Das schmuddelige Bad oder die herumliegenden Socken sorgen bei vielen Paaren regelmäßig für Streit.
Paartherapeutin Maria Brohl weiß, wie es Paaren gelingt, Konflikte über Ordnung zu überwinden.
Aufräum-Coach Gunda Borgeest erklärt, wie jeder es schaffen kann, Chaos zu beseitigen und sogar Spaß beim Aufräumen zu haben.
Köln – Während sie das Bad nach einer Woche ohne putzen als schmutzig empfindet, sieht er den Seifenrand im Waschbecken nicht. Möchte sie sich nach der langen Fahrt aus dem Urlaub nur noch auf das Sofa lümmeln, will er unbedingt noch den Koffer ausräumen. Einer mag das kreative Chaos, der andere hätte es lieber ordentlich. Streitereien wie diese kennen vermutlich die meisten Paare in der einen oder anderen Form. Auch ganz ohne Corona-Krise. Doch gerade in der aktuellen Situation sind diese Konflikte hochexplosiv. Denn wir verbringen alle mehr Zeit als sonst zu Hause, besonders, wenn einer oder sogar beide im Homeoffice arbeiten. Das bedeutet mehr Schmutz, aber auch mehr Ärger darüber. Wie finden Paare einen guten Kompromiss? Wir haben eine Paartherapeutin und eine Ordnungsexpertin dazu befragt.
Streitthema Ordnung in der Wohnung
Was wir als ordentlich oder unordentlich empfinden, ist sehr individuell, erklärt die Kölner Paartherapeutin Maria Brohl. Sie berät als systemische Paar- und Familientherapeutin, Ehe-und Lebensberaterin Menschen seit 1996 in einer Beratungsstelle und ihrer Praxis. „Unsere Sozialisation prägt unsere Vorstellung von Ordnung.“ Jeder Mensch hat eine Art von Ordnungssinn – der kann nur ziemlich unterschiedlich ausfallen. Trifft eine richtige Chaotin auf einen ordnungsliebenden Pedanten kann es schwierig werden, als Paar eine gemeinsame Lösung zu finden. „Ordnung ist bei vielen Menschen ein hoher Wert. Für den einen bedeutet sie eine penible Aufgeräumtheit, für den anderen gehört eine gewisse Unordnung zum Wohlbefinden. Konflikte über Ordnung kommen bei vielen Paaren vor, schließlich denkt jeder, dass die eigene Ordnungsvorstellung berechtigt ist und es ist schwer davon Abstand zu nehmen.“
Wie schwierig es sein kann, Ordnung in das eigene Leben zu bekommen, weiß Gunda Borgeest von ihren zum größten Teil weiblichen Kundinnen. Sie ist Ordnungsexpertin bei ihrem Unternehmen „Schönste Ordnung” und hilft Menschen nicht nur dabei, ihre Wohnungen aufzuräumen: „Es wenden sich Menschen an mich, die nach einer passenden Struktur und Ordnung suchen, sie aber alleine nicht herstellen können“, schildert Borgeest. Dazu gehören auch Paare, für die sie eine stimmige gemeinsame Ordnung entwickelt, damit die sich nicht immer wieder über Unordnung streiten müssen. Wie so oft im Leben, ist auch hier der Kompromiss ganz wichtig: „Es geht nicht, dass der eine, der es eher ordentlich mag, dem anderen sagt, was er zu tun hat. Da fühlt sich der weniger ordentliche Partner sofort in eine ohnmächtige Position getrieben, befehligt und in die Ecke gedrängt“, sagt Borgeest. Das sei nicht gut für eine Partnerschaft.
Doch wie spricht man seine Partnerin richtig darauf an, dass einem benutzte Socken in der Ecke ein Dorn im Auge sind? „Es passiert schnell, dass Paare in Kommunikations- oder Streitmuster geraten und es nicht mehr um das Thema und eine Lösung geht, sondern um die Diskussion an sich“, erklärt Brohl. Häufen sich die Beschwerden über die Unordnung, ignoriert die chaotische Freundin das eigentliche Anliegen ihres Freundes. Je mehr sie sein Anliegen ignoriert, desto häufiger meckert er über die Unordnung. „Paare geraten da sehr schnell in einen Teufelskreis.“ An dieser Stelle sei es wichtig, zu verstehen, warum dem Partner oder der Partnerin eine bestimmte Ordnung so wichtig ist, sagt die Paartherapeutin.
