Heil- oder Intervallfasten?Warum Fasten so gut ist und was Sie darüber wissen sollten
- Fasten ist im Trend: Einst als Behandlungsmethode für Krankheiten gepriesen, ist das Fasten heute längst alltagstauglich für Jedermann.
- Mit dem Nahrungsentzug sollte man aber nicht zu leichtfertig umgehen. Häufig werden die Effekte unterschätzt.
- Worauf Sie achten sollten und welche Fastenmethode für Sie in Frage kommt erfahren Sie hier.
Hunger ist ein Alarmsignal unseres Körpers. Er sagt uns: „Schaff Nahrung her, und zwar schnell. Es geht um Leben und Tod!“ Es ging auch um Leben und Tod in einer Zeit, in der Nahrung nicht im Supermarkt auf uns wartete. Das Hungergefühl war nötig, um Menschen zu mobilisieren. Nahrung zu beschaffen war schließlich anstrengend – und nicht immer erfolgreich. Der Hunger trieb alle an. Damals auf der Jagd genauso wie heute, wenn wir im Supermarkt mehr in den Wagen packen, als wir eigentlich brauchen.
Das Hungergefühl ist heute das gleiche wie damals, obwohl kaum jemand in Deutschland fürchten muss, nicht genug zu essen zu bekommen. Gerade deshalb kann es gesund sein, den Hunger auszuhalten und nicht gleich in den Supermarkt zu rennen.
„Hin und wieder zu fasten entspricht der Biologie unseres Körpers besser, als ohne Pausen zu essen“, sagt Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel-Krankenhaus Berlin und Professor für klinische Naturheilkunde an der Charité. Früher konnte man sich nicht alle vier Stunden etwas zu essen in den Mund schieben. „Die Biologie ist damit überfordert.“
Die Folge davon können Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Demenz, Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. „Wenn man die Forschungsergebnisse zusammennimmt, dann sind es immer die Zivilisationskrankheiten, bei denen Fasten, mal mehr und mal mehr weniger, aber immer nachweisbar einen positiven Effekt hat“, sagt Michalsen.
Verbesserte Lebensqualität
Das bestätigt auch die bislang größte Studie zum Thema Fasten der Humboldt-Universität Berlin, des Immanuel-Krankenhauses und der Buchinger-Wilhelmi-Klinik. Die Ergebnisse sind erst kürzlich veröffentlicht worden. Untersucht wurden über ein Jahr hinweg 1422 Probanden, die an der Buchinger-Wilhelmi-Fastenklinik zwischen vier und 21 Tagen fasteten. Gewichtsverlust, verminderter Bauchumfang, verringerte Cholesterin- und Blutfettwerte und verbesserte Diabetes-Parameter waren die Folge. Auch der Blutdruck normalisierte sich. In 84 Prozent der Fälle besserten sich gesundheitliche Beschwerden.
Sogar bei Krebserkrankungen kann sich Fasten offenbar positiv auswirken: „Wir haben im vergangenen Jahr eine Studie zum dreitägigen Kurzzeitfasten vor einer Chemotherapie bei Eierstock- und Brustkrebs veröffentlicht“, berichtet Andreas Michalsen. Das Ergebnis: Die Lebensqualität der Probanden verbesserte sich, und die Nebenwirkungen der Chemotherapie konnten gemildert werden. Offenbar kommen die Krebszellen mit dem Nahrungsmangel nicht gut zurecht, während er gesunden Zellen nichts ausmacht. „Es ist jedoch noch zu früh, um da eine klare Empfehlung auszusprechen.“
Auch eine Studie zum Fasten bei Multipler Sklerose habe gute Ergebnisse gezeigt. In einer weiteren Studie hätten sich die positiven Effekte vom Fasten auf rheumatische Erkrankungen bestätigt. Das liegt zum einen daran, dass der Körper während des Fastens beginnt, sich selbst zu reinigen.
„Das ist wie einem Auto. Wird es endlich mal nicht mehr gefahren und steht in der Garage, können wir es reparieren“, erklärt der Mediziner. Der Körper muss keine Nährstoffe verarbeiten, der Magen-Darm-Trakt wird entlastet, denn er hat ja nichts mehr zu tun. Eine nahrungsbedingte Fettleber schrumpft unter dem Fasten relativ schnell zusammen. Zum anderen schüttet der Körper beim Fasten mehr entzündungshemmendes Cortisol aus. Das kann etwa rheumatische Erkrankungen lindern. Zusätzlich wird keine Arachidonsäure über die Nahrung zugeführt, welche entzündliche Prozesse im Körper fördern kann.
Wie aber überlebt der Körper die Zeit ohne Nahrung? Wenn er von außen keine Nahrung mehr bekommt, beginnt eine ganze Reihe von Veränderungen. Zunächst verbraucht der Körper die Zuckerreserven aus der Leber. Er muss sich selbst ernähren und stellt von der äußeren auf die innere Ernährung um. Die Umstellungsphase ist der schwerste und unangenehmste Teil des Fastens, in der uns das Hungergefühl am meisten zu schaffen macht.
