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Mehr Netto auf dem KontoWie man den weggefallenen Soli-Beitrag klug anlegen kann

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Der Wegfall des Soli-Beitrags beschert fast allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ein Einkommensplus – wie man es sinnvoll ansparen kann (Symbolbild).

Köln – Der ein oder andere mag beim Blick auf den Kontoauszug positiv überrascht gewesen sein, weil seit Beginn des Jahres mehr Gehalt als üblich auf dem Konto eingegangen ist. Der Grund für den Geldsegen: Seit Januar müssen die meisten Steuerzahler keinen Solidaritätszuschlag mehr zahlen. Der Soli-Beitrag wurde nach der Wiedervereinigung eingeführt, um die damit einhergehenden Kosten zu bezahlen. 5,5 Prozent mussten seitdem zusätzlich zum Lohnsteuerbeitrag gezahlt werden. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Gothaer-Versicherung wollen mehr als die Hälfte der Bundesbürger das Einkommensplus sparen. Wir zeigen, wie man herausfindet, wie hoch die eingesparte Summe überhaupt ist und wie man die in Zeiten von Niedrigzinsen sinnvoll anlegen kann.

Wer das Einkommensplus anlegen möchte, sollte zunächst herausfinden, wie viel er durch den Wegfall des Solidaritätsbeitrags einspart. Rund 90 Prozent der Steuerzahler müssen den Soli nicht mehr zahlen. Nur Singles mit einem zu versteuernden Einkommen von über 96.409 Euro und Verheiratete mit mehr als 192.818 Euro müssen noch den vollen Beitrag abführen. Ob und wie viel Steuerzahler durch den Wegfall des Soli-Beitrags sparen, können sie mit einem Online-Rechner des Bundesfinanzministeriums herausfinden. Die jährliche Summe kann relativ hoch ausfallen: Ein verheiratetes Paar mit einem gemeinsamen Einkommen von 120.800 Euro im Jahr und zwei Kindern hätte demnach knapp 1.000 Euro netto mehr auf dem Konto. Ein Single mit einem Einkommen von 31.200 Euro kann sich über rund 200 Euro mehr Netto im Jahr freuen.

Lohnt es sich, in Zeiten von Niedrigzinsen den Soli-Beitrag zu sparen?

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Martin Reuter, Finanzexperte

Natürlich lohne es sich, das zusätzliche Geld in der Kasse anzusparen, sagt Martin Reuter, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale in Köln. Bevor das Einkommensplus vorschnell in festangelegte Finanzprodukte oder als Altersvorsorge angespart wird, sollten Verbraucher ihre persönliche Situation und die finanzielle Lage genau prüfen. „Habe ich meine ganzen Ersparnisse als Altersvorsorge in starren Produkten angelegt, kann ich im Fall der Fälle nicht auf einen Notgroschen zurückgreifen.“ Martin Reuter empfiehlt deshalb eine Sicherheitsreserve, um bei einem finanziellen Engpass nicht sofort Kredite aufnehmen zu müssen. Diese Rücklage sollte drei bis fünf Nettogehälter betragen. Heißt bei einem Nettogehalt von 1.960 Euro sollte man zwischen 5.880 und 9.800 Euro als Erspartes beiseitelegen. „So eine Reserve sollte auf einem Tagesgeldkonto angelegt werden, auch wenn es nicht so hohe Zinsen gibt. Denn: So ist das Geld ohne Risiken angelegt und Verbraucher können im Notfall sofort darauf zugreifen.“

Wie lege ich mein Geld an, wenn ich mir ein Haus oder eine Eigentumswohnung kaufen möchte?

„Wer eine Immobilie kaufen will, braucht ein sehr hohes Eigenkapital – am besten mindestens rund 30 Prozent der Gesamtkosten bestehend aus Kaufpreis und Kaufnebenkosten.“ Kostet ein Haus beispielsweise 600.000 Euro plus 72.000 Euro Kaufnebenkosten, sollten 202.000 Euro Eigenkapital angespart werden. Darüber hinaus müssen noch Gelder für Umzug, neue Möbel oder nötige Renovierungen vorhanden sein. Um eine so enorme Summe anzusparen, eignen sich Tagesgeldkonten, Festgeld, ein Banksparplan oder bei jungen Menschen unter Umständen auch ein Bausparvertrag, sagt Reuter. „Risikoreiche Produkte, die Kursschwankungen unterlegen sind, empfehlen sich auch in Zeiten von Niedrigzinsen bei einem solchen Vorhaben nicht.“

Was können Verbraucher tun, wenn sie für ihr Alter vorsorgen möchten?

Wer in einer soliden finanziellen Situation ist, könne den eingesparten Soli-Beitrag gut für die Altersvorsorge nutzen. Der Experte rät aber dringend: „Ob Basis-Rente, Riester-Rente oder betriebliche Altersvorsorge – Verbraucher sollten sehr gut prüfen, ob und in welchem Maße staatlich geförderte Altersvorsorge für sie sinnvoll sein kann, bevor sie langfristig bindende Verträge abschließen.“ Ob jemand 30, 40, 50 oder 60 Jahre alt ist, beeinflusse auch, was für die Vorsorge sinnvoll ist. Eine Riester-Rente lohne sich erst ab einer Förderung von mindestens 35 Prozent – am meisten für Menschen mit Kindern. Ein Beispiel: Ein Ehepaar hat zwei Kinder (ab 2008 geboren), für die es je 300 Euro Kinderzulage plus 175 Euro Grundzulage pro Jahr auf einen Vertrag bekommt. In den meisten Fällen sollte bei Ehepaaren mit Kindern nur derjenige Partner mit dem niedrigeren rentenversicherungspflichtigen Einkommen die Riester-Förderung nutzen. Denn: „Je geringer das versicherungspflichtige Renteneinkommen ist, desto niedriger ist die Summe, die in den Riester-Vertrag eingezahlt werden muss, um die vollen Grund- und Kinderzulagen zu bekommen.“ Es bedarf trotzdem aber immer einer individuellen Betrachtung.

