Balkon, Grillen, NachtruheWas dürfen meine Nachbarn – und was nicht?
Köln – Die Corona-Pandemie hat nicht nur die Kernfamilie sehr eng zusammengebracht, auch unsere Nachbarn sind uns auf die Pelle gerückt. Nicht immer entstehen dadurch neue Freundschaften. So bestätigt der Mieterverein Köln, dass Streitigkeiten unter Hausbewohnern in der Corona-Pandemie zugenommen haben. Nicht verwunderlich, wenn alle so oft zu Hause sind. Der Nachbar qualmt mit seinen Zigaretten den Hausflur zu, die Nachbarin mäht den Rasen zur Unzeit, gegenüber wird sich nur noch vom kräftig rauchenden Grill ernährt. Und laut ist es ja sowieso irgendwie immer. Nicht wenige fragen sich: Dürfen die Nachbarn das eigentlich alles? Und: Wie lassen sich Konflikte lösen, ohne den Gartenzaun oder die Wohnungstür zur Front zu machen?
Damit Nichtigkeiten nicht eskalieren, empfiehlt der Mieterverein Köln erst einmal Ruhe zu bewahren und auf den oder die Nachbarn in einem freundlichen Ton zuzugehen: „Manchmal weiß der Nachbar oder die Nachbarin nicht mal, dass von ihm oder ihr eine Störung ausgehen könnte“. Doch nicht immer führt ein ruhiger Ton zum gewünschten Ergebnis, denn „oft ist völlig unklar, ob der eine Nachbar rücksichtslos ist oder der andere Nachbar übersensibel“, weiß auch der Mieterverein. Um aufkommende Konflikte erfolgreich lösen zu können, ist es ratsam, zu wissen, was denn eigentlich erlaubt oder verboten ist. Ein Überblick:
Lärm
Lärm sei eindeutig das Thema, das am häufigsten zu Streit unter Nachbarn führe, so der Mieterverein Köln. Auch unabhängig von Pandemie, Homeoffice und Quarantäne würden sich Streitigkeiten hinsichtlich dessen in der Vergangenheit häufen. Normale Verhaltensweisen sind in der Regel zu dulden. So lässt sich Trittschall beispielsweise nicht verhindern. Dieser muss hingenommen werden, urteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: I-3 Wx 115/07). Übertrieben werden sollte jedoch auch nicht. So untersagte das Landgericht Hamburg der Bewohnerin einer Mietwohnung, daheim hochhackige Schuhe zu tragen. Dies stelle eine „unzumutbare Lärmbelästigung“ für die Nachbarn dar (Az.: 316 S 14/09). Auch Streit lässt sich nicht immer verhindern, jedoch sollte es sich hier im Rahmen halten. Das Amtsgericht Bergisch Gladbach gab Nachbarn Recht, die sich gegen ein ständig streitendes Ehepaar gewehrt hatten (Az.: 64 C 125/00). Aber auch auf der anderen Seite der Emotionen darf es nicht zu laut werden. Nach Ansicht des Amtsgerichts Warendorf könne man vom „Nachbarn verlangen, dass dieser auch tagsüber lautes Stöhnen beim Sexualverkehr auf Zimmerlautstärke hält.“ (Az.: 5 C 414/97).
Im wahrsten Sinne des Wortes mehr Spielraum hat der Nachwuchs. Denn Kinderlärm ist grundsätzlich keine Lärmbelästigung und muss akzeptiert werden. Das bestätigte unter anderem das Amtsgericht Frankfurt (Az.: 33 C 2368/08). „Vielen scheint es nicht klar zu sein, dass der Lärm spielender Kinder in einem gewissen Umfang von jedem Hausbewohner hingenommen werden muss. Selbstverständlich dürfen Kinder in einer Wohnung spielen und dabei lachen, weinen und schreien“, so der Mieterverein. Einen blanken Freifahrtschein haben aber auch Kinder nicht. So schränkt das Landgericht Köln ein, dass die Eltern auch auf die allgemeinen Ruhezeiten achten müssen. (Az.: 6 S 403/07). Mitten in der Nacht muss Kinderlärm natürlich nicht hingenommen werden. Und auch außerhalb der Ruhezeiten darf Lärm durch Kinder nicht ins Unzumutbar abdriften.
