Der Kölner Möbelhändler Marcel Struck kauft das Haus von Konrad Adenauers Sohn Georg und verwebt dort die 1950er-Jahre mit dem Heute.
Zwischen BRD und ModerneSo lebt ein Kölner Möbelhändler im Haus von Georg Adenauer in Schleiden
Mit Konrad Adenauer hatte Marcel Struck ursprünglich wenig zu tun. Während wohl jeder Westdeutsche den ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland von klein auf kennt, waren bei Struck früher eher andere Größen ein Thema. „Ich komme aus Cottbus. Adenauer war bei uns kaum präsent, ich kannte nur Stalin und Thälmann“, sagt der 44-Jährige. Mittlerweile sind Konrad Adenauer und seine Familie aber sehr wichtig in seinem Leben. Denn der Kölner Möbelhändler und Designer lebt in einem Haus im Eifelort Schleiden, in dem Konrad Adenauers jüngster Sohn Georg mehr als 50 Jahre lang gewohnt hat.
Wie kommt ein ostdeutscher Stuckateur, der heute Bars, Restaurants und Büros mit schicken Vintage-Möbeln einrichtet, dazu, in ein Haus aus der westdeutschen Nachkriegsgeschichte einzuziehen? Es ist die Liebe zu Geschichte und Geschichten, die Marcel Struck, eigentlich Stadtmensch durch und durch, in dieses Häuschen nach Schleiden-Olef gebracht hat.
Zu Anfang nur als Wochenendhaus geplant
Am Anfang war Struck nur auf der Suche nach einem Haus im Grünen für die Wochenenden, um ab und zu aus Köln heraus und in die Natur zu kommen. Er suchte ein Haus mit verwunschenem Garten für sich, seine Freundin und seine Tochter, das er nach seinen Vorstellungen umbauen und gestalten kann. „Der Plan war eigentlich nur eine teure Spaßgeschichte“, erinnert er sich lachend.
Das Adenauerhaus begegnet ihm erstmals 2019 über seinen Bekannten Nalle Björn Adenauer, Kölner Immobilienmakler, Enkel von Georg Adenauer, und Ur-Enkel von Konrad Adenauer. „Er sagte eines Tages zu mir: 'Du, mein Opa ist gestorben und hinterlässt ein Haus in Schleiden. Willst Du Dir das mal anschauen?' Und ja: Ich wollte“, erzählt Struck.
Georg Adenauer war Konrad Adenauers jüngster Sohn und lebte von 1956 bis 2019 mit seiner schwedischen Frau Ulla in diesem Haus. 2020 ist er verstorben. Das Haus wurde 1953 gebaut und ähnelt Konrad Adenauers ehemaligem Wohnhaus in Rhöndorf, das heute eine Gedenkstätte zum Besichtigen ist. Im Schleidener Haus gibt es viele ähnliche Elemente wie zum Beispiel Fenstergitter, Rosenstöcke und das Satteldach. Georg Adenauers Frau hat aber auch viele schwedische Elemente in die Einrichtung eingebracht.
Ein Haus voller Geschichte und Geschichten
Marcel Struck ist gleich bei der ersten Besichtigung begeistert: „Ein Haus im Grünen voller Geschichte, mit großem Grundstück und alten Bäumen, die auch Teil der Geschichte sind. Dazu die Adenauer-Verbindung: Das hat mich alles sofort interessiert.“ Er kauft das Haus.
Struck beginnt schon bald, das Haus zu restaurieren. Ihm ist es gelungen, dabei sowohl die alte Geschichte rund um die Adenauers ausreichend zu würdigen, als auch die schwedischen Einflüsse nicht untergehen zu lassen. Zu alldem fügt er noch seinen eigenen Style hinzu. Daraus entstanden ist ein durchdesigntes harmonisches Ganzes mit Geschichte, in dem man sich sofort wohlfühlt. „Viele Elemente sind erhalten geblieben, es ist aber auch viel Neues entstanden“, fasst seine Freundin Katrin Pomberg zusammen.
Es ist deutlich zu sehen, dass hier jemand „vom Fach“ am Werk war. Marcel Struck führt am Fröbelplatz in Ehrenfeld den Vintage-Möbelladen „Exquisit“. Hier verkauft er alte Stühle, Lampen, Sofas und Tische im Industriedesign. Er schätzt die Geschichte und die Geschichten, die die alten Möbel in sich tragen. Aber auch Nachhaltigkeit spielt für ihn eine Rolle.
