Eine Frage des SelbstschutzesWarum die Jogginghose im Homeoffice nichts zu suchen hat
- Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
- Protokollchefin Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
- Den Anfang macht Eva Reik. Sie verbannt die Hose aus dem Homeoffice. Aus einem aktuell sehr guten Grund.
Köln – Zu Hause kann jeder tun und lassen, was er will. Nackt putzen, fünf Mal am Tag die Nagellackfarbe wechseln, Marmeladenbrote im Bett essen. Das soll es alles geben. Vermutlich auch im Homeoffice. Wo keiner hinter einem steht und kontrolliert, sondern einfach nur Arbeit termingerecht abgeliefert werden muss. Statt weiterhin vollkommen wahnsinnig für eine Unterhaltung mit dem Chef hin- und herzufliegen, sind Skype-Konferenzen in der heimischen Küche das Modul der Stunde.
„Oben Hemd, unten na ja“, erklären die Freunde, die weiter mit den Kollegen in Madrid und Paris kommunizieren müssen. Heißt: Hemd/Bluse/Jäckchen bis zur Tischkante, unten – das Grauen: Jogginghose. Kaum ist die Kamera aus, wird auf ganzheitlichen Wohlfühlmodus umgestellt.
Schamesröte im Gesicht
Eigentlich gibt es an Jogginghosen gar nichts auszusetzen. Zum Sport und bei Krankheit sind sie die erste Wahl, auch an verregneten Novemberwochenenden ein Stück Stoff, das man anziehen kann, wenn man wirklich alleine ist und garantiert niemand vorbei kommt.
„Wie geht’s?“
In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)
Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de
Ansonsten aber ist die Jogginghose weder für den Einkauf gedacht (auch dann nicht, wenn man direkt überm Supermarkt wohnt) noch für die Arbeit, und sie ist auch kein passendes Kleidungsstück für die Schule und alle anderen Einrichtungen, wo Rückgrat und Würde verlangt wird. Da können manche Designer noch so verzweifelt am cosy-und smart-tuning arbeiten, die Jogginghose ist und bleibt ein unförmiges Gewebe, das vielen Betrachtern die Schamesröte ins Gesicht treibt.
Es geht um Selbstschutz
Aber im Homeoffice sieht’s doch keiner, wenn Exceltabellen mit Lockenwickler und Puschen an den Füßen erstellt werden. Im Prinzip ja (Ausnahme Skype-Konferenz), aber im Moment geht’s um Selbstschutz: Strukturen behalten, wenn nichts mehr normal ist. Einfach so tun als ob.
So tun, als ob man gleich auf den Vorstand träfe. Ob man im Anzug dann fünf Mal in die Küche rennt und Espresso kocht, wenn schon das Plaudern an der Ecke nicht mehr geht, das brauchen Vorgesetzte ja nicht zu wissen. Vermutlich tun sie’s auch, wenn plötzlich die Assistenz-Infrastruktur fehlt.
„No brown after six“
Ein gutes Vorbild sind die englischen Gentlemen. Die waren nicht nur als Romanfiguren im 18. Jahrhundert stilbildend, die betreiben den Outfit-Kult bis heute. Für jede Gelegenheit (Tee im Salon, Whisky am Kamin) die adäquate Hülle. „No brown after six.“
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Konsequent in den nächsten Wochen auf den Gemütlichkeits-Stretch zu verzichten, hat außerdem den Vorteil, dass man sich zwischen Küchentisch (Arbeitsplatz) und Kühlschrank vermutlich keine Quarantäne-Kilos anfuttert. Sich also morgens in messerscharfe Jeans werfen und während der Skype-Konferenz einfach mal aufstehen. Ist ja sonst wenig geboten.