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Werden die Kinder älter und lernen ein Instrument, werden die Regeln etwas strenger. Für Erwachsene gilt das natürlich ebenso. So muss das Musizieren täglich auf wenige Stunden beschränkt werden. Wie viele dies genau sind, hängt vom Instrument, dem Wochentag und letztendlich auch dem Einzelfall und somit auch dem Gericht ab. Die Beschränkung des Musizierens bezieht sich also nicht nur auf die Ruhezeiten. Übermäßiges lautes Musizieren kann sogar eine Mietminderung rechtfertigen.
Gerade in der Pandemie sind wohl auch mehr Menschen als zuvor auf die Idee gekommen, die eigenen vier Wände zu verschönern. Ganz geräuschlos ist das nicht immer, bis zu einem gewissen Maß muss auch das hingenommen werden. Gelegentliche Geräusche durch Renovierungs-, Verschönerungs- und Instandhaltungsarbeiten in der Nachbarwohnung sind grundsätzlich hinzunehmen. Diese Tätigkeiten fallen dabei in einen Topf mit gelegentlichem Bohren und Hämmern oder auch laufenden Staubsaugern und Waschmaschinen. Neben der Einschränkung „gelegentlich“ sind hier vor allem die Ruhezeiten zu beachten. Diese müssen eingehalten werden.
Im Optimalfall werden die Nachbarn natürlich im Vorfeld gefragt, wenn ungewöhnliche Arbeiten anstehen. Das gilt auch für lautere Musik und – wenn das irgendwann mal wieder geht – Partys. Allerdings rechtfertigt auch die vorherige Ankündigung einer Party keine Lärmbelästigung während der Ruhezeiten. Ein Recht, wenigstens einmal im Jahr eine lautstarke Party zu feiern, gibt es nicht.
Nachtruhe und andere Ruhezeiten
Zwischen einem riesigen Haufen an Abwägungen und Einzelfallentscheidungen sind sie der feste Anker, wenn es um die Belästigung durch Lärm geht: Ruhezeiten. Wohl am wichtigsten ist die Nachtruhe. Sie gilt zwischen 22 und 6 Uhr. In dieser Zeit sind natürlich nicht alle Aktivitäten grundsätzlich verboten. Allerdings muss die Lautstärke so gedämpft werden, dass sich niemand gestört fühlt. Das gilt auch für die Mittagsruhe. Die ist jedoch nicht einheitlich geregelt, kann von Stadt zu Stadt, sogar von Straße zu Straße abweichen. Wer die genaue Uhrzeit wissen möchte, muss sich in diesem Fall bei der Verwaltung der Stadt erkundigen. In der Regel gilt die Mittagsruhe aber von 13 bis 15 Uhr.
Grillen
Mit steigenden Temperaturen, schießt auch die Zahl der qualmenden Grills in Deutschland zuverlässig in die Höhe. Und das ist auch völlig in Ordnung. Egal ob im Garten, auf der Terrasse oder dem Balkon: Grillen ist grundsätzlich erlaubt. Zwei Ausnahmen gibt es jedoch. Die eine steht im Mietvertrag, hier kann das Grillen ausdrücklich verboten werden. Die andere ist die Rücksichtnahme. Zieht immer wieder Rauch in Nachbarwohnungen, kann das Grillen eingeschränkt werden. Eine feste Regelung für diese Einschränkung gibt es dabei nicht. Laut Amtsgericht Bonn ist das Grillen von April bis September einmal im Monat erlaubt (Az.: 6 C 545/96). Das Landgericht Stuttgart zieht die rote Linie dagegen schon bei sechs Stunden pro Jahr (Az.: 10 T 359/96). Wer öfter grillen möchte, sollte also noch mehr als ohnehin darauf achten, die Nachbarn dadurch nicht zu stören.
