Köln – So ein Burger steht normalerweise nicht für die Krönung einer gesundheitsbewussten Ernährung, eher für Fastfood, doch der „Teaching Burger“ ist der Inbegriff von Nachhaltigkeit. Man kann gar nicht hineinbeißen: Lisa Lemke nutzt ihn vielmehr als Anschauungsmaterial für Studierende, Referendarinnen und Referendare und Lehrkräfte, die sich im Bereich der derzeit hochumstrittenen Digitalisierung der Schulen fortbilden wollen. Corona hat die Schwächen des Systems gnadenlos aufgedeckt, der Schul-Check des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat sie einer Bewertung unterworfen. Ein Ergebnis: Lehrerinnen und Lehrer haben ihrem Studium für die Vorbereitung auf digitalen Unterricht die Note „Mangelhaft“ gegeben.
Lemke und ihre Mitstreiter am Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) an der Universität zu Köln versuchen beharrlich und nicht erst seit Ausbruch der Pandemie, das Thema stärker auf die Agenda zu bringen. Ihr Hilfsmittel: der „Teaching Burger“.
To-Do-Liste für digitalen Unterricht
Seine Zutaten sind natürlich das ummantelnde Brötchen, das symbolisch für die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern steht, aber zum Beispiel auch der Technik-„Käse“, der mal mehr, mal weniger saftig ausfällt, je nachdem, wie die Ausstattung in der Schule oder auch zu Hause beschaffen ist. Mit dem Schaubild will Lemke Orientierung geben, eine To-Do-Liste, auf der man Grundvoraussetzungen abhakt, bevor man in den digitalen Unterricht einsteigt.
„Die Corona-Krise hat dabei auch als Katalysator gewirkt. Sie hat dazu geführt, dass die Universität schnell digitale Lösungen entwickelt, technische Infrastruktur ausgebaut und Schulungen für Dozierende angeboten hat“, sagt Merle Hettesheimer, Sprecherin des ZfL – durch die Pandemie ist die Digitalisierung zu einem guten Teil zu einem festeren Bestandteil der Ausbildung avanciert, als dies davor der Fall war.
Lange war Myrle Dziak-Mahler Geschäftsführerin des ZfL, heute ist sie Direktorin der Alanus-Hochschule in Bonn. „Wir haben über die vergangenen Jahrzehnte versäumt, Standards für die Digitalisierung an den Schulen einzuführen“, sagt sie. „Da gehört alles dazu, was zum Hardware-Bereich gehört, auch die Ausstattung mit WLan – es ist aber auch versäumt worden, Lehrpersonen auf digitalisierten Unterricht vorzubereiten. Und ein weiterer Aspekt ist mir wichtig: Wir haben inhaltlich nicht ausreichend hingeschaut, was Schülerinnen und Schüler in Zukunft benötigen für eine digitalisierte Gesellschaft.“
In der Steinzeit steckengeblieben
Wie unter einem Brennglas offenbarten sich in den vergangenen Wochen und Monaten die Versäumnisse der Vergangenheit, und noch immer sind die Schulen weit davon entfernt, diese ganz aufzuholen: Selbst Lehrkräfte, die eine Art digitale Avantgarde bilden, und das zum Teil schon seit Jahren, können nicht viel ausrichten, wenn ihre Schule die vom Land NRW favorisierte Plattform Logineo benutzt – diese beginnt gerade erst, auch die Möglichkeit einer Videokonferenz in ihr Angebot zu integrieren, um nur eine Schwäche zu nennen. Auch digital gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer bleiben in der Steinzeit stecken, wenn die Schule nicht über WLan verfügt.
Myrle Dziak-Mahler hat im Schul-Check-Podcast über die Probleme der Ausbildung gesprochen:
Das ZfL ist eine der größten universitären Institutionen in Deutschland, die angehende und bereits praktizierende Lehrkräfte bei der Weiterentwicklung ihrer Kenntnisse im Digitalunterricht unterstützt. Mittlerweile hat sich ein Netzwerk herausgebildet, das sich als digitaler Zusammenschluss über die Republik legt; alle Fächer und alle Schulformen sind bei den Fortbildungsangeboten vertreten. Das ergibt eine „große Bandbreite“, sagt Lemke, und auch ein Extraangebot zur methodischen Förderung in den Mint-Fächern, den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, hat man ins Leben gerufen.
