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Phishing-AttackeGleich drei Betrüger wollten meine Babyschuhe auf Kleinanzeigen kaufen

Lesezeit 6 Minuten
Babyschuhe in rose, Nahaufnahme. Für Ratgeber-Geschichte zum Thema Betrug auf Kleinanzeigen

Diese schönen Babyschuhe will unsere Autorin auf Kleinanzeigen verkaufen. Leider interessieren sich nur Betrüger dafür.

Wer Klamotten oder Konzerttickets online weiterverkaufen will, bekommt häufig Phishing-Mails. Wie man sie erkennt – und was man tun kann.

Die rosa Babyschuhe waren ein Versehen. Im kalten Herbst letztes Jahr kauften wir sie kurzerhand. Nur, um ein paar Tage später festzustellen, dass wir ja fast die gleichen von der Cousine geerbt hatten. Also, kurzer Prozess: Schuhe fotografieren, netten Text schreiben, Preis angeben, Anzeige bei einer Secondhand-App reinstellen. Ohne Erfolg.

Diesen Herbst versuchte ich es erneut, gleiche Fotos, gleicher Text, gleicher Preis, andere Plattform. Und siehe da, innerhalb von wenigen Stunden meldeten sich gleich zwei Kaufwillige über „Kleinanzeigen“. Zwei Betrugsanfragen, wie sich herausstellte. Aber – obwohl ich total kritisch, um nicht zu sagen, ängstlich bin, was Internet-Verkäufe angeht – bemerkte ich das im ersten Moment nicht.

Betrüger nutzen „Sicher bezahlen“-Funktion von Kleinanzeigen

Ich hätte eine Anfrage für einen sicheren Verkauf erhalten, stand in der ersten Nachricht, der Käufer habe schon alles, inklusive Versand, bezahlt, ich müsse nur noch meine E-Mail-Adresse mitteilen und den Artikel reservieren. Dazu der vollständige Name der Käuferin sowie eine Adresse in Kassel. Und ein paar Minuten später meldete sich Ariane. Auch sie wollte die Schuhe haben, sei überrascht gewesen vom niedrigen Preis.

Sie teilte mir ihre Adresse in Augsburg mit und wollte meine Mail-Adresse haben, für die „sofortige Bezahlung“. Zunächst, das gebe ich zu, stellte sich ein Hochgefühl ein. Endlich wollten Leute die Schuhe haben, die nur sinnlos Platz in der Kommode einnahmen – und das auch noch ohne nervige Verhandlungen um den Preis. Die von Kleinanzeigen entwickelte „Sicher bezahlen“-Funktion hatte ich zwar noch nie genutzt, aber das konnte ja nicht so schwierig sein.

Sieht doch auf den ersten Blick ziemlich seriös aus, oder? Diese Nachricht erhielt unsere Autorin zu ihrem Inserat.

Sieht doch auf den ersten Blick ziemlich seriös aus, oder? Diese Nachricht erhielt unsere Autorin zu ihrem Inserat.

Doch dann wanderten meine Augen zu dem winzigen grünen Fenster oben im Bildschirm. Mit „Sicher bezahlen“ müsse ich niemals private Daten, wie meine E-Mail-Adresse, Telefonnummer oder Bankdaten mit Käufern teilen, erinnerte mich Kleinanzeigen. Und doch zweifelte ich noch – war das nun eine echte Verkaufsanfrage oder doch ein Betrug? Schließlich nutzt man bei dem Bezahldienst Paypal ja auch die Mailadresse. Außerdem standen da jeweils die Adresse und der volle Name der angeblichen Käuferinnen, die erste Antwort sah wirklich professionell aus und die zweite wie von einer Mama von nebenan, mit Rechtschreibfehlern und Smileys. Ich machte einen Screenshot und fragte eine Freundin nach ihrer Meinung. Wenn ich das jetzt so aufschreibe, ist mir natürlich sofort klar, was hier Sache war: Ich sollte in eine Betrugsfalle tappen. Ich tat das letztlich nicht, aber jedes Mal, wenn ich diese Geschichte erzähle, findet sich jemand, der eine ähnlich oder eine noch viel, viel schlimmere Erfahrung gemacht hat. Dazu später mehr.

Ein paar Grammatikfehler, nette Smileys – diese Nachricht könnte eine Mama von nebenan geschrieben haben.

Ein paar Grammatikfehler, nette Smileys – diese Nachricht könnte eine Mama von nebenan geschrieben haben.

„Es handelt sich hier um Phishing-Attacken“, erklärt Pierre Du Bois, Unternehmenssprecher des Portals Kleinanzeigen. „Die Betrüger versuchen an die Mailadresse zu gelangen und schicken fingierte Mails. Darin befinden sich Links, über die man auf gefälschte Seiten weitergeleitet wird.“ Denn das ist das Ziel: Die potenziellen Opfer vom Portal weglocken. Dort müsse man dann seine Zahlungsdaten eingeben, um die angebliche Zahlung zu empfangen. „Die Eingabe der Mail-Adresse ist bei ‚Sicher bezahlen‘ nie erforderlich und macht für uns ja auch gar keinen Sinn“, sagt Pierre Du Bois. Aber er gibt zu: „Manche Seiten sind so unglaublich gut gebaut und unserem Angebot nachempfunden, dass ich niemandem einen Vorwurf machen kann, der darauf hereinfällt.“

