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Verhalten bei Brand„Man hat nur 120 Sekunden, um eine brennende Wohnung zu verlassen“

Lesezeit 8 Minuten
Ein lichterloh brennender Adventskranz

Aus einem kleinen Adventsfeuer wird schnell ein großes. Wie verhält man sich dann richtig?

  1. Ein beliebter Artikel aus unserem Archiv.

Besonders in der Weihnachtszeit, wenn überall Adventskerzen flackern, kommt es häufig vor, dass ein Brand ausbricht und Menschen aus brennenden Wohnungen und Häusern geholt werden müssen. Rund 200.000 Brände gibt es pro Jahr in Deutschland. Aber wüssten Sie eigentlich, wie man sich verhalten sollte, wenn es in der eigenen Wohnung brennt – und was Sie auf keinen Fall tun dürfen? Wie rasend schnell sich der giftige Rauch eines Feuers ausbreitet? Und wie man Kinder auf den Ernstfall vorbereitet? Brandschutz-Experte Claus Romahn von der Feuerwehr Köln beantwortet die wichtigsten Fragen und räumt mit einigen Irrtümern auf.

Was sollte man als erstes tun, wenn man im Haus oder der Wohnung einen Brand bemerkt?

Claus Romahn: Wenn es in der eigenen Wohnung brennt, sollte man das Haus schnellstmöglich über eine Treppe verlassen und bitte niemals einen Aufzug benutzen! Wenn die eigene Wohnung nicht betroffen ist, der Treppenraum aber bereits verraucht ist, darf man die Wohnung nicht verlassen. Man muss dann in der Wohnung bleiben, weil es dort dann sicherer ist. In diesem Fall bitte zu einem Fenster oder auf den Balkon gehen und sich laut bemerkbar machen, bis die Feuerwehr eintrifft. Wenn möglich sollte man auf jeden Fall noch einen Notruf absetzen und darauf hinweisen, dass man im Gebäude eingeschlossen ist. Das ist für die ersten Einsatzkräfte sehr wichtig.

Claus Romahn

Claus Romahn ist seit 1989 Feuerwehrmann und bei der Feuerwehr Köln unter anderem zuständig für Schulungen zum Thema Brandschutz.

Wie schnell muss man denn die Wohnung verlassen können?

Was viele nicht wissen: Das Gefährlichste ist nicht das Feuer sondern der Rauch. Bei einem Brand wird ein extrem giftiger Rauch produziert. Weil das Mobiliar und die Baustoffe in modernen Wohngebäuden immer kunststofflastiger geworden sind, hat auch die Rauchentwicklung weiter zugenommen. Beim Brand eines Kühlschranks zum Beispiel wird etwa 1,5 Kubikmeter Rauch pro Sekunde produziert, ein 20-Quadratmeter-Raum ist so innerhalb von 30 Sekunden komplett mit Rauch gefüllt. In der Regel hat man nur 120 Sekunden Zeit, um eine brennende Wohnung zu verlassen – danach sinkt die Chance, noch unbeschadet herauszukommen.

Was passiert, wenn man längere Zeit dem Rauch ausgesetzt ist?

Es gibt einen alten Feuerwehr-Spruch, der besagt: „Drei Atemzüge reichen zum Sterben.“ Und das stimmt oft. Zuerst verliert man im Brandrauch die Orientierung, dann wird man relativ schnell bewusstlos und liegt in dieser toxischen Atmosphäre, die man alleine nicht mehr verlassen kann. Und dann braucht es nicht mehr lange, bis man verstirbt. In Deutschland gibt es bei rund 200.000 Bränden im Jahr etwa 500 Brandtote. Und die meisten davon sind Rauchtote.

Hat man Zeit, auf der Flucht nach draußen etwas mitzunehmen?