Beratung zu Geldanlage und Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale NRW

Für kurze Fragen gibt es immer mittwochs, 11-13 Uhr, eine Telefon-Sprechstunde unter 0900/1 89 79 62 (1,81 €/Minute aus dem deutschen Festnetz).

Wer sich ausführlich beraten lassen möchte, kann ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen. Es dauert 90 Minuten und kostet 165,72 Euro. Termine bei der Beratungsstelle in Köln, Frankenwerft 35, 50667 Köln, können normalerweise hier vereinbart werden. Wegen der aktuellen Lage in der Corona-Pandemie können momentan keine Beratungsgespräche vor Ort durchgeführt werden.

Die freiwillige betriebliche Altersvorsorge in Form der Bruttoentgeltumwandlung wirke auf viele Arbeitnehmer sehr attraktiv, doch Reuter warnt: „Die Nachteile der betrieblichen Altersvorsorge in Form der Bruttoentgeltumwandlung sind exorbitant.“ In der Ansparungsphase sparen Arbeitnehmer Steuern und Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge, doch im Alter müsse die Rente aus der betrieblichen Altersvorsorge voll versteuert und Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, bis auf überschaubare Freibeträge, in voller Höhe gezahlt werden. Zudem wird die gesetzliche Rente merklich geschmälert. Heißt: „Der gesparte Soli-Beitrag ist in der betrieblichen Altersvorsorge nur gut angelegt, wenn der Arbeitgeber in der Ansparphase mindestens 30 Prozent, besser deutlich mehr, dazu gibt.“ Für viele Verbraucher lohnen sich diese staatlich geförderten Produkte nicht und sie sollten zum Beispiel in Fondssparpläne investieren. Ratsam sei es dabei, auf eine breite Streuung zu achten und das Geld lange anzulegen, um Kursschwankungen auszugleichen. Eine gute Möglichkeit böten ETFs.

Kann ich freiwillig in die gesetzliche Rente einzahlen?

„Die gesetzliche Rente ist immer noch eine gute Vorsorge, um eine lebenslange Rente zu bekommen“, sagt Reuter. Wer rentenversicherungspflichtig ist, habe zwei Möglichkeiten, freiwillig in die gesetzliche Rente einzuzahlen: „Junge Menschen können für Schulzeiten zwischen dem 16. und 17. Lebensjahr und für Studienzeiten über acht Jahre bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres Beiträge nachzahlen.“ Das könne sich in manchen Fällen lohnen, was mit der Deutschen Rentenversicherung zu klären ist. Ab Vollendung des 50. Lebensjahres können Verbraucher eine sogenannte Ausgleichszahlung an die Deutsche Rentenversicherung leisten. Das funktioniert so: „Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt bei ab 1964 Geborenen bei 67 Jahren. Wer vier Jahre früher in Rente gehen möchte, und das geht nur unter bestimmten Bedingungen, muss 14,4 Prozent Abschlag auf die Rente zahlen, die er bis zum 63. Lebensjahr erwirtschaftet hat. Diesen Abschlag kann man ausgleichen. Stellt man also mit 50 Jahren den Antrag für die Ausgleichszahlung, hat man bis zum 63. Lebensjahr Zeit, Geld freiwillig einzuzahlen.“ Die Versicherten sind aber nicht verpflichtet, mit 63 Jahren in Rente zu gehen, sondern können trotzdem mit 67 Jahren in Rente gehen und erhalten so eine höhere Rente. „Das kann vor allem für Menschen ab 50 Jahren attraktiv sein, die ein hohes zu versteuerndes Einkommen haben, da sie die freiwilligen Einzahlungen in die Rentenversicherung steuerlich absetzen können. Auch hierzu, insbesondere zu den erforderlichen Voraussetzungen, berät die Deutsche Rentenversicherung.“

Ist es als Hauseigentümer eine gute Idee, in meine Immobilie zu investieren?

Wer Eigentümer einer Immobilie ist, kann Erspartes auch in die energetische Modernisierung stecken. Das spart langfristig Kosten. „Es eignet sich wohl eher für Eigentümerinnen und Eigentümer, die wissen, dass sie in dem Haus wohnen bleiben möchten.“ Ob die Investitionen durch einen frühzeitigen Verkauf wieder reingeholt werden können, sei ungewiss. sagt Reuter.

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Ich möchte den eingesparten Soli-Beitrag lieber spenden. Wie erkenne ich seriöse Organisationen?

Wer sicher gehen möchte, dass sein Geld bei echten Wohltätern landet, kann sich an Siegeln orientieren. Die Stiftung Warentest stuft das Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) als sehr aussagekräftig ein. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich außerdem auf der Webseite der Organisation umsehen, dort sollte über Projekte informiert und Jahres- und Finanzberichte veröffentlicht werden. Wichtig sei auch, dass Kontaktdaten veröffentlich werden, damit sich Spender noch genauer informieren können. Eine seriöse Organisation sollte nicht mehr als 30 Prozent des eingenommenen Geldes für Verwaltung und Werbung ausgeben.