Birkenstock geht heute in New York an die Börse. Auch andere Gesundheitsschuhe sind gefragt wie nie. Warum ist das so?
Heute BörsengangBirkenstock-Hype reißt nicht ab – Wie gesund sind die Latschen?
US-Promis tragen die bequemen Latschen und spätestens seit dem "Barbie"- Film sind Birkenstock Kult. Jetzt wagt das Unternehmen den Börsengang an der Wall Street. Was ist dran an den Gesundheitsschuhen, das sie plötzlich so begehrt ist
Steve Jobs war auch in Sachen Schuhmode anderen einen Schritt voraus. Der Apple-Mitgründer, der von seiner Garage in Los Altos aus ein Techimperium aufbaute und mit seinen Produkten weltweit Designfans begeisterte, trug beim Tüfteln gerne: Birkenstocks. Lange bevor in den Szenevierteln der Städte Hipster sie als ihr favorisiertes It-Piece auserkoren, liebte Jobs schon innig seine graubraunen „Arizona“-Wildledersandalen. In den 1970er- und 1980er-Jahren soll er laut Aussage einer Ex-Freundin sogar im Winter darin unterwegs gewesen sein. Ein Paar seiner alten Sandalen war 2022 einem Fan bei einer Versteigerung 218.720 US-Dollar wert.
Einst galten Treter dieser Art als trampelige Ökolatschen der Generation Müsli. Deren Kinder vermieden es tunlichst, die Altvorderen in diesem peinlichen Look, der stets ein wenig an eine Arztvisite erinnerte, zu begleiten. Heute gelten die 1979 erstmals designten Birkenstock Boston Clogs im Farbton Taupe als wahrer Schatz. Der Schuh mit der geschlossenen Zehenkappe wird auf Re-Sale-Websites wie Poshmark oder Ebay für das Vierfache seines ursprünglichen Verkaufswertes gehandelt. Vor allem Menschen aus den USA sind bereit, das Modell zu kaufen, denn dort ist es flächendeckend ausverkauft – und begehrter denn je.
Clogs und Latschen firmieren unter dem Begriff „Ugly Fashion“
Auch der ackerbraune Halina Clog von Mephisto, eine 1966 im französische Sarrebourg gegründete Marke, sowie der schlammfarbene Grace Clog des amerikanischen Labels Scholl werden gerade auf den Straßen der Metropolen rauf und runter getragen. Früher bekam man Gesundheitslatschen von den Eltern als vernünftiges Schuhwerk zu Weihnachten geschenkt – um dann erstaunt festzustellen, dass sie tatsächlich ziemlich bequem waren. Allerdings durfte man sich darin keinesfalls in der Raucherecke der Schule zeigen, außer, man nahm einen ernsten Imageschaden in Kauf. Lange vorbei: Heute sind die auch Sabot genannten Pantoffeln das Coolste, das geht.
Es ist der gleiche Ugly-Fashion-Effekt, der sich vor einigen Jahren schon bei Trainingsanzügen aus Ballonseide und Nylonbauchtaschen einstellte: Beides wurde von Modefachleuten lange als funktional, aber auch ziemlich hässlich bewertet. Bis jemand sich traute, den Stücken neues Leben einzuhauchen. Etwa den Bauchtaschen, die man jahrzehntelang aus gutem und praktischem Grund zum Wandern umschnallte. Jetzt werden sie quer über die Schulter gehängt und stammen nicht mehr aus dem örtlichen Sportfachgeschäft, sondern von Prada und Co.
Prominente Vorbilder mitverantwortlich für den Hype
Und auch die Gesundheitsschuhe mit ihrer unförmigen Silhouette gibt es seit einiger Zeit in der kostspieligen Luxusversion: Céline schuf die sogenannten Furkenstocks, mit Fell gefütterte Pantoletten, und bei Isabel Marant finden sich jede Saison aufs Neue mit Nieten verzierte Veloursledersandalen. Mitverantwortlich für den Hype bestimmter Schuhe oder Klamotten sind oft auch prominente Vorbilder. „Ich denke, modische Teile sind angesagt, nachdem sie zum Beispiel in einem Film oder in einer Serie zu sehen waren“, sagt der Maßschuhmacher Benjamin Bigot aus Karlsruhe.
Gut zu beobachten sei das etwa an Manolo Blahnik-Pumps oder den Christian Louboutin-High Heels mit der charakteristischen roten Sohle gewesen, so der 41-Jährige. Beide boomten in den frühen Nuller-Jahren, nachdem sie Carrie Bradshaw, gespielt von Sarah Jessica Parker, in „Sex And The City“ dutzendfach in ihrer Garderobe hortete. Dass mittlerweile das Trendbarometer ganz stark in Richtung flache Treter ausschlägt, zeigte sich gerade bei den Dreharbeiten zur aktuellen Staffel der Fortsetzung „And Just Like That“: Darin tauschte Parker ihre geliebten Absätze gegen Birkenstocks, die in Zusammenarbeit mit Gucci entstanden.
Auch andere Prominente mit modischer Vorbildfunktion schreiten in haferflockenfarbenen Gesundheitsschuhen betont geerdet durch die Welt – wenn sie nicht gerade einen Auftritt auf dem roten Teppich haben. Etwa die Schauspielerinnen Kristen Stewart und Dakota Johnson oder das Model Kaia Gerber.
„Birkenstocks machen die Füße nicht gesünder“
Tut man seinen Füßen denn auch etwas Gutes mit den Gesundheitslatschen, von denen einige Modelle über eine anatomisch vorgeformte Innensohle verfügen? Benjamin Bigot, der eine Ausbildung im Anfertigen von orthopädischen Schuhen hat, sagt: „Sie machen die Füße nicht gesünder, beheben also keine Fehlstellungen oder orthopädischen Erkrankungen. Dafür braucht man individuell auf den eigenen Fuß angefertigte Einlagen.“ Grundsätzlich gelte, dass die Pantoffeln verhältnismäßig wenig Halt geben. Der Fuß gewöhne sich daran, und die Muskulatur werde weich, was auf harten Asphaltstraßenbelägen nicht ideal sei. „Deshalb ist es wichtig, verschiedene Schuhtypen zu tragen, auch mal welche mit Einlage und ab und zu barfuß zu gehen, damit die Fußmuskulatur arbeitet“, rät der Experte. Wenn man keine Fußprobleme habe, könne man Birkenstocks und andere Latschen bedenkenlos tragen, erklärt Bigot, man habe angenehm Platz in ihnen und es gebe keine schmerzhaften Druckstellen.
Man sollte darin allerdings keine Wanderung machen, sondern allenfalls leichte Spaziergänge oder einen Stadtbummel. Es sind im Grunde Pantoffeln, die es nach draußen geschafft haben; das gemütliche Daheimgefühl nimmt man einfach mit. Das ist wohl auch ein Grund, warum Frauen immer häufiger auch im Sommer gerne beim Ausgehen in die Schlappen schlüpfen – durchaus in Kombination mit einem eleganten Kleid. Entspannter als in High Heels ist das allemal. Und wenn es auch nicht besonders schick aussieht, so doch wenigstens kreativ. Steve Jobs lässt grüßen.