Vererben und Vermachen werden oft in einen Topf geworfen, juristisch gesehen meinen sie aber vollkommen Verschiedenes. Wir erklären, worauf es ankommt.
Stiftung Warentest erklärtWas ist besser – Haus vererben oder Haus vermachen?
Nach dem Tod geht das Vermögen des Verstorbenen an dessen Erben – in der Regel. Denn neben dem Erbe gibt es weitere Möglichkeiten, Geld und Wertgegenstände bestimmten Personen zukommen zu lassen. Zum Beispiel als Vermächtnis. Doch was genau ist das, wann bietet es sich an und wie unterscheidet es sich vom Erbe?
Erbe: Auch Schulden und Verträge werden übernommen
Kurz gefasst, erklärt es die Stiftung Warentest so: Ein Bedachter hat bei einem Vermächtnis weniger Rechte, aber auch weniger Pflichten als bei einem Erbe. Denn bei einem Erbe werden nicht nur Geld, Wertgegenstände und andere Besitztümer weitergegeben. Sondern auch etwaige Verpflichtungen, wie zum Beispiel ausstehende Schulden. Aber auch für die Kündigung von laufenden Verträgen sind nach einem Todesfall die Erbenden verantwortlich. Bei mehr als einer Person werden sie zu einer Erbgemeinschaft, die alles gemeinsam entscheiden muss. Sie übernimmt rechtlich gesehen die Stellung der verstorbenen Person. Mit allen möglichen Vor- und Nachteilen.
Bei einem Vermächtnis geht es hingegen in der Regel nur um einen ausgewählten Teil des Nachlasses. Das können ein Geldbetrag, ein Wertgegenstand oder sogar Forderungen aus einem Schuldverhältnis sein. Und: Bedachte eines Vermächtnisses sind nicht Teil der Erbgemeinschaft, haben also keinerlei Verpflichtungen.
Das Erbe mit einem Vermächtnis gezielt verteilen
Das kommt Bedachten auch zugute, wenn sie ein Vermächtnis nicht annehmen möchten. Wer ein Erbe ausschlagen möchte, muss sich an bestimmte Fristen halten, hat nur sechs Wochen Zeit, es abzulehnen. Bei einem Vermächtnis hingegen besteht kein Grund zu Sorge oder Eile. Denn dieses muss, im Gegensatz zum Erbe, aktiv eingefordert werden. Wer kein Interesse am Vermächtnis hat, kann es auch einfach liegen lassen. Um Klarheit zu schaffen, sollte dies aber schriftlich festgehalten werden.
Auch hier gibt es einen Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis. Ein Erbe gibt es immer. Falls nicht anders in Testament oder Erbvertrag festgelegt, greift die gesetzliche Erbfolge, an letzter Stelle steht hier das Bundesland. Ein Vermächtnis hingegen kommt nur dann zustande, wenn es in Erbvertrag oder Testament ausdrücklich festgelegt wurde. Ein mündliches Versprechen genügt nicht.
Das Vermächtnis eignet sich also dazu, Bedachte von etwaigen Pflichten zu entbinden. Außerdem lässt sich das Vermögen so auch besser gezielt verteilen. Beispiel: Die Tochter bekommt das Haus, der Enkel das Auto. Auch besondere Erinnerungsstücke können gezielt weitergegeben werden.
So kommen Bedachte an ihr Vermächtnis
Unterschiede zwischen Erbe und Vermächtnis gibt es übrigens auch im Ablauf. Nach dem Tod geht das gesamte Vermögen an die Erbenden über. Auch alle Gegenstände und Geldbeträge, die für ein Vermächtnis vorgesehen sind. Ist beispielsweise eine Uhr per Vermächtnis für eine Freundin vorgesehen, wird diese nicht automatisch mit dem Tod der vererbenden Person zur Eigentümerin. Automatisch wandert sie zunächst in den Besitz von Erbin, Erbe oder Erbgemeinschaft.
