Wann ein Schreiben als eingegangen gilt, ist entscheidend für das Einhalten von Fristen. Zeit für ein paar rechtliche Veränderungen, findet Rechtsanwalt Martin Huff.
Frage an den AnwaltWie wehrt man sich, wenn Behördenpost zu spät ausgeliefert wird?
Auch in Zeiten der Digitalisierung versenden die Behörden Entscheidungen immer noch per Brief. Zu den Laufzeiten lautet das Versprechen der Deutschen Post AG, die jetzt als DHL Group firmiert: „E+1“. Das bedeutet: Einen Tag nach der Einlieferung sollen Briefe beim Empfänger sein. Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit zeigen indes, dass es mit dieser Zusage nicht weit her ist. Die Ursachen sind gewiss vielfältig, der Personalmangel mag ein Hauptgrund sein. Und immer wieder gewinnt man den Eindruck, dass die Zusteller Post „sammeln“. Aus eigenem Erleben kann ich berichten, dass ich nur dreimal die Woche Post bekomme, sowohl in der Kanzlei als auch privat, dann aber immer gleich viele Briefe, Zeitschriften und andere Sendungen zusammen.
Verspätungen bei der Zustellung behördlicher Bescheide sind besonders ärgerlich, wenn der Empfänger oder die Empfängerin dagegen Rechtsmittel einlegen will. Meistens hat man dafür zwei Wochen oder einen Monat Zeit. Diese Frist berechnet der Bürger oder die Bürgerin verständlicherweise ab dem Zeitpunkt, zu dem das Schreiben tatsächlich eingetroffen ist. Doch hier muss man sehr aufpassen.
Tückische Vorschrift: Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt am dritten Tag als bekannt gegeben
Im Verwaltungsverfahrensgesetz zu den Abläufen gibt es eine tückische Vorschrift: In Paragraf 41 heißt es, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe als bekannt gegeben gilt. Dabei ist es egal, ob die Zustellung durch die Deutsche Post oder einen privaten Anbieter erfolgt. Oft berufen sich die Behörden auf diese Vorschrift, wenn Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Ansicht zu spät Rechtsmittel einlegen.
Zwar heißt es auch, dass die besagte Vorschrift nicht gelte, wenn das Schreiben gar nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Grundsätzlich hat die Behörde dann nachzuweisen, dass und wann ein Schreiben dem Bürger zugegangen ist.
Doch oftmals behauptet die Behörde einfach, dass der Brief an die richtige Adresse gesandt worden und kein Postrückläufer zu verzeichnen gewesen sei. Dann müsse, so die Argumentation der Verwaltung, der Adressat glaubwürdig nachweisen, dass überhaupt und wenn ja, wann er ein Schreiben erhalten haben soll. Damit ist ein nervtötender, in vielen Fällen fruchtloser Streit programmiert.
Im Umgang mit Behördenpost sorgfältig dokumentieren, wann eine Sendung eingegangen ist
Wie soll man schließlich beweisen, wann man ein Schreiben erhalten hat? Vollends kurios wird es, wenn man beweisen sollte, ein Schreiben nicht erhalten zu haben. Bei verspätetem Eintreffen kann der Empfänger nur angeben, wann er die Post im Briefkasten hat. Eventuell hilft noch der Blick auf den Poststempel, denn oft vergehen innerhalb einer Behörde mehrere Tage vom Abfassen eines Schreibens bis zum Versand.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nun Partei für die geplagten Bürgerinnen und Bürger ergriffen: Nach Ansicht des Gerichts reicht zur Wahrung der Frist für ein Rechtsmittel aus, wenn man den Zugang eines Schreibens bestreitet oder beschreibt, wann der Bescheid eingegangen ist. Dann greift nicht die Fiktion im Gesetzestext, es zählt vielmehr der tatsächliche Zugang. Mühselig ist das alles trotzdem. Man sollte im Umgang mit Behördenpost jedenfalls sehr sorgfältig für sich dokumentieren, wann eine Sendung eingegangen ist.
Aber: Darf der Staat überhaupt so einfach zu Lasten des Bürgers einen verspäteten Einspruch als unzulässig zurückweisen? Ich meine nein. Die gesetzliche Regelung ist veraltet, sie gehört abgeschafft. Alternativen gibt es, und diese sind noch nicht einmal wesentlich teurer: So kann die Behörde als Versandform das Einwurfeinschreiben oder über das Schreiben mit einer Postzustellungsurkunde (gelber Umschlag) wählen. Dann ist die Zustellung an den Empfänger deutlich besser nachzuweisen. An moderne elektronische Übermittlungsformen wage ich dabei überhaupt nicht zu denken.
Wenn der Staat dem Bürger eine Entscheidung mitteilt, dann muss die zuständige Behörde den Zugang beweisen, nicht mehr und nicht weniger. Die Leipziger Richter sind also leider nur einen kleinen Schritt gegangen. Sie glauben dem Bürger nur „in der Regel“, Ausnahmen sind also immer möglich – und leider weiß man nie, wie ein Richter dies sieht. Ausreichend ist die Leipziger Entscheidung also noch nicht.
Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de