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Sinkende AktienkurseSind meine Ersparnisse oder die Altersvorsorge jetzt gefährdet?

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Die DAX-Kurve im Handelssaal der Frankfurter Wertpapierbörse stellt fallende Kurse dar.

Köln – Putins Krieg in der Ukraine und die Folgen der Sanktionen gegen Russland sind mittlerweile auch im Portemonnaie der Verbraucher und Verbraucherinnen angekommen. Das sorgt nicht nur an der Tankstelle oder im Supermarkt für Sorgen. Denn viele Menschen sind wegen der Turbulenzen am Aktienmarkt auch besorgt um ihre Ersparnisse. Doch was bedeuten die aktuellen Börsenkurse für persönliche Ersparnisse oder die Altersvorsorge? Wie sollten Anleger und Anlegerinnen reagieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was bedeuten die fallenden Börsenkurse für persönliche Anlagen? Sollten ich meine Aktien jetzt besser noch schnell verkaufen?

Wer Geld in Aktien angelegt hat, dürfte beim Blick auf die Kursentwicklung an den internationalen Börsen dieser Tage ein mulmiges Gefühl im Bauch haben. Thomas Hentschel, Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW, rät Anlegern und Anlegerinnen Ruhe zu bewahren: In der Vergangenheit haben sich kriegerische Auseinandersetzungen meist nur kurzfristig auf internationale Börsen ausgewirkt.“ Wie die aktuelle Entwicklung an den Börsen weiter gehe und wie sich die Sanktionen auf die Wirtschaft „auch nach einer hoffentlich baldigen Beendigung des Krieges auswirken, kann nicht eingeschätzt werden“, so Hentschel.

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Thomas Hentschel ist Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale NRW

Er rät daher davon ab, Aktien jetzt zu verkaufen: „Panik bei fallenden Börsen ist noch nie ein guter Ratgeber gewesen.“ Anlagen in Aktien oder Investmentfonds sollten ohnehin immer langfristig ausgerichtet sein, um Schwankungen zu berücksichtigen, erklärt der Finanzexperte. „Mit eiligen Entscheidungen läuft man Gefahr, Verluste zu realisieren und langfristige Strategien zu gefährden.“

Gerade in der jetzigen unübersichtlichen Lage sei es nicht möglich, die weiteren Entwicklungen vorherzusehen. Hentschel warnt daher: „Häufiges Handeln auf Basis des aktuellen Nachrichtengeschehens verursacht zusätzliche Kosten und birgt das Risiko geringerer Renditeaussichten.“ Auch unabhängig davon, ob diese Entscheidung sich als richtig herausstelle, kosteten die Transaktionen erneut Gebühren.

Wenn man die ungewisse Situation dennoch nicht aushalten könne, rät der Experte, die eigene Anlagestrategie grundlegend zu überdenken oder neu auszurichten. Doch auch bei der Entscheidung für risikoärmere Anlageoptionen gelte es, zu bedenken, dass der Verkauf von Aktien zum jetzigen Zeitpunkt Verluste bedeute. Angesichts der niedrigen Zinsen etwa auf Tages- und Festgeldkonten müsse man außerdem negative Realzinsen in Kauf nehmen.

Was sollte ich beachten, wenn ich Anlagen für meine Altersvorsorge besitze, zum Beispiel in Form von Fonds oder ETFs. Ist meine Altersvorsorge jetzt gefährdet?

In dieser Frage hat Thomas Hentschel erstmal gute Nachrichten: „Die in Deutschland vertriebenen Aktienfonds sind nur mit sehr geringem Anteil in russische Papiere investiert.“ Das habe das Analysehaus Morningstar mit Stand 31. Januar 2022 gemeldet. Konkret beziffere die Analyse den Anteil russischer Aktien der in Europa vertriebenen Investmentfonds oder ETFs auf 0,27 Prozent. Das seien Hentschel zufolge 32,8 Milliarden Euro des Gesamtvolumens von 12 Billionen Euro. „Aktuelle Kursrückgänge bzw. -schwankungen solcher Fonds sind daher nicht von den deutlichen Verlusten russischer Aktien bestimmt, sondern durch die allgemeine Verunsicherung und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf westliche Unternehmen“, erklärt der Finanzexperte.

Es gebe allerdings auch Fonds und ETFs mit hohen russischen Anteilen. Dabei handele es sich in erster Linie um Emerging-Market-Funds (Schwellenländerfonds), Russia-Funds (Russlandfonds), BRIC-Fonds (Brasilien-Russland-Indien-China-Fonds) und Eastern-Europe-Funds (Osteuropafonds). Diese seien zwischen drei und 68 Prozent in russische Wertpapiere investiert. Für Osteuropa- und Russlandfonds habe zum Beispiel JP Morgan Asset Management die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, erklärt Hentschel. „Es wird erwartet, dass andere Anbieter dem folgen.“ Anleger und Anlegerinnen, die in solche Fonds und ETFs investiert haben, können aktuell nicht über ihr Vermögen verfügen. „Über die Situation nach der Krise kann nur spekuliert werden“, so der Experte.

