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In Sachen LiebeMein Bruder denkt an seine Jugendliebe – sollte seine Frau das wissen?

Lesezeit 4 Minuten
Mann steht an einem Fenster

Was tun, wenn einem die Jugendliebe nicht mehr aus dem Kopf geht?

  1. Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  2. Jede Woche beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Damaris Sander, Daniel Wagner und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Familie.
  3. Diesmal schreibt Désirée Beumers über die Jugendliebe: warum wir sie so oft glorifizieren und was wir tun können, wenn uns diese eine Person aus unserer Jugend nicht mehr aus dem Kopf geht.

KölnMein älterer Bruder hat vergangenes Jahr eine Schulkameradin wiedergetroffen. Sie lebt seit Jahren im Ausland und kommt nur selten nach Deutschland. Dieses Treffen hat ihn verändert, und wenn wir alleine sind, lenkt er das Gespräch unauffällig auf diese Freundin. Nein, nie wäre etwas gewesen zwischen ihnen, nur die gemeinsame Schulzeit. Mein Bruder hat eine wie mir scheint glückliche Familie. Die Schulfreundin hatte ein bewegtes Leben. Er gestand mir nach einigen Gläsern Wein, dass diese Frau seine heimliche Sehnsucht war, sein Leben lang, und er es jetzt erst erkannt habe. Seine Familie scheint nichts zu merken. Ich befürchte, er wartet auf den Tag, an dem sie kommt und verliert sein Leben aus dem Blick. Was soll ich ihm raten? Wäre es gut, seine Frau zu informieren?

Jugendlieben haben einen prägenden Einfluss auf uns. Wir erleben diese Schwärmereien als hormonüberflutend und weitgehend unbeschwert von der Last des Alltags, die wir als Erwachsene so oft tragen. Als Jugendliche stellen wir an unsere Auserwählten nicht die lebenspraktischen Ansprüche, die wir später an unsere Partner stellen. Sind Beziehungen in unseren jungen Erwachsenenjahren schon daran gescheitert, dass wir zum Beispiel einen unterschiedlichen Kinderwunsch hatten oder völlig unvereinbare Vorstellungen davon, wie wir mit Finanzen umgehen, interessierte das im Teenageralter alles wenig. Gerade deswegen glorifizieren wir auch oft bis ins hohe Alter hinein noch die Menschen, in die wir damals so überschwänglich verliebt waren. Die Realität hat uns nie eingeholt, und wir waren nicht gezwungen, unsere Schwärme zu „ent-idealisieren“.

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Désirée Beumers ist Psychotherapeutin.

Möglicherweise schwelgt ihr Bruder also lediglich in Erinnerungen an dieses berauschende Gefühl von früher. Da weitere Treffen mit dieser Frau nach der einen Begegnung im vorigen Jahr auch heute noch nicht stattzufinden scheinen, lebt sie in der Vorstellung Ihres Bruders weiterhin als diese unbeschwerte, ideale Phantasie. Diesem Gefühl hinterherzuhängen ist angenehm. Es hat die Macht vom Alltag abzulenken, und lädt zu Tagträumereien ein. Ihr Bruder genießt diese vielleicht einfach als kleine Ablenkung von seinem Alltag.

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Doch was, wenn ihr Bruder tatsächlich noch in diese Frau – oder die Vorstellung von ihr – verliebt ist? Dann kann daran zuerst einmal niemand etwas ändern. Nicht Sie, aber auch nicht Ihr Bruder. Gefühle wollen gefühlt und ausgehalten werden. Gefühle sind auch erst einmal nichts Verbotenes oder Verwerfliches. Schwierig wird es natürlich dann, wenn diesen Gefühlen Taten folgen. Doch Ihr Bruder scheint sich trotz der Sehnsucht, die er dieser Frau gegenüber empfindet, weiterhin gut zu seiner Familie zu verhalten. Verantwortung hat er für seine Handlungen im Außen. Daran, was er im Innern fühlt, ist er nicht schuld. Vermutlich würde er seine Gefühle gerne ändern, wenn er könnte. Von meiner Perspektive aus gesehen, erscheint es nämlich so, als wäre Ihr Bruder derjenige in diesem ganzen Szenario, der darunter am meisten leidet.

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Bitte informieren Sie seine Frau nicht! Es wäre zum einen übergriffig, sich in die Beziehung anderer einzumischen, zum anderen würden dadurch aber auch die Gefühle Ihrer Schwägerin möglicherweise unnötig verletzt. Überlegen Sie, was Sie in der Situation Ihres Bruders bräuchten. Vermutlich ein offenes Ohr, das zuhört, aber nicht verurteilt. Wenn Sie ihm das bieten können, machen Sie sich damit wahrscheinlich zu seiner engsten Vertrauensperson; und falls der Tag kommen sollte, an dem diese Frau zurück in sein Leben kommt, hat er so ein Gegenüber in Ihnen, das ihm mit liebevoller Unterstützung zur Seite stehen kann – welche Entscheidung auch immer er dann trifft.