Bio, Regional, TierwohlSiegelflut im Supermarkt – auf welche kann man sich verlassen?
- Für Begriffe wie regional und Tierwohl gibt es keine gesetzlichen Definitionen – das bedeutet: Lebensmittelproduzenten können die Begriffe frei für Werbezwecke nutzen.
- Dadurch gibt es eine Flut an Supermarkt-Siegeln – ist überall drin, was es verspricht?
- Wir haben mit Frank Waskow von der Verbraucherzentrale NRW gesprochen. Und geben einen Überblick im Siegel-Wirrwarr.
Köln – Wer den Supermarkt betritt, sieht sie überall. Egal ob auf der Fleischverpackung, dem Käse oder den Eiern: Siegel. Sie sollen den Verbrauchern Orientierung geben: Ist dieses Produkt Bio, vegetarisch, regional? Viele Siegel rufen Qualitätserwartungen bei den Konsumenten hervor, sagt Frank Waskow von der Verbraucherzentrale NRW. Deswegen verkaufe sich ein Produkt mit Siegel besser, als eins ohne. Händler setzten sie deswegen gerne als Werbezwecke ein. Welche Kriterien hinter der Vergabe der Siegel stecken, ist für die Verbraucher allerdings häufig unklar.
Für undefinierte Begriffe wie beispielsweise regional oder Tierwohl gibt es keine gesetzlich festgelegten Reglungen – sie können also vom Hersteller unterschiedlich interpretiert werden. Wenn allerdings Bio oder Öko auf einem Produkt steht, dann ist es das auch. Die Begriffe sind gesetzlich geschützt und dürfen nur verwendet werden, wenn die Kriterien erfüllt sind. Für andere Siegel können nicht so klare Aussagen gemacht werden. „Fast auf jeder Fleischverpackung steht, dass die Tiere artgerecht gehalten werden. Doch was bedeutet artgerechte Haltung?", sagt Waskow. Das ist nicht definiert.
Haltungskennzeichnung in der Fleisch-Selbstbedienungstheke
Um etwas Klarheit in die Flut der Labels zu bekommen, haben verschiedene Händler im vergangenen Jahr eine einheitliche Haltungskennzeichnung für Fleisch aus der Selbstbedienungstheke eingeführt. Haltungsform 1 steht für die Stallhaltung nach gesetzlichen Mindeststandards – sprich für Schweine 0,75 Quadratmeter pro Tier im Stall. In der zweiten Stufe bekommen die Tiere etwas mehr Platz im Stall und zusätzliches Beschäftigungsmaterial – nach Waskow zu wenig für das Tierwohl.
Haltungsform 3 bedeutet neben mehr Platz, frische Luft und Licht – beispielsweise durch eine offene Stallseite. Haltungsform 4 kommt den Ansprüchen einer Bio-Haltung gleich. Da diese Haltungsform im Einkauf aber wesentlich teurer sei, setzt Waskow seine Hoffnung in die dritte Kategorie. Hier hapert es allerdings: Die Haltungsform 3 ist in den Supermärkten fast gar nicht zu finden – 90 Prozent der Produkte seien Haltungsform 1 und 2. „Die Kennzeichnung ist gut, allerdings bringt sie nichts, wenn das Angebot nicht da ist. Um Verbrauchern wirklich eine Wahlfreiheit zu bieten, braucht es ein ausreichendes Angebot von Fleisch aus allen vier Haltungsformen.“
Initiative Tierwohl ist nicht viel Tierwohl
Eine andere Produktkennzeichnung, die im Lebensmitteleinzelhandel stark beworben wird, ist die Initiative Tierwohl. „Der Begriff suggeriert, dass in den Produkten mehr Tierwohl enthalten ist. Das ist allerdings nicht viel mehr und würde bei der Haltungsform der Kategorie 2 entsprechen“, sagt Verbraucherschützer Waskow. Eine weitere Kritik: Wer mit der Initiative Tierwohl gekennzeichnetes Schweinefleisch kauft, kann auch welches kaufen, das nicht aus teilnehmenden Betrieben stammt.
Bei Geflügelprodukten ist das seit April 2018 nicht mehr so. Ein neues Logo auf dem Geflügelprodukt zeigt, dass das Produkt tatsächlich von einem teilnehmenden Betrieb stammt. Die Idee hinter der Initiative: Sie soll für einen finanziellen Ausgleich für die Landwirte sorgen: Setzen sie die jeweiligen Kriterien um, erhalten sie sogenannte „Tierwohl-Entgelte“, die durch den Handel finanziert werden.
Regalstopper „aus der Region“ sind keine Garantie für Regionalität
Ein Werbehit bei den Siegeln ist die Regionalität. Doch Regalstopper mit „aus der Region“, „von hier“ oder „Heimat“ sind keine Garantie für regionale Produkte. Die Verbraucherzentrale empfiehlt auf genaue Regionsangaben wie „Rheinland“ zu achten.
Und wer sich gar bei Produkten mit tierischen Inhaltsstoffen auf das Identitätszeichen – schwarzer Oval auf weißem Grund – verlässt, liegt falsch. Es gibt keine Auskunft über den Ursprung der Zutaten. Es zeigt das Bundesland an, wo die letzte Verarbeitungsstufe oder die Verpackung durchgeführt wurde.
Klare Definitionen gefordert
Verwirrenden Aussagen finden sich also immer wieder auf weiterverarbeiteten Lebensmitteln. Oft werden Lebensmittel nur in der Region verpackt oder es wird etwas hinzugefügt, aber sie werden nicht dort produziert. „Da kann man offiziell noch nicht einmal Täuschung vorwerfen. Es gibt eben keine Reglungen für regionale Lebensmittel“, sagt Waskow.
Für den Verbraucherschützer ist eine klare Definition notwendig. „Ich halte eine solche bundesweite Definition für möglich. Am Beispiel Bio und Öko ist zu sehen, dass eine Reglementierung funktioniert.“ Wenn bestimmte Kriterien eingehalten werden, dürften die Produkte als regional verkauft und vermarktet werden. Gleiches gelte für artgerechte Haltung.
Regionalität im Supermarkt
Doch was tun, um im Supermarkt auf Regionalität achten zu können? Tatsächlich gibt es ein bundesweit einheitliches Siegel für Regionalität: das Regionalfenster. Der Begriff Region wird auch hier unterschiedlich ausgelegt. Ein genauer Blick lohnt sich – auch weil die Produkte bundesweit vermarktet werden können. Außerdem vergibt der Verein Ernährung NRW ein Siegel für Produkte aus NRW, das Qualitätszeichen NRW.
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Dann sind da noch regionale Initiativen, die aus der Region für die Region produzieren. In der Kölner Umgebung kann man in Supermärkten auf die Siegel von „Bergisch Pur“ und „Eifel Qualität“ stoßen. Einfach ist es bei dem Kauf von Eiern. Der Eiercode zeigt das Bundesland der Herkunft an: x-DE-05xxxx steht für NRW.
Verbraucherschützer Frank Waskow geht von weit über 1000 Siegeln und Logos im Lebensmittelmarkt aus. Viel zu viele. Seine Forderung ist klar: „Wir brauchen stärkere Definitionen und Reglementierungen, wie man mit Qualitätsaussagen und Siegeln umgehen darf. Es geht um die Frage: wie kann ich es Verbrauchern einfacher machen – in einer nicht durchschaubaren Lebensmittelwelt?“