Balkon
Der Balkon gehört zur Wohnung – und darf dementsprechend auch so genutzt werden. Stühle, Bänke und Tische dürfen dort ebenso aufgestellt werden wie ein Sonnenschirm oder eine volle Wäscheleine. Auch Blumentöpfe und -kästen dürfen angebracht werden. Allerdings müssen sie, wie auch alles andere auf dem Balkon, so befestigt sein, dass sie auch bei starkem Wind nicht herabstürzen können. Hier hat der Gesetzgeber die Grenze gezogen: Dritte dürfen nicht gefährdet werden. Zudem dürfen die eigenen Freiheiten nicht die anderer beschneiden. So ist es beispielsweise nicht in Ordnung, wenn ständig Blüten auf den Nachbarbalkon fallen (Az.: 67 S 127/02), urteilte das Landgericht Berlin. Und auch beim Rauchen gibt es Grenzen. Sofern im Mietvertrag nicht ausdrücklich verboten, ist es auf dem Balkon zwar grundsätzlich erlaubt, aber nur solange, wie es die Nachbarn nicht übermäßig stört. Im Zweifel ist das eine Einzelfallentscheidung. Dasselbe gilt fürs Grillen.
Garten
Den eigenen Garten darf man gestalten, wie man möchte. Auch die hässlichsten Gartenzwerge müssen von den Nachbarn geduldet werden. Eine Grenze ist jedoch dann überschritten, wenn es sich um obszöne, beleidigende oder gar volksverhetzende Gesten und Symbole handelt. Dasselbe gilt für Fahnen. Wehen diese allerdings besonders laut im Wind, müssen Nachbarn das nicht unbedingt hinnehmen. Grundsätzlich geduldet werden muss hingegen ein Komposthaufen, wie das Amtsgericht Hersbruck (Az.: 9 C 1635/96) urteilte.
Bei Pflanzen gibt es ebenfalls keine Beschränkung – solange sie auf dem eigenen Grundstück bleiben. Wachsen sie über die Grundstücksgrenze hinaus, müssen sie eigenständig zurückgeschnitten werden, wenn die Nachbarn dies fordern. Hängt ein Ast der Nachbarn in den eigenen Garten hinein, darf auch selbst zur Säge gegriffen werden. Allerdings muss man eine Frist von einem halben bis einem Monat abwarten – es sei denn, die Pflanze blüht oder trägt Früchte. Dann muss mit dem Kürzen gewartet werden, bis die Blüte zu Ende oder die Ernte abgeschlossen ist. Dabei selbst Hand anlegen und die hinüberragenden Früchte selbst ernten, ist nicht erlaubt, obwohl sie über dem eigenen Grundstück hängen. Erst dann, wenn sie auf dem eigenen Grundstück zu Boden fallen, wechseln sie den Besitzer. Nachgeholfen werden darf dabei natürlich nicht, weder durch Schütteln, noch durch sonstige Beihilfe.
Wem in der Pandemie etwas langweilig geworden und das Rasenmähen oder andere laute Gartenarbeiten eine willkommene Abwechslung ist, sollte nicht übermütig an die Sache herangehen. Denn bei Geräten wie einem motorbetriebenen Rasenmäher müssen die Ruhezeiten eingehalten sowie die Sonntags- und Feiertagsruhe respektiert werden. Haben die Nachbarn es sich nach dem Mittagessen gerade draußen bequem gemacht, sollte man besser noch etwas warten, bevor man den Rasenmäher aufheulen lässt.
Rauchen
Das Rauchen ist ohnehin ein Thema für sich. In der eigenen Wohnung ist es im Normalfall erlaubt. Weder Vermietende, noch Nachbarn können dagegen vorgehen, falls nicht anders im Mietvertrag festgelegt. Das bestätigte der Bundesgerichtshof im Jahr 2006 (Az.: VIII ZR 124/05). Dieses Urteil stellt allerdings keinen Freifahrtschein dar. Denn auch hier gilt, dass die eigenen Freiheiten die anderer nicht beschneiden darf: „Raucher sind zur Rücksichtnahme verpflichtet, betont der Mieterverein. Werden Nachbarn durch Zigarettenrauch stark beeinträchtigt, können sie ihre Miete kürzen, urteilte das Landgericht Hamburg (Az.: 311 S 92/10). Das würde dann auf die Vermietenden zurückfallen. Wenn der Rauch der Nachbarn wesentlich stört, können auch gerichtlich feste Zeiten zum Rauchen festgelegt werden. Dies sei aber natürlich schwer festzustellen, so der Mieterverein.
Und auch finanziell können Rauchende zur Rechenschaft gezogen werden. Denn die Belastung für die Nachbarn sollte nicht nur beim Rauch selbst so gering wie möglich bleiben, sondern auch beim Aschen. Das Amtsgericht München verurteilte eine Raucherin in einem solchen Fall zu einer Zahlung von 3000 Euro Schadenersatz an die Nachbarn unter ihr. Jeder nachgewiesen weggeworfene Zigarettenstummel kostete 100 Euro (Az.: 483 C 32328/12).