Und genau das ist meiner Freundin L passiert. Auch sie wollte sich eigentlich nicht auf die „Sicher bezahlen“-Methode einlassen, doch die angebliche Käuferin bat und bettelte, sie habe doch das Geld schon angewiesen, meine Freundin ließ sich erweichen, gab die Mail-Adresse raus, klickte auf den Link, gab ihre Kontodaten ein, alles ging so schnell, dann ploppte auch noch eine SMS auf, dass sie ihre Daten bestätigen müsste – und zack, auf einmal waren mehrere tausend Euro weg. Im Rückblick sagt sie, gab es nicht einen, sondern gleich mehrere Punkte, an denen sie es hätte merken können. Aber es ging eben so schnell. Sie erzählt von einer weiteren Bekannten, der ähnliches passiert ist und über deren Konto die Betrüger dann Flüge und Hotels für mehrere tausend Euro buchten. Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Screenshot des Warnhinweises, der bei Kleinanzeigen erscheint.

Mit diesem kleinen grünen Kasten warnt Kleinanzeigen davor, private Daten herauszugeben.

„Es ist wichtig, darüber zu reden, damit anderen Nutzern nicht dasselbe passiert“, sagt Pierre Du Bois. Doch was macht Kleinanzeigen selbst, um das Problem einzudämmen? Neben dem grünen Warnhinweis, den ich erhalten habe, ploppe ein knallroter Hinweis mit „Sicherheitsrisiko“ auf, sobald man seine Mailadresse oder Telefonnummer mit einem anderen Nutzer teilen will, erklärt Du Bois. Mitarbeiter von Kleinanzeigen werten die als Betrüger gemeldeten Nutzer aus, häufen sich die Beschwerden, versenden sie Mails an die Betroffenen. Auch ich bekam einen Tag nach der Sache mit den rosa Schuhen jeweils so eine Warnung aus dem Kleinanzeigen-Team. Doch im Zweifelsfall wäre es da ja längst zu spät gewesen. Außerdem hätten sie Filter eingerichtet, die auf spezielle Wortgruppen reagieren würden, um Betrüger rauszufiltern. „Doch die merken das sehr schnell und passen ihr Verhalten an“, sagt Du Bois. „Es ist ein Katz- und Mausspiel.“

So schützen Sie sich vor Betrügern auf Secondhand-Portalen

Vor einem guten Jahr seien die Betrüger auf SMS spezialisiert gewesen. Daraufhin entschied Kleinanzeigen, das Rufnummern-Feld zu streichen. Nur kurze Zeit später hatten die Verbrecher umgerüstet. Seitdem versuchen sie es über die Mailadresse. „Wir könnten das nur wirksam durchbrechen, wenn wir auf Kleinanzeigen das Versenden der Mailadresse unterbinden würden“, sagt Pierre Du Bois. „Aber dann würden wir den Nutzern auch die Freiheit nehmen, etwa über Paypal zu zahlen. Und das wollen wir nicht.“ Deswegen plädiert er dafür, die SHS-Regel einzuhalten, die Kleinanzeigen zusammen mit der Polizei entwickelt hat: Stoppen, Hinterfragen, Schützen. Sich nicht hetzen lassen, wenn eine Anfrage kommt. Hinterfragen, ob sie wirklich plausibel klingt. Und den Nutzer melden, wenn es ein Betrug ist.

„Die Betrüger bauen ordentlich Druck auf, geben sich als Soldaten oder Polizisten aus, schicken im Zweifelsfall Fotos von einem angeblichen Ausweis“, erzählt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg, die auf das Thema spezialisiert ist. Sie rät auf das Bauchgefühl zu hören. „Am sichersten ist es natürlich, die Ware abholen und sich bar bezahlen zu lassen. Ansonsten bleibt ein Restrisiko, so ist das bei Verkäufen im Internet.“ Wer, wie meine Freundin L, auf die Betrüger reingefallen ist, sollte schnellstmöglich die Bank kontaktieren – entweder, um Überweisungen möglicherweise noch zu stoppen oder die Kreditkarte sperren zu lassen. Man könne auch versuchen, das Geld über die Bank zurückzubekommen, sagt Rehberg. „Aber das ist in der Praxis nicht einfach. Gerade in Fällen, in denen man nicht nur seine Kreditkartendaten rausgegeben hat, sondern die Zahlung zudem per PIN oder TAN bestätigt hat, kommt es auf den konkreten Einzelfall an.“ Sie in jedem Fall dazu, Anzeige bei der Polizei zu erstatten – auch, wenn die Taten in den wenigsten Fällen aufgeklärt würden. Pierre Du Bois empfiehlt, sich mit dem Bezahlsystem, das man für Käufe und Verkäufe im Netz nutzt, einmal intensiv auseinanderzusetzen – um dann Abweichungen sofort zu bemerken.

Meine Babyschuhe wollte einen Tag später übrigens noch eine weitere Dame kaufen. Wieder eine Betrügerin, wie sich herausstellte. Eine ehrliche Anfrage habe ich dazu indes nie bekommen. Nun frage ich mich eigentlich nur noch, warum ausgerechnet rosa Babyschuhe so anziehend auf Verbrecher wirken.