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StilkolumneWann darf man im Restaurant eigentlich ungeniert mit den Fingern essen?

Lesezeit 3 Minuten
Fingerfood Getty Images

Ist es okay, hier einfach mit der Hand zuzugreifen?

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. Diesmal erklärt Vincent Moissonnier, wann es völlig okay ist mit den Fingern zu essen.

KölnIch war bei einer Freundin zum Waffelessen (mit Kirschen und Sahne) eingeladen. Während sie mit einer Gabel aß, benötigte ich die Gabel lediglich dazu, die Kirschen und die Sahne auf die Waffel zu bekommen, die ich dann aber in die Hand nahm. Wie ist es richtig? (Mathilde E.)

Gabeln sind eine ziemlich überflüssige Erfindung. Wofür haben wir schließlich unsere Finger? Man sagt, wir verdanken die Gabel dem französischen Königshof, wo Seine Majestät es leid war, mit den Fingern in die Fleischplatte zu greifen und sich dann seine schöne weiße Halskrause schmutzig zu machen.

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Vincent Moissonnier

Aber überlegen Sie mal, warum es früher für Kinder die eherne Regel gab (ich habe sie gehasst): Vor dem Essen Hände waschen! Ganz einfach, weil dann unerwünschte Schmutzpartikel und Bakterien beseitigt sind und man bei Tisch beherzt zulangen kann. Was jetzt noch biochemisch an den Fingern haftet, ist für die Verdauung eher förderlich. Ein weiterer Vorteil: Das Gehirn nimmt bestimmte sensorische Reize eines Gerichts wahr, noch bevor es den Mund erreicht: Heiß oder kalt? Feste oder weiche Konsistenz? Während die Speise auf der Gabel direkt in die Mundhöhle befördert wird, bringen die Finger sie vorher noch mit den Lippen in Berührung. Wieder erhält das Gehirn zusätzliche Informationen, der Stoffwechsel wird angeregt, Sie sind somit besser auf den Genuss vorbereitet.

Bestimmte Speisen, das behaupte ich jetzt mal, sollten Sie niemals anders essen als mit den Fingern: Pommes frites, mit der Gabel aufgespießt? Ein Hamburger, die Pizza, ein Spieß vom Grill, mit Messer und Gabel seziert? Das schmeckt doch einfach furchtbar! Waffeln übrigens auch. Überhaupt sollte alles, was auf Platten serviert, in die Mitte des Tisches gestellt wird, in einer vertrauten Runde mit den Fingern angefasst werden können.

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Beim Vorstellungsgespräch oder dem ersten Geschäftsessen mit einem Kunden würde ich zur Vorsicht raten. Aber als Gastgeberin haben Sie es ja buchstäblich in der Hand und können mit gutem Beispiel vorangehen. Nun gilt es am fremden Tisch oder in der Gastronomie als unschicklich, mit den Fingern zu essen. Ich würde aber sagen, da ist viel Snobismus im Spiel. Stattdessen bin ich der Meinung: Alles nur eine Frage des Wie! Wenn Sie grobschlächtig und plump zufassen, wirkt das schnell unappetitlich. Ein eleganter Griff nach einem Salatblatt hingegen kann etwas ausgesprochen Anmutiges haben.

Bei uns im Restaurant hätte ich nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Wenn wir Spießchen oder frittierte Kräuter servieren, ermutige ich unsere Gäste sogar und sage, „am besten, Sie nehmen dafür die Finger!“ Sie sollten mal sehen, wie die meisten sich darüber freuen. Ohnehin sind die Finger „erlaubt“, sobald eine Speise mit Besteck nur schwer zu essen ist. Krustentiere, Muscheln, Artischocken, Kleingeflügel oder Spareribs „dürfen“ Sie also mit den Fingern essen, ohne dass missbilligende Blicke vom Nachbartisch Sie auch nur eine Sekunde beschäftigen müssten. Im Gegenteil: Sie würden sich den Genuss einer Wachtel vermiesen, wenn Sie mit Messer und Gabel daran herumoperieren würden.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Kurz und gut: Essen Sie Ihre Waffel unbedingt mit den Fingern! Und wenn sie Ihnen besonders gut schmeckt, dann mit beiden Händen.

Aufgezeichnet von Joachim Frank