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Stilkolumne„Ungehemmtes Geknutsche in der Öffentlichkeit ist rücksichtslos“

Lesezeit 4 Minuten
Paar küsst sich im Restaurant Getty Images

Verliebtsein ist wunderbar, doch zu viel öffentlich ausgelebte Leidenschaft kann für das Umfeld unangenehm sein.

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. In dieser Woche: Vincent Moissonnier erzählt, wie er mit Gästen umgeht, die ihre Verliebtheit allzu öffentlich ausleben.

KölnIn meinem Freundeskreis gibt es ein frischverliebtes Paar, das seine junge Liebe auch in Gegenwart anderer wenig verheimlicht. Mir ist so viel öffentlich zur Schau gestellte Schmusigkeit unangenehm. Aber was sagt man da? Wie gehen Sie in Ihrem Restaurant damit um?

Ein Restaurant ist ein Theater. Jeder Gast ist zugleich Schauspieler und Zuschauer. Er gestaltet und genießt die Inszenierung. Ein Restaurant ist aber kein Animierbetrieb. Die Liebe zwischen zwei Menschen ist etwas Wunderschönes. Aber sie hat mit Intimität zu tun und mit einem geschützten Raum. Das heißt nicht, dass die Liebe nicht auch in die Öffentlichkeit gehört. Aber wie drückt sie sich hier aus? In einem Händedruck, mit einem tiefen Blick in die Augen. Ich bin kein Poet, sondern nur ein Kneipier. Aber was ich bei mir im Restaurant schon an Gesten der Verliebtheit und Zeichen der Liebe beobachtet habe, die bestimmt niemanden gestört haben, daraus könnte ich manchen Vers schmieden.

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Vincent Moissonnier

Aber das war ja nicht Ihre Frage. Dass Sie ungehemmtes Geknutsche und Geschmuse als unangenehm empfinden, kann ich Ihnen sehr gut nachfühlen. Es geht mir ganz genauso. Ich finde das deplatziert, ungezogen und rücksichtslos. Und ich sage ganz klar: Ein solches Benehmen, das obendrein ja oft auch etwas von Imponiergehabe hat, gehört sich einfach nicht. Da gibt es keine Ausflüchte und kein Pardon.

Eine Form gefunden, die Leute zu etwas mehr Diskretion anzuhalten

Meine Frau ist da noch strikter als ich – vielleicht eine Frage der Erziehung. Jedenfalls übernimmt sie es bei uns, den Gästen zu sagen, wenn sie sich gerade daneben benehmen und dem Überschuss der Hormone allzu freien Lauf lassen. Das ist heikel, zugegeben. Aber sie hat eine Form gefunden, die – oft jungen – Leute zu etwas mehr Diskretion anzuhalten. Ich könnte allerdings nicht guten Gewissens behaupten, dass sie bei ihnen damit auf ungeteiltes Verständnis stieße. Sie lenken zwar meistens ein, schreiben dafür aber eine vernichtende Kritik auf Tripadvisor.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Neben dem Vergleich mit einem Theater nutze ich gern noch ein anderes Bild: Ein Restaurant ist ein Flugzeug. Die Gäste sind die Passagiere, die vom Start bis zur Landung auf Gedeih und Verderb zusammengepfercht sind. Und der Wirt ist der Flugkapitän, der bis zum Aussteigen am Ziel für das Wohlbefinden aller an Bord verantwortlich ist. Insbesondere zu Messezeiten kommt es auch vor, dass Geschäftsleute für ein Dinner die Dienste eines Escort-Service in Anspruch nehmen. Dafür entwickelt man mit der Zeit einen Blick. Ein Kollege hat mir dazu mal eine Geschichte erzählt. Die Situation war so, wie eben beschrieben: männlicher Gast, weibliche Escort. Nach einer Weile steht am Nachbartisch eine sehr gut aussehende Frau auf und geht quer durchs Restaurant – regelrecht verfolgt von den Blicken des besagten Gastes. Sagt die Hostess, so laut, dass alle im Lokal es hören können: „Kannst du mir mal erklären, warum du mich bezahlst und trotzdem anderen Frauen hinterher gaffst?“

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Solch eine pädagogische Maßnahme hätte kein Restaurantchef der Welt hinbekommen. Wir können manchmal versuchen, ein bisschen an den Leuten zu zupfen, aber wir können sie nicht erziehen. Das ist zum Glück nicht unsere Aufgabe. Wenn wir unseren Gästen den Abend retten, ist das schon mehr als genug.

Aufgezeichnet von Joachim Frank