Viele Menschen wissen nicht, wie schnell es gehen muss. Sie suchen noch ihr Handy, Wertsachen und wichtige Unterlagen zusammen. Aber dafür reicht in der Regel die Zeit nicht mehr. Das einzige, was man mitnehmen sollte, wenn das ohne Umweg und ohne zu suchen möglich ist, ist der Wohnungsschlüssel. Das kann der Feuerwehr danach helfen, schneller in die Wohnung zu kommen.

Sollte man Fenster und Türen bei einem Brand öffnen oder schließen?

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Türen. Durch das Schließen der Türen kann ich sehr wirkungsvoll die Ausbreitung des Rauches verhindern. Die Rauchausbreitung bleibt im günstigsten Fall auf einen Raum beschränkt. Der Treppenraum bleibt rauchfrei und alle anderen Menschen können gefahrlos das Gebäude verlassen. Türen schließen ist daher sehr wichtig.Gibt es in einem Altbau Türen, die nicht dicht schließen und unter denen der Rauch durchquillt, kann man versuchen, die Spalten mit Handtüchern und Decken abzudichten.Die Fensterstellung ist dagegen nicht ganz so wichtig. Da man nur sehr wenig Zeit zur Verfügung hat, würde ich empfehlen, sich auf das Schließen der Türen zu beschränken.

Sollte man eigentlich selbst versuchen, den Brand vor Ort zu löschen?

Die wenigsten Menschen können einen Brand selbst bekämpfen. Wenn das Feuer gerade entsteht, zum Beispiel ein Adventskranz in Brand gerät, und eine Flasche Wasser oder eine Blumenvase in der Nähe steht, sollte man natürlich direkt löschen. Auch Decken können ein Hilfsmittel zum Löschen sein, sie sind aber nicht so effektiv wie ein Feuerlöscher.Das Problem ist, ein Brand trifft einen immer unvorbereitet. Es gilt, mit dem zu löschen, was im Zimmer oder Nachbarzimmer vorhanden ist. Da so wenig Zeit ist, gibt es nicht die Möglichkeit, in den Keller zu laufen, um den Feuerlöscher zu besorgen. Bis man diesen hochgeholt hat, schlagen einem die Flammen schon entgegen. Selbst einen Eimer mit Wasser volllaufen zu lassen, dauert zu lange. Wasser ist zwar überall vorhanden, aber für Laien im Notfall meistens nicht so gut nutzbar.

Qualm und ein rot blinkender Feuermelder

Plötzlich tönt der Feuermelder und Rauch verbreitet sich in der Wohnung – dann bleibt nur noch wenig Zeit...

Hilft es, im Brandfall auf allen Vieren zu kriechen?

Das kann in bestimmten Situationen helfen. Der Rauch steigt aufgrund der Thermik nach oben. Das heißt, Räume füllen sich immer von oben nach unten mit Rauch. Unten ist die Luft also besser, enthält weniger Schadstoffe und die Sicht ist klarer. Auf allen Vieren oder den Knien kann man dichtem Rauch so vielleicht ausweichen. Wenn es aber schon so weit ist, dass man zu diesem Mittel gezwungen ist, sollte man dringend raus kommen. Es hilft auch nichts, sich ein Tuch vor die Nase zu halten, das schützt nicht vor dem giftigen Rauch.

Es gibt ja Strickleitern zum Ausklappen – sollte man sich solche Hilfsmittel anschaffen?

In den USA sind diese Strickleitern verbreitet. Hier in Deutschland braucht sich aber niemand so etwas anzuschaffen, weil die Brandschutzauflagen sehr hoch sind. Es gibt ja unter anderem eine Rauchmelder-Pflicht in Wohngebäuden. Und Häuser werden so errichtet, dass es immer zwei unabhängig voneinander nutzbare Flucht- und Rettungswege gibt. Diese sind so gestaltet, dass Personen mit den Hilfsmitteln der Feuerwehr gerettet werden können.Bei Hilfsmitteln, die man sich selbst besorgt, besteht immer die Gefahr, dass man im Ernstfall nicht damit umgehen kann. Keiner übt ja die Bedienung einer solchen Strickleiter. Bitte auch keine Laken aneinander knüpfen und daran hinunterklettern.

