Nie gewechselt40 Jahre beim selben Arbeitgeber – Urgesteine erzählen
Über Jahrzehnte beim selben Arbeitgeber zu sein, das ist heute seltener geworden. Es scheint, dass Firmen-Urgesteine eine rare Spezies sind. Doch es gibt sie natürlich: Die Menschen, die über unzählige Jahre ihrem Unternehmen treu geblieben sind. Vier von ihnen erzählen hier aus ihrem Berufsleben.
50 Jahre: „Auch mal abwarten und Leistung bringen“
Als Alberto Lombardo seine Ausbildung begann, war das Wembley-Tor noch kein historischer Streitfall, sondern aktuelles Thema. Es war 1966. Lombardo wurde bei der Firma Carl Freudenberg in Weinheim zum Industriekaufmann ausgebildet. Ein halbes Jahrhundert später, im Frühjahr 2016, ging Lombardo mit 66 Jahren in den Ruhestand. Seine Firma, die inzwischen Freudenberg Gruppe heißt, war dieselbe. Ihr war er 50 Jahre lang treu geblieben – sein ganzes Berufsleben.
Die Firma hat Lombardo immer wieder neue Karriereoptionen geboten. Er wurde Gruppenleiter in der Exportabteilung. Lombardo erschloss auf der ganzen Welt - von Nordamerika über Asien bis Australien – neue Märkte im Bereich Haushaltsprodukte. Mit Ende 20 begann er berufsbegleitend ein BWL-Studium. Seine Firma trug die Kosten. 1996 wurde er Geschäftsführer einer Gesellschaft des Unternehmens.
Die Karrieresprünge kamen nicht im Jahrestakt. Mancher Angestellte verliert die Geduld, wenn er gefühlt zu lange auf einer Position hängt. Lombardo nicht: „Es gilt, auch einmal abzuwarten und Leistung zu bringen“, sagt er. Die Chancen für neue Herausforderungen kämen schon – bei ihm kamen sie.
Lombardo sagt auch: Nicht nur die Karriere zählte. Das Arbeitsklima war ihm ebenfalls wichtig – und ein zweiter, zentraler Punkt für seine Treue. Denn in seinem Unternehmen habe eine familiäre Stimmung geherrscht. Er fühlte sich wohl. Lombardo habe immer mal mit ehemaligen Kollegen gesprochen, die nach dem Firmenwechsel ihre Positionen mitunter verbessern konnten. „Aber das Klima bei uns, das haben sie oft vermisst“.
34 Jahre: „Es fühlt sich an wie eine Familie.“
Wer seine aktuelle Chefin noch als Kind kennt, muss seiner Firma lange treu gewesen sein. „Sie war zwölf Jahre alt, als ich in den Betrieb kam“, erzählt Veronika Asam. Später war sie dann die Ausbildungsleiterin ihrer jetzigen Chefin. Sie sei verwurzelt mit dem Betrieb, sagt die Fleischereifachverkäuferin. „Es fühlt sich an wie eine Familie.“
Vor 34 Jahren zog Asam der Liebe wegen in die Nähe von Hattenhofen in Bayern, wo die Fleischerei Eberl ihren Sitz hat. Dort gibt es eine eigene Schlachterei, einen Verkauf sowie eine Gaststätte. Asam fing im Betrieb der Eberls an – und arbeitet bis heute dort. Neben einer Menge anderer Gründe sorgte auch ein praktischer Aspekt für ihre langjährige Treue: der kurze Arbeitsweg. Der beträgt nur drei Kilometer. Das lerne man zu schätzen, sagt sie.
Inzwischen hat die 64-Jährige ihr Pensum auf einen Mini-Job reduziert. Denn sie ist seit anderthalb Jahren in Rente. Die Kollegen seien froh, dass sie noch etwas weitermacht, sagt sie. Sie selbst ist es auch. Und ihre Kunden sowieso: Manche von ihnen fragen sie, wann sie wieder da ist – und kommen dann genau an dem Tag zum Einkaufen. Das sind kleine Gesten, die Asam freuen. „Wenn man seine Arbeit mit Hingabe und Begeisterung macht, kommt auch was zurück“, hat sie festgestellt.
