Immer wieder sind einige Marken nicht in Supermärkten zu finden. Ein Experte erklärt, woran das liegt und was das in Zukunft für das Einkaufen bedeutet.
Mars, Kellogg's oder Coca ColaWarum einige Marken in den Regalen von Edeka, Rewe und Co. fehlen
Ob Kellogg’s Cornflakes, Coca-Cola oder der Schokoriegel von Mars: Beim Gang in den Supermarkt bleiben in letzter Zeit immer öfter einige Punkte auf dem Einkaufszettel offen. Es gibt Tage und Wochen, da sucht man eine bestimmte Marke vergeblich. Lücken in Regalen kennen Kundinnen und Kunden mittlerweile, doch das Fehlen bestimmter Markenprodukte hat in erster Linie nichts mit einer Pandemie oder einem Angriffskrieg zu tun. Der Grund liegt an anderer Stelle – und könnte sich noch lange auf den Lebensmitteleinkauf auswirken.
Am Ende geht es – wie so oft – um Geld. Die Inflation ist hoch, die Herstellung von Produkten, auch Lebensmitteln, wird teurer. Die Marken geben die höheren Preise an die Händler weiter, laut Statistischem Bundesamt waren Nahrungsmittel im September 7,5 Prozent teurer als im Vorjahr.
Gescheiterte Preisverhandlungen: Markenhersteller stellen Lieferungen ein
Doch hier ziehen einige nun die Bremse, Edeka tut das offensiv. Der Händler wirft einigen „international agierenden Konzernen der Markenartikelindustrie“ vor, unter dem Deckmantel der Inflation ihre eigenen Gewinne immer weiter nach oben zu treiben. Die Hersteller wollen mehr Geld kassieren, die Supermärkte nicht mehr bezahlen. Es gehe nur um monetäre Ziele, sagt Stephan Rüschen. Er ist Professor für Lebensmittelhandel.
Laut Rüschen kommt es in den Preisverhandlungen zwischen Marke und Supermarkt in letzter Zeit häufiger zur Patt-Situation. Und dann? Um ihre Preiserhöhungen trotzdem durchzusetzen, verhängten die Hersteller „immer häufiger einseitige Lieferstopps, sobald wir die neuen Preise nicht akzeptieren“, teilte Edeka auf Anfrage dieser Zeitung mit. Das Regal des betreffenden Produkts bleibt dann erstmal leer.
„Härte und Intensität sind neu“
Edeka ist allerdings nicht der einzige Händler, der zurzeit tendenziell eher eine Preiserhöhung ablehnt. Laut Rüschen soll es auch der Kölner Lebensmittelkonzern Rewe sein, der bei diesem Thema einen scharfen Kurs fährt. Auf Anfrage dieser Zeitung wollte sich Rewe nicht zu diesem Thema äußern. Ende des vergangenen Jahres hatte Rewe-Chef Lionel Souque sich jedoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur wie folgt geäußert: „Wir können und wollen die Preise nicht so stark erhöhen, wie die Industrie das fordert.“
Neben Edeka und Rewe auf Seite der Händler würden bei den Herstellern vor allem Kellog, Coca-Cola, Procter & Gamble sowie Masterfoods ihre Preisverhandlungen in letzter Zeit eskalieren lassen, wie Rüschen sagt. Der Experte beobachtet den Lebensmittelhandel seit 30 Jahren. In dieser Zeit habe es immer wieder bilaterale Probleme zwischen einzelnen Händlern und Herstellern gegeben. Aber „die Härte und Intensität der Auseinandersetzungen ist tatsächlich neu.“ Auch das Ausmaß der scheiternden Verhandlungen sei sehr ungewöhnlich.
Eigenmarken stärken die Position von Edeka, Rewe und Co.
Das Selbstbewusstsein, nicht jede Preiserhöhung mitzugehen, hat wohl auch mit den Eigenmarken der Supermärkte und ihrer Entwicklung zu tun. Darauf deutet auch ein Statement Edekas hin, laut dem „die Qualität der Eigenmarken nicht nur vergleichbar“, sondern „in vielen Fällen besser als die ähnlicher Markenprodukte“ sei. Wo die Alternative zum Markenprodukt stärker wird, verliert die Marke die Eindeutigkeit ihrer Vorherrschaft.
