verabredungen mit Freundinnen und Freunden, aber auch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training.

Wo eine Angststörung beginnt

Doch einigen Menschen passiert es, dass die Angst immer mehr und mehr Platz in ihrem Leben einnimmt. „Wenn man sich auf die Angst fixiert, wird man selbst zur Angst und dann beginnt eine Störung“, sagt Mirriam Prieß. Sie kann sich zum Beispiel durch Angstanfälle bemerkbar machen. Viele Betroffene ziehen sich dann zurück, wollen sich nicht mehr mit dem auseinandersetzen, was sie ängstigt. Das verstärkt laut Prieß die Angst allerdings weiter und weiter.

„Offen über die Angst zu sprechen, Unterstützung von der Familie oder den Freunden holen, anstatt sich zurückzuziehen, und sich Hilfe bei Experten zu suchen, sind hier die Lösungswege“, sagt sie. Angststörungen sind laut Hagemann gut behandelbar, zum Beispiel durch eine Verhaltenstherapie. (dpa)