Hausflur und Treppenhaus gehören im Gegensatz zum Balkon nicht zur Wohnung. Hier ist das Rauchen in der Regel untersagt. Auch aus der Wohnung in den Flur ziehender Rauch muss nicht geduldet werden und kann im Extremfall sogar zur Kündigung des Mietverhältnisses führen, wenn er den Hausfrieden beeinträchtigt, wie der Bundesgerichtshof 2015 entschied (Az.: VIII ZR 186/14).
Hausflur und Treppenhaus
Auch abgesehen vom Putzplan kann es im Treppenhaus drüber und drunter gehen. Hier ein Haufen an Schuhen und der viel zu große Kinderwagen, dort überdimensionale Blumenkübel und daneben auch noch Fahrräder. Wird es zu voll, kommt es zum Problem. Das Grundprinzip hierbei ist: Alles, was über die Grundnutzung hinausgeht, darf andere Mietende nicht beeinträchtigen oder gar gefährden. Die Grundnutzung von Hausflur und Treppenhaus ist dabei nicht mehr als der Zugang zur Wohnung. Zudem dienen sie als Fluchtweg, die im Ernstfall frei sein müssen. Was alles im Flur stehen darf und was nicht, lässt sich über eine Hausordnung regeln – mit einer Ausnahme: Gehhilfen wie ein Rollator oder ein Rollstuhl dürfen auch bei einem Verbot im Flur stehen, wenn sie gebraucht werden. So urteilte das Landgericht Hannover (Az: 20 S 39/05).
Kochen, Müll und andere Gerüche
Da mag die Suppe noch so lecker schmecken: Wenn es beim Kochen ständig im ganzen Haus stinkt, vergeht den Nachbarn gehörig der Appetit. Dagegen angehen können sie aber so gut wie kaum. Wenn im Haus Gerüche durch haushaltsübliche Tätigkeiten entstehen, sei es durch Kochen, Putzen oder Wäschewaschen, müssen die Nachbarn das größtenteils hinnehmen. Erst, wenn das sozial verträgliche Maß wesentlich überschritten wird, ist eine Grenze erreicht. Das ist auch der Fall, wenn Müll so lange gehortet wird, bis der Gestank im Flur ankommt.
Haustiere
Das Deutsche Mietrecht räumt Mietenden umfangreiche Rechte ein, was Haustiere betrifft. Die Mitbestimmung der Vermietenden ist sogar insoweit eingeschränkt, als dass die Haustierhaltung nicht generell verboten werden kann. Es muss immer eine Einzelfallabwägung geschehen. Das urteilte der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 168/12). Ergibt sich in dieser Abwägung, dass Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt würden, kann die Tierhaltung eingeschränkt werden.
Unzumutbar wird es beispielsweise dann, wenn Hühner und Hähne zu oft zu laut sind. So untersagte das Oberlandesgericht Celle die Hühnerhaltung, wenn deren Gegacker den Nachbarn unzumutbar belästige (Az.: 4 U 37/87). Laut Landgericht Hildesheim zählt auch der Hahnenschrei zur Unzeit dazu (Az.: 7 S 541/89). Lassen sich jedoch laut quakende Frösche im Nachbarsteich nieder, haben Nachbarn, die sich dadurch beeinträchtigt fühlen, keine guten Aussichten. Denn Frösche zählen als Amphibien zu den geschützten Arten.
Für Ärger kann aber nicht nur die Lautstärke eines Haustiers, sondern auch dessen Kot sorgen. Setzen Hunde, Katzen oder andere Tiere ihre Haufen ständig in den Garten, auf den Balkon oder gar in die Wohnung von Nachbarn, müssen die das nicht hinnehmen, bestätigte das Landgericht Bonn (Az.: 8 S 142/09). Die Tierhaltenden haben dafür zu sorgen, dass die Ausscheidungen der Tiere nicht im Garten der Nachbarn landen. Geschieht dies dennoch, können Gerichte dies als Ordnungswidrigkeit werten, da Hundekot Krankheitserreger enthalten kann und daher rechtlich als Abfall gilt.