Struck ist gelernter Stuckateur mit Schwerpunkt Restauration. In seiner Schreinerei setzt er individuelle Einrichtungskonzepte für Firmen um. In Köln stammen zum Beispiel die Einrichtung von Lukas Podolskis Eisdiele im Belgischen Viertel oder die der Kaffeerösterei Ernst aus seiner Hand. Für den Barbershop im Belgischen Viertel hat er eine komplette Apotheke von 1904 verbaut.
Marcel Struck findet überall Schätze – auch im Sperrmüll
„Marcel findet überall alte Schätzchen, egal, wo wir sind. Während ich nur Sperrmüll an der Straße sehe, entdeckt er fast immer etwas Wertvolles und Ästhetisches unter den Dingen – oder etwas, dass man zu etwas Wertvollem und Ästhetischem machen kann. Er hat immer direkt ein Bild vor Augen, wie etwas gut aussehen wird“, sagt Katrin Pomberg über ihren Freund. Im Adenauerhaus hat er zum Beispiel einen alten Erhitzer aus einem Chemielabor zu einem Barschrank umgebaut, daneben steht eine alte Säule aus einer Kirche. Zwei ganz unterschiedliche Gegenstände, die sich perfekt ergänzen, so wie sie hier nebeneinander stehen.
Karton mit Adenauer-Relikten ersteigert
Um das Adenauerhaus so authentisch wie möglich einzurichten, hat Struck sich wie ein Spürhund auf die Suche nach den passenden Dingen aus dieser Zeit gemacht. Als er im Radio hörte, dass das Auktionshaus Eppli in Stuttgart einen Teil des Adenauer-Nachlasses versteigert, saß er die ganze Nacht vor dem Rechner und bot mit. So gelangte er unter anderem an einen ganzen Karton voller Briefe, Fotos und Zeitungsausschnitte rund um Georg und Konrad Adenauer.
„Ich habe aber auch viele andere Sachen gesucht, die zu Adenauer oder zu seiner Zeit gehören, zum Beispiel Teppiche, Lampen, Wein oder Notizblöcke“, erzählt Struck. Im ganzen Haus tauchen diese Reminiszenzen immer wieder in der Einrichtung auf.
Überall alte Adenauer-Relikte im Haus
Manche Gegenstände musste Struck gar nicht suchen, sondern einfach nur im Haus finden. „Bei der Renovierung haben wir überall alte Adenauer-Dinge entdeckt, das war sehr spannend“, erzählt Struck. Er liebt ja auch deshalb alte Möbel so sehr, weil sie eine Geschichte erzählen. Die versucht er in seinem Haus lebendig zu halten. So hat er zum Beispiel die alten Wasserhähne im Bad gelassen wie sie sind und die Eichentreppe nach oben so bearbeitet, dass die alte Ochsenblutfarbe wieder sichtbar ist. „Die war leider mit einem rosa Teppich überdeckt, das wollte ich nicht so lassen“, erinnert er sich.
Er würdigt aber auch die schwedische Herkunft von Georg Adenauer Frau Ulla. So hängt zum Beispiel draußen am Fahnenmast im Garten die Fahne von Olef neben der von Schweden. „Die Nachbarn wissen das sehr zu würdigen, weil die beiden hier so hoch angesehen waren. Das haben wir gemerkt, als wir sie einmal zu einer Party eingeladen haben. Fast alle waren früher auch schon einmal im Haus und sind noch immer voller Ehrfurcht“, erzählt Struck.
Aus dem Wochenendhaus im Grünen ist mittlerweile ein richtiges Zuhause und Struck und seine Familie richtige Nachbarn geworden. Die Pendelei zwischen Köln und Schleiden und die zwei Haushalte wurden den beiden irgendwann zu viel. Im Dezember 2022 beschlossen sie deshalb, ganz ins Adenauerhaus zu ziehen und die Wohnung in Lindenthal aufzugeben. Struck ist weiterhin viermal die Woche für die Arbeit in Köln, seine Freundin Katrin hat sich als Lehrerin aber versetzen lassen. Die beiden haben gerade ein Baby bekommen.
Manche Dinge vermissen sie an der Stadt, fühlen sich alles in allem aber angekommen und glücklich. „Vieles läuft zwar anders als in der Stadt und man muss sich besser organisieren, aber wir haben es nie bereut, hier hinausgezogen zu sein“, sagen beide. „Nur eine Sache schockiert mich noch ein wenig an meinem neuen Leben“, ergänzt Marcel Struck: „Ich habe angefangen, selbst Fisch zu räuchern.“