Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
Diesmal beschäftigt sich Eva Reik mit roten Krawatten – und erklärt, warum sie nicht zwischen Sakko und Hemd, sondern in den Kleiderschrank gehören.
Köln – Vermutlich ist es verwegen, in Homeoffice-Zeiten über Krawatten zu schreiben. Welcher Mann sitzt ernsthaft zuhause am Schreibtisch im Anzug mit Binder um den Hals und Brogues an den Füßen? Der Prozentsatz tendiert aller Wahrscheinlichkeit nach gegen Null. Für manch einen ist ja schon die Rasur eine unüberwindbare Hürde. Aber mit einer gewissen Haltungslosigkeit hat nach acht Monaten im heimischen Büro in irgendeiner Weise jeder zu tun. Selbst unser Außenminister Heiko Maas, bekannt für seinen schnittigen Auftritt im kantigen Anzug und vom Magazin GQ 2016 zum bestgekleideten Mann Deutschlands gewählt, verzichtet bei seiner Ansprache ans Volk aus der häuslichen Quarantäne auf den Schlips. Ein offenes Hemd mit Jackett muss genügen.
Ganz anders unser amerikanischer Freund. Weiterhin präsentiert sich der Noch-Präsident auch nach seiner Niederlage mit seinem modischen Markenzeichen: dem roten Schlips. Grundsätzlich endet dieser bei Donald Trump ja unter der Gürtellinie und kommt dort unterm Jackett als Dreieck zum Vorschein – mit der Wirkung eines Ausrufezeichens. Symbolik? Vielleicht hat er nie darüber nachgedacht. Und wenn doch, umso schlimmer.
Jedes Kleidungsstück transportiert eine Botschaft, derer sich allerdings nicht alle Menschen, auch nicht die in offizieller oder öffentlicher Funktion, bewusst zu sein scheinen. Am Abend der US-Wahlentscheidung präsentierte der Moderator des „heute Journals“ die Nachrichten – mit rotem Schlips, zwar kurz gebunden, aber feuerrot. Einen Tag später versammelte Anne Will zur Wahl-Nachlese Herren um sich, die ebenfalls die rote Krawatte zum Anzug wählten. Warum? Als Antwort auf Trump? Als Zeichen der Anerkennung oder doch eher des Widerstands gegen den Präsidenten mit dem Rote-Krawatte-Syndrom? Oder hatten die besagten Krawattenträger einfach nicht darüber nachgedacht? Die Farbe Rot lässt viele Interpretationen zu. Nichts gegen rote Krawatten, aber seit Beginn der Ära Trump sollten sie im Schrank bleiben. Wir haben sie zu oft gesehen und – vor allem – zu oft mit der falschen Person in Verbindung gebracht.
Natürlich haben alle großen Politiker und Politikerinnen Stil- und Ausdrucksformen, die signifikant für sie sind, ob nun selbst gewählt oder über Jahre von außen an sie herangetragen. Margret Thatchers Betonfrisur betonte den harten Kurs, den die britische Premierministerin elf Jahre lang verfolgte. Wenn Helmut Kohl sich im Urlaub fotografieren ließ, dann grundsätzlich in Strickjacke und gern auf einer Parkbank am Wegesrand. Botschaft: Ich kann auch nahbar. Angela Merkels Blazer stehen wie ihre Raute für Verlässlichkeit und Entscheidungskraft. Und Emmanuel Macron präsentiert gerne, was Frankreich besonders gut kann und wofür es weltweit geehrt wird: elegante Mode.
Damit stellt sich dann die Frage: Ist es legitim, Politiker auch über ihr äußeres Erscheinungsbild zu beurteilen? Sollte man sich nicht besser vollkommen frei davon machen und sie einfach in der Kleidung akzeptieren, die ihnen morgens– womöglich unbedacht – in die Finger kommt, immer im Bewusstsein, dass sie ja schlecht nackt vor die Tür gehen können.
„Wie geht’s?“
In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)
Grundsätzlich muss man schon froh sein, wenn sich überhaupt einer bemüht, Form und Haltung zu bewahren. So bieten sie wenigstens noch etwas, an dem das Auge hängenbleiben kann. Denn der Jogginghosenlook aller Wohnzimmer-Bürokraten bietet nun mal wenig Anreiz.