Übersetzer-Apps helfen zwar bei der grundlegenden Verständigung – fördern aber auch Missverständnisse
„All I understand is train station“Was Übersetzungs-Apps können – und was nicht
Vielleicht hätte eine Übersetzungs-App Peter, Paul and Mary vor einem peinlichen Missverständnis bewahrt: „Do you want to lunch with us?“, fragt sie ihr Gastgeber, Kanzler Helmut Schmidt. „Wollen Sie uns lynchen?“, verstehen die Gäste. „But where are the trees?“, lautet ihre Antwort. „Wo sind die drei?“, kommt beim Kanzler an. Der legendäre Sketch von Otto Waalkes hält, was die Übersetzung des Komikers eigentlich verspricht: „English for Runaways“ steht nicht für „Englisch für Fortgeschrittene“, sondern frei übersetzt für „Englisch zum Davonlaufen“.
Die meisten Übersetzungs-Apps sind kostenlos
Damit einem solche Situationen vor allem auf Reisen erspart bleiben und die Verständigung in fremden Ländern besser klappt, wurden Übersetzungs-Apps entwickelt. Mittlerweile gibt es einige Dutzend davon, die größtenteils kostenlos genutzt werden können. Für manche müssen wenige Euro im Monat bezahlt werden, zumindest wenn ihre volle Leistung zur Verfügung stehen soll. In der Regel eignen sich die Apps sowohl für Android- als auch für Apple-Geräte. Viele Funktionen sind im Offlinemodus nutzbar. Das ist praktisch, wenn das Handy kein Netz hat. Außerdem fallen in manchen Ländern weniger Roaminggebühren an.
Die Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten der Apps sind vielfältig: Manche übersetzen in bis zu 100 Sprachen – von Afrikaans bis Zulu. Die meisten verarbeiten Spracheingaben per Mikrofon, viele auch Fotos von Texten, einige ermöglichen mehrsprachige Konversationen, was zum Beispiel in Meetings nützlich sein kann. Im Restaurant können Speisekarten abfotografiert und übersetzt werden. Das ist vor allem in Ländern hilfreich, in denen sich Urlauberinnen und Urlauber sonst überhaupt keine Vorstellung davon machen können, was sich hinter den Namen der Gerichte verbirgt.
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Auch gedruckte Texte werden übersetzt
Platzhirsche unter den Apps sind die Produkte der großen Techfirmen Microsoft und Google. Aber auch Anwendungen wie iTranslate, Promt, Reverso oder Pons sind weit verbreitet. In der Praxis bewähren sich die getesteten Apps erstaunlich gut: Texteingabe und Sprache werden erkannt und meist richtig übersetzt. Voraussetzung beim Sprechen ins Mikrofon ist allerdings, dass nicht allzu viele Umgebungsgeräusche zu hören sind. Wer mag, kann sich die Übersetzungen laut vorlesen lassen. Die Stimmen klingen angenehm, die Aussprache scheint korrekt zu sein. Auch gedruckte Texte werden gut erkannt – selbst dann, wenn sie von einem Bildschirm abfotografiert werden.
Ernüchterndes Urteil von Stiftung Warentest
Mit einfachen Alltags- und Standardsätzen wie „Um wie viel Uhr gibt es Frühstück?“ oder „Ich suche eine Arztpraxis“ kommen die Apps gut klar. Auch komplexe fremdsprachige Inhalte wie „In Dessau the Bauhaus was able to directly realise its desire to play a part in shaping modern society“ werden korrekt ins Deutsche übertragen. Dennoch kommt Stiftung Warentest eher zu einem ernüchternden Urteil. Dort erhielten die besten untersuchten Apps von Pons und Google gerade einmal ein „Befriedigend“. Meist nur „ausreichend“ Die meisten digitalen Sprachassistenten werden mit „ausreichend“ und einige sogar mit „mangelhaft“ bewertet. In das Urteil der Verbraucherschützer flossen auch Aspekte wie Datenschutzerklärungen und Anwendungsfreundlichkeit ein.