Doch wie kann das gelingen, wenn doch jeder seine Ordnung für richtig hält? „Paare müssen verstehen, dass dies einfach Vorlieben sind und es kein Richtig oder Falsch gibt. Beide Sichtweisen haben ihre Berechtigung.“ Viele Paare seien sehr kompromissbereit, wenn sie das verstanden hätten, weiß Brohl aus ihrer Praxis. Spitzt sich der Streit jedoch zu, empfiehlt die Paartherapeutin Dinge nicht zu persönlich zu nehmen. Das helfe auch in der aktuellen Krisensituation, um Konflikte zu vermeiden. „Auch wenn die Kaffeetasse zum zehnten Mal halbvoll vor dem Computer vergessen wurde, ist es immer noch nur eine halbvolle Tasse. Es ist nicht die Botschaft: ‚Du bist mir egal!'“
Paare sollten einen Ordnungsplan entwickeln
Anderes Beispiel: Lässt der Partner gerne seine Zeitungen auf einem Stapel im Wohnzimmer liegen und den ordentlicheren Partner stört dies sehr, sollte man als Paar gemeinsam eine Lösung entwickeln. Die könnte sein: Alle Zeitungen, die sich angesammelt haben, dürfen nach zwei Wochen in den Müll. „Es kann für Paare Sinn ergeben, alle Streitpunkte rund ums Thema Ordnung aufzuschreiben und dann jeweils Kompromisse auszuhandeln. So muss man nicht immer wieder aufs Neue über diese Punkte diskutieren.“ Sinnvoll sei auch eine Aufgabenteilung: Wenn ein Partner zum Beispiel viel Wert auf ein sauberes Bad legt, solle er es selbst putzen, statt dem anderen diese Aufgabe zu verordnen. Als Ausgleich übernimmt der andere Partner dann regelmäßig eine andere Arbeit, zum Beispiel die Entsorgung von Müll, Altglas und Altpapier.
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Im Ratgeber der Stiftung Warentest „Ordnung nebenbei“ gibt Ordnungsexpertin Gunda Borgeest Tipps, um das Chaos in den eigenen vier Wänden zu beseitigen. Erhältlich für 16,90 Euro.
Foto: Stiftung Warentest
Entdeckt ein Paar nun im Homeoffice, dass es sich mit der aktuellen Ordnung nicht wohlfühlt, sollten sie sich die Frage stellen, was man überhaupt brauche, rät Borgeest. Denn in den meisten deutschen Wohnungen sind Schränke vollgestopft und Schubladen bis zum Rand gefüllt. „Wir alle haben zu viele Dinge, die wir gar nicht brauchen, die uns aber ständig „zurufen“: ‚Benutze mich mal wieder, kümmere dich um mich oder repariere mich! ‘“, beschreibt es die Ordnungsexpertin. Die Menschen würden regelrecht an ihren Sachen „ersticken“.
Aufräumen und aussortieren als Befreiung
„Liegt zum Beispiel immer noch die Jeans in Größe 36 in der Kommode, obwohl wir längst Größe 40 tragen, belastet das auf Dauer, weil wir glauben, nicht zu genügen und endlich eine Diät machen zu müssen. Dinge auszusortieren wirkt befreiend – kann aber zunächst auch ein schwieriger und anstrengender Prozess sein, weil wir uns manchmal nicht nur von Dingen, sondern auch von Selbstbildern und Lebensentwürfen verabschieden müssen.“ Deshalb lautet ihr erster Rat, um Ordnung zu schaffen: „Gehen Sie durch die ganze Wohnung und schreiben Sie im ersten Schritt alles auf, was Sie verändern möchten!“ Auf dieser Liste kann dann stehen: Bücher aussortieren, den Vorratsschrank ausräumen oder die Pullover zu sortieren, aber auch so etwas wie den Balkon bepflanzen oder neue Bettwäsche kaufen.
„Dann schaffen Sie Etappen und legen Zeiten fest, zum Beispiel Schuhe aussortieren: zwei Stunden, CDs ausmisten: vier Stunden. Danach tragen Sie sich zwei bis vier- Stunden-Slots für die nächsten Wochen oder Monate in Ihren Kalender ein – sozusagen Verabredungen mit sich selbst und/oder Ihrem Partner.” Was genau dann an dem jeweiligen Tag gemacht werde, entscheide man nach Lust und Laune, sagt Borgeest. Dieses Etappen-Prinzip lasse sich gut in den Alltag integrieren und verhindere Überforderungsgefühle und Frustration.