44 Jahre: „Wo kann ick hier anfangen?“
Die Zeiten waren noch andere, als Bernd Blank bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) anheuerte. Vor der Wohnung seiner Mutter in Schöneberg sah er an der Litfaßsäule eine Werbung der BVG. „Kollege gesucht!“, stand da. Blank machte sich auf den Weg zu der angegebenen Adresse. Er kam zu Tür herein und fragte den Pförtner direkt: „Wo kann ick hier anfangen?“ Wenig später, nach einem 14-tägigen Lehrgang, saß er am Schalter im U-Bahnhof Wittenbergplatz und verkaufte Fahrkarten. Das war im Dezember 1972. Blank war damals 18 Jahre alt.
Nur Wochen später folgte der nächste Lehrgang zum Zugabfertiger. Fortan war der Bahnsteig sein Arbeitsplatz. Er sagte einfahrende Züge an, schloss die Türen des Zugs, wenn dieser bereit zur Abfahrt war. Im Sommer 1975, mit 21 Jahren, war Blank bereit für den nächsten Schritt. Er hatte das Mindestalter für Zugführer erreicht und absolvierte drei Monate lang die entsprechende Ausbildung. Seitdem sitzt er am Steuer von U-Bahnen und fährt durch den Untergrund der Hauptstadt. Zunächst auf der Linie der U9 zwischen den Stadtteilen Wedding und Steglitz sowie der U7 zwischen Spandau und Rudow.
Seit 1991 ist seine Stammlinie die U6 zwischen Tegel und Mariendorf. Rund 38 Minuten dauert eine Fahrt zwischen den Endstationen. Insgesamt neunmal pro Schicht fährt Blank diese Strecke. Maximal 70 km/h erreicht sein Zug da. Immer die gleiche Strecke: Wird das nicht langweilig? Blank ist ob dieser Frage fast ein bisschen verständnislos. „Nein“, lautet die klare Antwort. Er sieht seine Arbeit nicht als Job. Es sei eine Tätigkeit mit enormer Verantwortung. Über mehrere Stunden muss er konzentriert sein. Das kann zwar anstrengend sein, mache aber auch Spaß. Er schätzt zudem die kleinen Details. Etwa, wie die Flugzeuge über dem Flughafen Tegel einfliegen. „Das sieht im Zug keiner besser als ich.“
38 Jahre: „Abteilungswechsel sind fast kleine Firmenwechsel“
Ilona Becker ist in ihre Arbeit hereingewachsen. Verkäuferin, das sei nicht gerade ihr Traumjob gewesen, gibt sie zu. Aber im Hunsrück, wo Becker herstammt, gab es damals, Ende der 70er Jahre, nicht allzu viel Auswahl auf dem Ausbildungsmarkt. Sie machte die Lehre bei Rewe. Bis Ende der 80er Jahre arbeitete sie dann als Verkäuferin – bis sie ihren Lebensgefährten kennenlernte.
Der folgende Umzug nach Koblenz brachte den ersten Abteilungswechsel: Vier Jahre in der Großhandlung folgten. Eine Umstrukturierung im Unternehmen ließ sie dann in die Verwaltung wechseln, nach Hürth, in der Nähe von Köln. Dort arbeitete sie rund zehn Jahre als Sachbearbeiterin in der Logistik. Seit 2003 ist sie in der Personalabteilung.
In ihren fast 40 Jahren bei Rewe hat sie immer wieder neue Aufgabenbereiche gehabt: Jene Abwechslung sei sicher ein Grund, dass sie nie die Firma gewechselt habe, sagt sie. „Ein bisschen sind die Wechsel ja auch wie ein kleiner Firmenwechsel gewesen“, zieht die 54-Jährige einen Vergleich. Sicher gab es auch Zeiten, wo sie nicht zufrieden war, wie es gerade im Job lief. Doch Becker hat sich durch solche Phasen durchgebissen. Am Ende habe doch alles gepasst, sagt Becker. „Sonst wäre ich ja nicht geblieben.“ (dpa)
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