Mit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine haben die Eigenmarken laut Rüschen stark an Bedeutung gewonnen. Die beschleunigte Inflation trifft Verbraucherinnen und Verbraucher, „sie wollen beziehungsweise müssen beim Lebensmitteleinkauf sparen. Daher kaufen sie seit anderthalb Jahren zunehmend die Eigenmarken des Handels und verzichten auf die Markenartikel, die zum Teil doppelt so teuer wie die Eigenmarken sind“, erklärt der Professor für Lebensmittelhandel.
Der Erfolg ihrer Eigenmarken verleitet Supermärkte noch eher dazu, nicht auf die Preisforderungen der Hersteller einzugehen. Die allerdings haben wenig Spielraum, um auf die stärkere Position einzelner Händler einzugehen. Denn: „Ein Hersteller muss Preiserhöhungen bei allen Händlern durchsetzen, um erfolgreich zu sein. Wenn dann einzelne Händler Widerstand leisten, dann kann der Hersteller der Konfrontation nicht aus dem Weg gehen.“
Edeka gegen Kellogg's: Supermarkt schaltet das Kartellamt ein
Und das geschieht immer häufiger. Ein paar Beispiele: Zwischen Coca-Cola und Edeka hat es gekracht, bei Kaufland und Unilever ebenfalls. Auch Haribo und Lidl lagen mal im Clinch. Mars legte sich sogar mit Edeka, Netto, Rewe und Penny an. Den aktuell größten Streit gibt es zwischen Edeka und Kellogg's. Der Hersteller der berühmten Cornflakes hat sich mit dem Supermarkt verkracht. Und das, anders als in vielen vergleichbaren Fällen, sogar öffentlich.
Eine Preiserhöhung von 45 Prozent habe die Firma Kellogg's gefordert, erklärt Edeka. Begründung laut Spiegel: gestiegene Rohstoffpreise. „Wir wissen von unseren Eigenmarken, dass die Produktionskosten zwar leicht gestiegen sind, aber auf keinen Fall in dieser Höhe“, sagte Edeka dazu.
Kellogg's und Edeka konnten sich nicht einigen, der Hersteller stellte daraufhin die Belieferung ein. „Kellogg's lässt es bewusst auf eine Eskalation ankommen“, so Edeka. Experte Rüschen meint dazu: „Inwieweit die Preiserhöhungen gerechtfertigt und notwendig sind, lässt sich von außen schwer beurteilen.“
Mit dem Supermarkt Kaufland, der sich auf Anfrage nicht zu diesem Thema äußern wollte, waren die Verhandlungen hingegen erfolgreich. Das stößt Edeka sauer auf. Der Supermarkt wirft der Marke vor, das Angebot künstlich verknappen zu wollen, um so Preiserhöhungen einfacher und unbemerkter durchsetzen zu können. Mit diesem Verdacht hat Edeka sogar das Kartellamt eingeschaltet.
Gescheiterte Verhandlungen schaden Marke und Supermarkt
Die Eskalation zwischen Edeka und Kellogg's ist besonders heiß – obwohl sie für keine der beiden Seiten gut ist. Fehlen bestimmte Markenprodukte im Supermarktregal, „schadet das letztendlich sowohl Herstellern als auch Händlern“, sagt Rüschen. Aber: Das werde zugunsten potenzieller Erfolge in den Verhandlungen in Kauf genommen.
Allerdings landen die gescheiterten Verhandlungen in der Regel nicht vor dem Kartellamt. So teilte Edeka mit, man habe es durchaus „in den letzten Wochen geschafft, mit einigen Lieferanten, die einen Lieferstopp verhängt hatten, zu einer Einigung zu kommen.“
Experte: Vielfalt der Markenartikel wird abnehmen
Trotzdem bleibt der Eindruck, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft auf ihrem Einkaufszettel womöglich häufiger keinen Haken hinter die Produkte bestimmter Marken machen können. Neben den Eigenmarken wollen die Supermärkte laut Rüschen verstärkt regionale Produkte in ihren Regalen stehen haben. „Die großen Markenartikel-Hersteller stehen aber nicht für Regionalität.“ Er prognostiziert: „Diese beiden Entwicklungen führen dazu, dass die Markenartikel-Vielfalt im Regal abnehmen wird.“
Verlieren die Supermärkte damit auch ein kräftiges Argument gegenüber den Discountern? Schließlich werben diese oft mit ihrer großen Auswahl an Markenprodukten. „Ja, die Gefahr besteht. Denn ein Teil der Alleinstellung der Supermärkte ist die Markenvielfalt“, bestätigt Rüschen, schränkt aber auch ein: „Allerdings kann sich der Supermarkt auch durch Regionalität profilieren. Dies bekommen die Discounter nicht hin.“