„Etwas türken“, „Fach-Chinesisch“Bin ich Rassist, wenn ich solche Ausdrücke verwende?
- Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
- Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
- Diesmal klärt Anatol Stefanowitsch die Frage, ob Bildworte wie „etwas türken“ oder „polnisch einkaufen“ genauso rassistisch sind wie „Zigeunersauce“.
Köln – Ein großer Lebensmittelhersteller hat gerade bekanntgegeben, dass seine „Zigeunersauce“ in Zukunft „Paprikasoße ungarischer Art“ heißen soll. Das kann ich nachvollziehen, da das Wort „Zigeuner“ oft in beleidigender Absicht verwendet wird. Aber was ist mit Wörtern und Redewendungen, in denen neutrale Herkunftsbezeichnungen in übertragener Bedeutung verwendet werden: „Fachchinesisch“, „das kommt mir spanisch vor“, „polnisch einkaufen“, „etwas türken“ – ganz zu schweigen von allem, was mit „französisch“ in Verbindung gebracht wird? Bin ich Rassist, wenn ich solche Ausdrücke verwende?
Mit den von Ihnen angesprochenen Redewendungen verhält es sich im Prinzip genau umgekehrt wie mit der „Zigeunersauce“: Die damit bezeichnete Sauce war und ist nichts grundsätzlich Schlechtes (obwohl das sicher auch Geschmackssache ist), aber die in ihrem herkömmlichen Namen verwendete Herkunftsbezeichnung ist herabwürdigend und mit Klischees über die bezeichnete Gruppe verbunden. Bei den genannten Redewendungen dagegen sind die Herkunftsbezeichnungen, wie Sie sagen, neutral, aber die bezeichneten Sachverhalte vermitteln herabwürdigende Klischees über die genannten Gruppen.
Bei vielen dieser Ausdrücke ist das offensichtlich. „Polnisch einkaufen“ bedeutet „stehlen“ und spielt auf ein weit verbreitetes Stereotyp von diebischen Polen an (man denke an Sprüche wie „Kaum gestohlen, schon in Polen“ oder die zahllosen Polenwitze mit diesem Thema). „Türken“ bedeutet so viel wie „vortäuschen“ oder „fälschen“ und stellt damit türkische Menschen als verschlagen und hinterlistig dar. „Spanisch vorkommen“ bedeutet in dieser Redewendung so viel wie „als seltsam erscheinen“ und drückt aus, dass mit Spanien und den Menschen dort irgendetwas nicht stimmt. Bei den Redewendungen mit Bezug zum Französischen geht es oft um Sex – es gibt den „französischen Kuss“ (Zungenkuss), man „macht es französisch“ (hat Oralverkehr), bekommt die „französische Krankheit“ (Syphilis) usw. Die Klischees sind hier mal vordergründig positiv (Menschen aus Frankreich werden als sexuell besonders raffiniert dargestellt), mal negativ (man unterstellt ihnen, Geschlechtskrankheiten zu verbreiten).
Die Redewendungen selbst sind also klar fremdenfeindlich bis rassistisch – auch dann, wenn sie nicht in böser Absicht, sondern aus Gedankenlosigkeit verwendet werden. Das macht diejenigen, die sie verwenden, zwar nicht unbedingt zu Rassistinnen und Rassisten, wohl aber zu Menschen, die rassistische Klischees weiterverbreiten. Wir sollten diese Redewendungen deshalb meiden – und das ist ja auch nicht schwer, da es jeweils neutrale und gängige Alternativen gibt.
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Mit dem Wort „Fachchinesisch“ ist etwas komplizierter. Es benennt zunächst nur die Tatsache, dass Fachsprachen für Außenstehende oft völlig unverständlich sind – eben wie das Chinesische, das (nicht ohne Grund) als besonders schwer zu erlernen gilt und das in Deutschland kaum jemand als Fremdsprache spricht. Allerdings hat auch dieses Wort einen negativen Beiklang. Es wird verwendet, um den Fachleuten – und im bildlichen Sinne eben auch den Chinesinnen und Chinesen – vorzuwerfen, sie würden sich nicht klar genug ausdrücken. Das ist vielleicht nicht rassistisch oder fremdenfeindlich, aber indem es eine Fremdsprache – wenn auch eine anspruchsvolle – als unzumutbares Hindernis für das Verstehen der Welt darstellt, ist es auf jeden Fall ziemlich provinziell.