Anleger und Anlegerinnen, die hingegen auf weltweit investierende Fonds und ETFs gesetzt haben, sollten die Krise aussitzen und nicht überstürzt kündigen oder Sparpläne aussetzen, rät Hentschel. Denn: „Anlagen in Aktienfonds sollten immer langfristig sein und Schwankungen, auch in Krisen, berücksichtigen. In der Vergangenheit haben sich die Aktienkurse nach Krisen – 2007 Weltfinanzkrise, 2011 Eurokrise, 2015 China-Krise und 2020 Corona-Krise – relativ schnell erholt.“ Eine solche Erholung könne einige Monate, aber auch zwei oder drei Jahre dauern.

Und was ist, wenn ich das Geld bald benötige?

Auch in diesem Fall rät der Finanzexperte Thomas Hentschel zu Vorsicht. Zum einen würden Anleger und Anlegerinnen, die weltweit investierende Aktienfonds oder ETFs wie zum Beispiel den MSCI World Index im Depot haben, von der Krise nur in geringem Maße betroffen sein. Und zum anderen sollte die Entscheidung, Sparpläne auszusetzen, wohl überlegt sein. „Wer sein Vermögen breit gestreut hat – und das sollte eine Anlage in weltweit investierende Fonds oder ETFs sein – der hat mit einem Anlagehorizont von mindestens 15 Jahren in der Vergangenheit keine Verluste zu verzeichnen.“

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Da die Entwicklung für morgen oder übermorgen nicht eingeschätzt werden könne, sei es schwierig einen Rat zu geben, was Menschen tun sollten, die kurzfristig auf Kapital angewiesen sind. „Überlegen kann man, wie man strategisch vorgehen kann“, sagt Hentschel. Wenn man zum Beispiel in einem Jahr Kapital zur Aufstockung der privaten Altersvorsorge benötige, könne man einen Betrag in dieser Höhe „flüssig“ machen. „Der Restbetrag wird sich dann bei Erholung der Märkte wieder positiv entwickeln.“ Kurzfristig sollte dieser Betrag auf einem Tagesgeldkonto, trotz geringer Zinsen und der zur Zeit hohen Inflation von knapp fünf Prozent geparkt werden. Das sollte man allerdings nur tun, wenn man das Geld in nächster Zeit tatsächlich braucht.

Welche Alternativen gibt es, um mein Geld einigermaßen sicher anzulegen? Was taugen Kryptowährungen, Gold oder das gute alte Sparbuch?

Die aktuell niedrigen Zinsen verbunden mit der hohen Inflation machen sichere Geldanlagen wie Tagesgeld, Festgeld, Sparbrief oder das gute alte Sparbuch unattraktiv. „Mit sicheren Geldlagen macht man daher in der Praxis einen realen Verlust“, bestätigt der Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW. Viele Anleger und Anlegerinnen suchen daher nach Alternativen, um trotz der Inflationsrate von aktuell circa fünf Prozent Gewinne zu erzielen.

Doch welche lohnen sich tatsächlich? „Es gibt ‚typische Geheimtipps‘, die in echten oder vermeintlichen Krisenzeiten oft verstärkt nachgefragt werden, weil man sich Werterhalt erhofft“, so Hentschel. Ein Beispiel sei physisches Gold in Form von Barren oder Münzen. Doch das bringe auch einige Probleme mit sich, erklärt der Fachmann: „Dividenden oder Zinsen gibt es dabei nicht. Kurs- und Währungsgewinne sind die einzige Möglichkeit, an Gold zu verdienen. Ferner muss man berücksichtigen, dass das physisches Gold sicher aufbewahrt werden sollte, was Kosten verursacht.“ Er rät daher, nur fünf bis maximal zehn Prozent des Vermögens in physisches Gold zu investieren.

In den letzten Jahren fällt auch immer öfter der Begriff Kryptowährungen wie Bitcoin, wenn es um alternative Anlagemöglichkeiten geht. Aus Sicht der Verbraucherzentrale NRW fallen diese allerdings unter die Kategorie „Spekulation“ und eignen sich nicht für eine strategische Geldanlage. „Niemand weiß, wie sich der Kurs einer Kryptowährung in Zukunft entwickeln wird. Viele Kryptowährungen zeichnen sich unter anderem durch große Kursschwankungen aus, d.h. es sind in kurzer Zeit hohe Gewinne, aber eben auch riesige Verluste bis hin zum Totalverlust denkbar“, erklärt Thomas Hentschel. Zudem seien Kryptowährungen kein gesetzliches Zahlungsmittel. Wenn man sie trotz der damit verbundenen Risiken kaufen wolle, sollte man außerdem sehr vorsichtig sein, warnt der Experte, da „nicht alle Anbieter seriös sind und auf Trading- und Handelsplattformen leider auch Betrüger unterwegs sein können.“