Sind die Glykogenspeicher nach zwölf bis 24 Stunden aufgebraucht, wechselt der Körper in den Hungerstoffwechsel, gesteuert von Hormonen wie Insulin und Leptin. „Eine ganze Maschinerie wird angeschmissen, die ermöglicht, dass unser Körper von seinen Reserven lebt“, erklärt der Mediziner Andreas Michalsen. „Dann geht’s ans Fett.“ Während der Körper Fett abbaut, bildet er Ketonkörper, aus denen er die lebensnotwendige Energie beziehen kann. Als Folge davon kann der Atem säuerlich nach Aceton riechen. Der Puls wird heruntergefahren.
Immer genug trinken
Der Biologie ist es egal, warum der Körper hungert. Der Psyche nicht. 93 Prozent der Probanden der Fastenstudie an der Buchinger-Wilhelmi-Klinik verspürten während des Fastens nach eigenen Angaben keinen Hunger. Beim Heilfasten sind die ersten zwei bis drei Tage häufig unangenehm, danach fällt der Nahrungsverzicht leichter.
„Wenn man aber in einer Hungersnot ist, dann ist Hunger sehr unangenehm,“ sagt Naturheilkundler Michalsen.Bei normalgewichtigen Menschen sollte dennoch nach sieben bis zehn Tagen Schluss sein mit dem Fasten. Wie lange gefastet werden kann, hängt von den eigenen körperlichen Reserven ab. Stark übergewichtige Menschen mit mehr als 100 Kilo Gewicht können auch vier Wochen oder länger fasten. Immer vorausgesetzt, es wird ausreichend getrunken, neben Wasser auch Brühen und Säfte.
Fasten heißt, auf die Signale des Körpers zu achten. Ist der Körper nicht mit Verdauen beschäftigt, kann uns das sogar leistungsfähiger machen. Nagender Hunger und Schwäche zeigen jedoch schließlich an, wann es genug ist.
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Heil-oder Intervallfasten?
Beim Heilfasten verzichtet man mehrere Tage oder Wochen hintereinander auf feste Nahrung.Beim intermittierenden oder Intervallfasten wird über einen langen Zeitraum hinweg im Wechsel gefastet und gegessen. Zum Beispiel gibt es immer ein oder zwei Tage in der Woche, an denen gefastet wird. Es gibt aber auch Formen, bei denen man jeden Tag stundenweise fastet. Zum Beispiel kann an acht Stunden am Tag gegessen werden, und an den anderen 16 Stunden wird keine feste Nahrung aufgenommen.
„Das Heilfasten ist natürlich die stärkere, akutere Therapie, wenn man ein medizinisches Problem hat“, sagt Andreas Michalsen. Wer etwa sein Rheuma behandeln wolle, erreiche mit Intervallfasten in den ersten Wochen erst einmal nicht viel, während er beim Heilfasten bereits nach drei bis vier Tagen einen Effekt sehen könne.
Beides lässt sich auch gut kombinieren. Etwa so: einmal im Jahr Heilfasten für fünf bis sieben Tage. Und den Rest des Jahres Intervallfasten tage- oder stundenweise.
Wer darf nicht? Und muss ich in eine Klinik?
Schwangere und Kinder. Auch wer ein gestörtes Essverhalten hat, sollte davon absehen. Während eine leichte Depression unterm Fasten besser werden könne, weil dabei das Glückshormon Serotonin ausgeschüttet werde, können sich schwere psychische Erkrankungen verschlimmern, warnt Naturheilkundler Michalsen. Wer an einer Gallenkolik oder Gicht leidet, sollte ebenfalls nicht außerhalb einer Klinik fasten.
Geeignet zum Abnehmen?
Einer Ende des vergangenen Jahres veröffentlichten Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Heidelberger Uniklinikums zufolge hilft Intervallfasten beim Abnehmen und ist gut für die Gesundheit. Es eignet sich jedoch nicht besser zur Gewichtsreduktion als eine herkömmliche Reduktionsdiät.
„Den meisten Menschen fällt es jedoch leichter, intervallzufasten als immer weniger zu essen“, gibt Andreas Michalsen zu bedenken. Der Jojo-Effekt bliebe beim Intervallfasten aus. „Der Energiebedarf geht dabei sogar nach oben, es hat also den umgekehrten Effekt.“ Beim Heilfasten dagegen befinde sich der Körper im Hungerstoffwechsel, der Energiebedarf wird heruntergefahren.
Wird anschließend wieder normal gegessen, droht eine rasche Gewichtszunahme. „Allerdings ändern sich dabei meist das Geschmacksempfinden und das Essverhalten, sodass die meisten Menschen sich danach besser ernähren“, sagt der Mediziner. Nur wenige Menschen wögen deshalb hinterher mehr als zuvor.