In den vergangenen Jahren hat sich also einiges getan, und doch bleibt vieles im Feld der Digitalisierung der Fortbildung überantwortet, also einem freiwilligen Entschluss. Was bedeutet, dass „unsere Teilnehmer bereits versiert sind, was etwa die Beherrschung der Technik angeht – man muss sagen, dass sie sich natürlich aktiv für eine solche Fortbildung entschließen, also Interesse und Affinität aufweisen, was das Thema betrifft“, so Lemke. "Da unser Angebot freiwillig ist, haben wir das Glück, mit ganz vielen hochmotivierten Lehrerinnen und Lehrern zusammen zu arbeiten." Die Bachelor- und Masterausbildung hingegen sieht zwei Praxissemester vor, in deren Rahmen die Studierenden in die Schulen gehen können, um sich dort mit dem Schwerpunkt Digitalisierung zu befassen. Das ist nicht üppig.
Transparenz über Lernziele
Nach einer allgemeinen Einführung über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Gesellschaft stehen auch konkrete Praxisanweisungen auf dem Lehrplan der Fortbildungen: Wie stellt man Transparenz über Lernziele her, etwa mit Hilfe eines Padlets, einer digitalen Pinnwand, auf der die Aufgaben für die Schülerinnen und Schüler hinterlegt werden?
„Darüber hinaus sollte ich über Video- und Audioimpulse immer versuchen, als Lehrkraft selbst präsent zu sein“, erläutert Lemke, was sie den Teilnehmern mit auf den Weg gibt. „So nehmen viele Lehrerinnen und Lehrer ein kurzes Video von sich auf, in dem sie am Beginn eines Arbeitstages mitteilen, was in den nächsten Stunden ansteht. In vielen Lern-Management-Systemen gibt es zudem die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten können.“
Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, übt Kritik an den Bemühungen der Politik:
Viel zu häufig bedeutet Distanzunterricht immer noch, dass der aus der Schule gewohnte Frontalunterricht einfach in die digitale Kommunikation übersetzt wird, falls diese sich nicht sogar nur darauf beschränkt, dass ein Haufen Arbeitsblätter in der Mail der Schülerinnen und Schüler landet. Das hängt auch damit zusammen, dass man an vielen Schulen froh ist, wenn überhaupt der Mail-Versand funktioniert, doch gelingender Digitalunterricht verlangt mehr – das wollen Lemke und Hettesheimer bei ihrer Ausbildung vermitteln.
Es geht um zeitgemäße Prüfungsformate, methodisch-didaktische Ansätze, aber etwa um auch praktische Hinweise zum Beispiel zur Gestaltung eines Podcasts. Es geht also vor allem um eine Didaktik des Digitalunterrichts, um die Erkundung seiner spezifischen pädagogischen Herausforderung.
Ruf nach einem „Corona-Cut“
Es sei wünschenswert, die in der Krise gemachten Erfahrungen weiter zu verfolgen und das Positive fortzuentwickeln, „denn die Digitalisierung ist ja auch ein Prozess, den die Hochschulen vorantreiben wollen. Letztendlich profitieren auch Schulen davon, wenn Hochschulen ihr Wissen an sie weitergeben“, davon ist Merle Hettesheimer überzeugt.
Und auch Myrle Dziak-Mahler verlangt einen „Corona-Cut“; die Pandemie hat die Decke über den Schulsystem weggezogen und gravierende Schwächen freigelegt. „Was ich vermisse“, sagt Dziak-Mahler im Hinblick auf die Ausbildung zur Digitalisierung, „ist eine Kultusministerkonferenz, die sich mal zwei Tage zusammensetzt und fragt: Was sind denn eigentlich unsere Ziele? Was müssen unsere Schülerinnen und Schüler 2040, 2050, wenn sie Gestalterinnen und Gestalter unserer Welt sind – was müssen die können? Darauf richten wir nun unsere Bildungssysteme ein.“