Ohnehin erfahren mit einem Vermächtnis Bedachte oft erst bei der Öffnung des Testaments von ihrem Anspruch. Den müssen sie dann gegenüber den Erbenden geltend machen. Das ist auch formlos möglich, beispielsweise durch einen Anruf. „Ist das Verhältnis schwierig, rate ich aber zur Schriftform“, sagt Sybill Offergeld, Fachanwältin für Erb- und Familienrecht, gegenüber Stiftung Warentest.
Vermächtnis auch für Erben und Enterbte
Enterbung und Vermächtnis schließen sich nicht gegenseitig aus. Wer eine bestimmte Person von den Pflichten einer Erbgemeinschaft entbinden möchte, ihr aber trotzdem etwas hinterlassen möchte, kann dies mit einem Vermächtnis tun. Steht Enterbten dann neben ihrem Pflichtteil auch ein Vermächtnis zu, können sie durchaus beides einfordern. Allerdings kann der Anspruch auf den Pflichtteil entfallen. Das ist der Fall, wenn das Vermächtnis angenommen wird und es denselben oder einen höheren Wert als der Pflichtteil hat. Ist der Pflichtteil wertvoller als das Vermächtnis, besteht ein Anspruch auf die Differenz.
Allerdings gibt es einen Fall, in dem der Anspruch verschwindet. Oder sich zumindest verringert. Nämlich dann, wenn mit einem Teil des Vermächtnisses ein Pflichtteil bezahlt wird. Dieser steht Enterbten zu und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Der Wert des Vermächtnisses sinkt dann entsprechend. Erblasserin oder Erblasser können dies aber verhindern, indem sie in ihrem Testament anordnen, dass bestehende Pflichtbeträge keinerlei Auswirkungen auf das Vermächtnis haben sollen.
Deshalb kann es sich in bestimmten Situationen lohnen, das Vermächtnis auszuschlagen und den vollen Pflichtteil einzufordern, rät Stiftung Warentest. Zum Beispiel dann, wenn das Vermächtnis für die bedachte Person wertlos ist und sie nichts damit anfangen kann.
Nicht nur enterbten Personen kann ein Vermächtnis zustehen, auch Erbende können ein Vermächtnis bekommen. Gesetzlich wird das dann als sogenanntes Vorausvermächtnis bezeichnet. Dies ermöglicht es, auch Erbenden beispielsweise einen bestimmten Gegenstand zu vermachen oder sie zu bevorzugen. Das Vermächtnis wird nicht auf den Erbteil angerechnet. Von ihren Pflichten als Erbin oder Erbe werden die Bedachten eines Vorausvermächtnisses nicht entbunden.
Erbschaftsteuer: Vermächtnisse sorgen für mehr Freibeträge
In Sachen Erbschaftsteuer bildet das Vermächtnis keine Ausnahme: Sind bestimmte Freibeträge überschritten, wird die Steuer fällig – allerdings nur für den Betrag, der die Grenze überschreitet. Liegt das Erbe also nur knapp über dem Freibetrag, fällt die Steuer kaum ins Gewicht. Doch je größer das Erbe ist und je weniger Erbende es gibt, desto schneller sind die Freibeträge deutlich überschritten.
Wie hoch die Freibeträge sind, hängt vom Verwandtschaftsgrad der Bedachten ab. Sie liegen zwischen 20.000 und 500.000 Euro. Die höchste Grenze gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften, den niedrigsten Freibetrag haben Erbende ohne Verwandtschaftsverhältnis. Und auch die Steuerklasse, also der Steuersatz, hängt vom familiären Verhältnis zwischen den Bedachten und der verstorbenen Person ab. Hier gilt: Je enger man verwandt ist, desto weniger Steuern müssen für alles, was über dem Freibetrag liegt, gezahlt werden.
Wem wichtig ist, dass das eigene Vermögen möglichst wenig bis gar nicht besteuert wird, kann auf das Vermächtnis zurückgreifen. Es hilft dabei, Wertgegenstände und Geld auf möglichst viele Menschen zu verteilen. Und so viele Freibeträge auszunutzen, ohne gleich alle Bedachten zu Erben zu machen. Dabei bedenken sollten Vererbende jedoch, dass die Freibeträge für nicht verwandte Personen deutlich geringer und die Steuersätze deutlich höher sind.