Darf man im Zweifelsfall aus dem Fenster springen?

Nein, bitte nicht. Es passiert aber immer wieder. Ein Brand ist eine Ausnahmesituation und viele Menschen handeln aus Angst und springen panisch aus dem Fenster – und das sogar, wenn die Rettung unterwegs ist oder sie objektiv gar nicht in großer Gefahr sind. Manche springen auch, wenn wir gerade eintreffen. Die Angst beherrscht alles in dem Moment.

Was sagen sie dazu, wenn Nachbarn oder Passanten selbst zur Rettung schreiten?

Wir von der Feuerwehr können die Situation am besten einschätzen und wissen auch um die Gefahren. Grundsätzlich sind wir immer mit einer ausreichenden Anzahl von Rettungskräften vor Ort. Deshalb würde ich von Eigenaktionen abraten. Sobald Passanten und Schaulustige versuchen zu helfen, sind sie sich der Gefahr in der Regel nicht bewusst und das kann auch zu weiteren Unfällen führen.

Wie bereitet man Kinder auf eine Brandsituation vor?

Jedes Kind sollte eine Brandschutzerziehung bekommen und an das Thema Feuer herangeführt werden. Kinder sind meist fasziniert von Feuer und diese Neugier muss in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Wir von der Feuerwehr bieten in der Regel in der Kita oder der Schule eine Brandschutzerziehung an und schulen auch das pädagogische Personal. Und das ist sehr wichtig. Wenn Kinder nicht brandschutzpädagogisch geschult wurden, entwickeln sie im Brandfall oft Ängste und verstecken sich in Schränken oder unter Betten – sie versuchen sich Höhlen zu bauen. Das ist natürlich fatal.

Sollte man auch in der eigenen Wohnung so eine Feuerübung mit Kindern machen?

Das ist denkbar. Schon mit einem fünfjährigen Kind kann man besprechen, welche Notrufnummer es wählen muss. Wichtig ist auch die Info, dass das Kind auf jeden Fall einen Erwachsenen ansprechen sollte, gerade wenn das Feuer noch nicht bemerkt wurde oder im Kinderzimmer ausgebrochen ist.Eltern könnten zum Beispiel auch den Rauchmelder-Ton kurz anschalten, um zu demonstrieren, wie sich solch ein Alarm anhört. Und dann mit den Kindern durchspielen, was man tut, wenn das Signal ertönt: geordnet zusammen die Wohnung zu verlassen. Älteren Kindern kann man auch schon erklären, wann sie zum nächsten Fenster oder Balkon gehen und um Hilfe rufen sollen.

Es gibt Schilder, um Kinderzimmertüren zu kennzeichnen. Wie funktioniert das?

Wir nennen das „Kinderfinder“, das sind Aufkleber aus reflektierender Folie, die an die Kinderzimmertüre geklebt werden und den Rettungskräften das Auffinden von Kindern in der Brandwohnung erleichtert. Da Feuerwehrleute in der Regel in einer brennenden Wohnung kaum etwas sehen, sind diese Kinderfinder im unteren Drittel der Türe angebracht. Es empfiehlt sich, sie zusammen mit den Kindern anzubringen, weil man darüber gut mit ihnen ins Gespräch kommen kann, was im Brandfall zu tun ist.

Tipp: Fluchtwege kennen

„Es hilft grundsätzlich, sich vorher schon einmal Gedanken zu machen, welche Fluchtwege es gibt – gerade wenn man in einem großen Mietshaus mit mehreren Treppenräumen wohnt oder sich in einem Hotel aufhält“, sagt Claus Romahn.Die Fluchtwege müssten immer freigehalten werden, auch innerhalb der eigenen Wohnung. „Die Gehflächen sollten so breit sein, dass man im Notfall schnell aus der Wohnung heraus kommt. Zudem sollten die Türen ganz zu öffnen sein, es dürfen also kein Schirmständer, keine breite Kommode, kein Papierkorb oder kein Schuhregal davor stehen.“