Oft wird wortwörtlich übersetzt
Problematisch finden die Tester vor allem dann die Übersetzungsleistungen, wenn nicht nur gängige Ausdrücke und einfache Sätze eingegeben werden. „Redewendungen, bildliche Sprache und Dialoge sind noch große Herausforderungen für Übersetzungs-Apps“, heißt es im Testbericht. Denn oft wird wortwörtlich übersetzt – in Ausdrücke, die es in einer anderen Sprache gar nicht gibt. So wird bei einigen Apps aus dem Satz „Ich verstehe nur Bahnhof“ in der Englischübersetzung „All I understand is train station“. Und wer ein Schnitzel mit Pommes und Pils bestellen möchte, ordert auf Englisch je nach App „Schnitzel with fries and a mush room“ (Schnitzel mit Pommes und einem Pilz) oder „Some chicken with fries and a pile“, also Hühnchen mit Pommes und einem „Haufen“.
Professionelle Übersetzerinnen wie Réka Maret sehen die Apps ebenfalls kritisch: „Je komplexer die zu übersetzenden Texte, Textpassagen oder ganzen Texte sind, desto höher ist auch das Risiko, dass wichtige Elemente nicht korrekt übertragen werden oder gar verloren gehen“, warnt die Presse- und Medienreferentin vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer. Vergleichsweise gute Resultate werden ihrer Ansicht nach vor allem dann erzielt, wenn die Algorithmen der Apps auf großes Datenmaterial und viele Vergleichstexte zurückgreifen können.
Fehler nach dem Prinzip „stille Post“
Ist das nicht der Fall, häufen sich die Fehler bei den Übersetzungen – selbst dann, wenn auf eine Brückensprache zurückgegriffen wird, zum Beispiel auf Englisch. Das berge nach dem Prinzip „stille Post“ zusätzliche Fehlerquellen, so Maret. Ihrer Ansicht nach könne auch die beste App niemals das Erlernen von Sprachen oder professionelle Übersetzungen ersetzen, weil sie eine Sprache nicht sinnerfassend beherrschen könne: „Die Maschine „versteht“ eben nicht im eigentlichen Sinne, was mit einem Satz gemeint ist und in welchem Kontext dieser steht. Sie bezieht auch nicht – wie der Mensch – unterschiedliche gesellschaftliche beziehungsweise kulturelle Hintergründe mit ein“, gibt die Expertin für Russisch und Englisch zu bedenken.
Nützlich im Urlaub und im Alltag
Maret erkennt aber durchaus den praktischen Nutzen der Apps: „Frei im Netz verfügbare Apps oder automatische Übersetzungsprogramme können im Alltagsgebrauch wie etwa im Urlaub oder zur privaten Verständigung ganz passable Dienste leisten“, ist sie überzeugt. Zu einem ähnlichen Urteil gelangt Stiftung Warentest: „Trotz enttäuschender Leistungen sind die Apps grundsätzlich nützlich – eine mittelmäßige Übersetzung ist schließlich besser als gar keine“, heißt es im Testbericht.
Mit Übersetzungs-Apps entfällt das umständliche Blättern in Wörterbüchern, mit deren Hilfe auch nicht immer exakt jede Redewendung übersetzt werden kann. Solange es um Bestellungen im Restaurant oder Small Talk im Urlaub geht, ist man mit Übersetzungs-Apps immerhin nicht völlig sprachlos. Sollten mal Fehler passieren, könne im schlimmsten Fall etwas Unerwartetes auf dem Teller landen oder ein sprachliches Missverständnis für Belustigung sorgen, sagt Maret.
Wer zum Beispiel zur Polizei geht, weil die Geldbörse geklaut wurde und in die Übersetzungs-App den Satz „Ich wurde bestohlen“ eingibt, darf sich nicht wundern, wenn die Beamten verdutzt dreinschauen oder lachen. Denn in der englischen Übersetzung einiger Apps heißt es: „I was stolen.“ Auf Deutsch: „Ich wurde gestohlen.“ Übersetzungs-, aber auch Sprachlern-Apps helfen laut Stiftung Warentest übrigens nicht dabei, eine Sprache zu erlernen. Sie könnten die dafür notwendige menschliche Interaktion nicht ersetzen.