Reif für ErholungWarum die Urlaubslänge gar nicht entscheidend ist

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Eine Frau schaut von einer Aussichtsplattform des Alten Hafens von Antalya auf schneebedeckte Berggipfel.

Einmal ganz runterfahren, bitte. Wie das Abschalten im Urlaub nachhaltig gelingen kann.

Die Sommerferien starten und auch Arbeitnehmer fühlen sich urlaubsreif. Warum einfach frei nehmen oft gar nicht den gewünschten Erholungseffekt bringt.

Der Kalender zeigt erst Dienstag, das Gehirn meldet aber schon Wochenendschwere und der Körper hält Aufstehen und mit Elan zur Arbeit schreiten ohnehin für eine wahnwitzige Idee. Die Sommerferien sind nah und auch Arbeitnehmer verspüren häufig ein dringendes Bedürfnis, eine Pause einzulegen. Zu lange hat man Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Rückenschmerzen, Magen-Beschwerden oder Herz-Kreislaufprobleme möglicherweise schon ignoriert. Vom Job ausspannen, neue Eindrücke sammeln, Pflichten des Alltags hinter sich lassen. So die Sehnsucht der allermeisten. Wirklich abschalten und nachhaltig neue Energie tanken, fällt dann aber doch vielen schwer.

Das liegt zunächst daran, dass Urlaub gar nicht zwingend die richtige Antwort auf dauerhafte Erschöpfung ist. Denn: „Arbeit sollte grundsätzlich so gestaltet sein, dass man nicht das Gefühl hat, urlaubsreif zu werden“, sagt Ivon Ames, die als Arbeitspsychologin an der Fern-Universität in Hagen forscht. Sendet der Körper Warnsignale, stimme etwas mit dem Arbeitsalltag im Ganzen nicht. Die Aufgaben seien zu dicht, die Zahl der Überstunden zu hoch, die Zuständigkeiten nicht klar, die dauerhafte Erreichbarkeit überlastend. Dabei haben Mitarbeiter laut Ames „ein Anrecht darauf, dass sie nicht ständig Überstunden machen müssen und stets erreichbar sind“.

Um den Arbeitsalltag neu und weniger belastend aufzusetzen, über einen Jobwechsel nachzudenken oder Argumente gegenüber dem Arbeitgeber zu sammeln, die langfristig zu mehr Wohlbefinden, aber auch Leistungsfähigkeit führen, kann ein Urlaub dann aber dennoch dienlich sein. Schließlich braucht die Neuordnung des Arbeitsalltags Zeit, Energie und ein bisschen Abstand.

Länge des Urlaubs spielt für die Erholung keine große Rolle

Wie lang der Urlaub ist, spiele für die Erholung übrigens keine wesentliche Rolle, so die Expertin: „Ein langer Urlaub, in dem man ständig erreichbar ist, ist deutlich weniger erholsam als ein kurzer Urlaub, in dem man sich komplett aus dem Geschehen rausnimmt. Es kommt eher auf die Qualität des Urlaubs an.“

Dafür sei unabdingbar, die Auszeit so zu planen, dass eine klare Vertretungsregel existiert. Wer sich auch während der Auszeit ständig verantwortlich fühlt, weil es im Büro kein Backup gibt, der wird kaum erholsame Tage verbringen können. „Ich muss wissen, dass der Laden läuft, auch wenn ich selbst nicht da bin. Sonst wird das Abschalten schwierig“, sagt Ames.

Besonders herausfordernd: Familienurlaub

Auch für Eltern ist das Abschalten manchmal trotz Urlaubs kein Selbstläufer. Denn die Mutter- oder Vaterpflichten reisen ja meist mit. Christina Borchert ist Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung (BAG FE). Sie hat es sich mit ihrem Team zur Aufgabe gemacht, Familien eine erholsame Auszeit zu verschaffen. Ihr zentraler Tipp: Schon vor dem Urlaub ins Gespräch zu kommen und individuelle Wünsche und Bedürfnisse abzustimmen: „Man sollte darauf achten, dass jedes Familienmitglied auf seine Kosten kommt.“

Auch wenn Familien aus Kostengründen oft die Ferienwohnung präferieren, empfiehlt Borchert für eine möglichst gute Erholung eher einen Urlaubsort, bei dem eine Verpflegung angeboten wird und kein weiterer Konsumdruck entsteht. Angebote, bei denen Kinder mit anderen Kindern in Kontakt kommen, führten oft zu einer guten Atmosphäre und der Verzicht auf W-LAN oder Fernseher könne dabei helfen, sehr schnell Erholungsmomente zu schaffen.

„Wir merken bei Familien, die viel arbeiten, dass es durchaus eine Zeit braucht, bis die Erholung eintritt“, sagt Borchert. Sie empfiehlt daher eine Auszeit von mindestens einer Woche, besser zwei.

Und auch in der Rückkehr kann eine große Chance auf Entspannung liegen. Schließlich gilt es gerade am Urlaubsende, möglichst guter Dinge wieder in den Alltag hineinzugleiten und sich ein Stück Leichtigkeit von den Tagen in den Bergen oder an der See zu erhalten. Kleine Urlaubsrituale machen laut Ivon Ames auch im September in Köln noch gute Laune: Spaghetti-Carbonara auf die Gabel rollen, mit Muscheln vom dänischen Strand den Schreibtisch dekorieren oder nach dem Bürotag mit der spanischen Seife die Hände waschen.

Derlei Strategien können auch gegen das „Post-Holiday-Syndrom“ helfen. So nennt man das Motivationstief, das entsteht, wenn der Körper noch im Entspannungsmodus ist und sich erst wieder an die Arbeitsbelastung gewöhnen muss. Weitere Tipps hat das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG):

Mit kurzer Woche starten

Anstatt an einem Montag wieder in die Arbeitswoche nach dem Urlaub zu starten, können Beschäftigte sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie sich zum Wiedereinstieg eine kurze Woche gönnen. Das IFBG rät, wenn möglich, zum Beispiel an einem Mittwoch oder Donnerstag wieder zu starten. 

Etwas mehr Zeit zum Durchatmen verschaffen sich Beschäftigte zudem, wenn sie die Abwesenheitsnotiz im Mailprogramm mindestens einen Tag länger einstellen, so ein Tipp der INQA. Dann halten sich Ansprechpartner unter Umständen mit Anrufen und Mail-Rückfragen noch etwas länger zurück. (dpa)

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