Kölner Eltern klagen an„Wie oft haben wir schon gesagt, dass wir nicht mehr können?“
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Viele Eltern sind nach zwei Jahren Pandemie am Ende ihrer Kräfte. Wir haben uns erzählen lassen, wie die Familien sich fühlen, was besonders anstrengend ist.
„Ich bin total ausgepowert“ und „Ich sehne mich so sehr nach Ruhe“, sagen Theresa Kamp und T. Schneider.
Vier Protokolle
Köln/Bergisch Gladbach – Diese Pandemie ist wie eine Achterbahnfahrt. Immer, wenn man denkt, es kann nicht mehr schlimmer werden, kommt die nächste Welle, trifft uns noch härter und bringt noch mehr Unsicherheit. So richtig im Detail rekonstruieren kann ich die letzten zwei Jahre gar nicht. Es ist Wahnsinn, was man alles durchgemacht, was man auch gelernt hat. Manchmal fallen mir Sachen ein, wie die selbst genähten Stoffmasken oder die Zeit, als die Spielplätze zu waren.
Unsere Zwillinge leben jetzt schon länger mit Corona als ohne. Im ersten Lockdown waren sie ein halbes Jahr alt. Die Zeit damals war für uns mit den Babys und dem älteren Kind ohnehin eine Herausforderung. Unterstützung, Unterstützung, Unterstützung, hieß es. Dann war Lockdown und wir waren komplett auf uns allein gestellt.
Kinder und Familien werden kaum bedacht
Für mich zieht sich wie ein roter Faden durch die Pandemie, dass Kinder und Familien kaum bedacht werden. Das ist keine gute Erfahrung. Beim Impfen habe ich zum Beispiel überhaupt nicht verstanden, warum wir Eltern keine Priorisierung bekommen haben. Wir sind doch auch pflegende, versorgende Menschen. Meine größte Angst war bis zur Impfung, dass mein Mann und ich krank werden und wir uns nicht um unsere Kinder kümmern können.
Dann waren wir endlich geimpft, aber unsere Hoffnung auf ein Ende der Pandemie wurde wieder enttäuscht. Wie oft haben wir schon gesagt, dass wir nicht mehr können? Aber es geht trotzdem immer weiter. Aktuell sind wir in ständiger Alarmbereitschaft. In der Kita wird zweimal die Woche getestet. Das gibt einerseits Sicherheit, andererseits stresst das total. Wie soll das gehen, wenn wir plötzlich zehn Tage mit den Kindern in einer Stadtwohnung im fünften Stock eingesperrt sind?
Mit Kindern muss man flexibel sein, das Leben mit ihnen ist ohnehin knackig. Aber diese Pandemie on top setzt allem die Krone auf. Ich sehne mich so sehr nach Ruhe.
Theresa Kamp mit Philipp Völker, den Zwillingen Max und Caspar (2,5 Jahre) und Oskar (5 Jahre), sie ist Aufnahmeleiterin beim WDR, er Business-Analyst bei Rewe, beide angestellt, zurzeit zu 80 Prozent
Als zu Beginn der Pandemie die Kitas geschlossen wurden, saß ich von jetzt auf sofort mit zwei kleinen Kindern allein zu Hause, zum Glück konnte ich sofort nahezu vollständig ins Homeoffice wechseln. Am Anfang war es mir noch unangenehm, wenn sich die Kinder während einer Video-Konferenz vor der Kamera gestritten haben. Inzwischen ist es auch bei diesen gesitteten Meetings normal. Bei uns in der Firma sind Kinder im Hintergrund anerkannt, das finde ich schön. Genauso wie die flexibleren Arbeitszeiten.
Kind kann jetzt selbst den Boden wischen
Wir hatten dann durch den „systemrelevanten“ Job meines Mannes im Rettungsdienst den Luxus, dass wir die Kinder mehr als andere in die Kita bringen konnten. Ich beneide niemanden um das, was da gestemmt werden musste. Trotzdem sind unsere Kinder in der Pandemie sehr selbstständig geworden. Oft ging es nicht anders. Es gab zum Beispiel mal ein kleines Malheur im Badezimmer, einen Pipi-Unfall.
Ich hatte eine Besprechung und konnte nicht helfen, also hat meine Tochter allein gewischt – mit einer Rolle Toilettenpapier. Ich habe sie gelobt und nur drauf hingewiesen, dass sie nächstes Mal doch bitte ein Handtuch nehmen solle und nicht das Toilettenpapier, das gerade wertvoll wie Gold ist.
Situation mit Pooltests ist sehr belastend
Aktuell ist die Situation wieder sehr belastend: Wir wissen nie, wann ein Pooltest in der Schule positiv ist und unsere Tochter möglicherweise zu Hause bleiben muss. Auch der Schnelltest vor dem Kindergarten kann ja plötzlich positiv sein. Ich rechne fest damit, dass es uns jetzt irgendwann erwischt. Ich weiß nicht wann und wie und ob es dann gerade passt.
Wie machen das Leute, die nicht flexibel im Homeoffice arbeiten können? Bringen die ihre positiven Kinder irgendwo hin? Wir werden das durchstehen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Aber man kann nichts planen. Man kann nur versuchen, zu reagieren und nicht durchzudrehen.
Janine Swifka mit Ehemann Ingo, Verena (6) und Mats (5), sie ist Biochemikerin bei Bayer, er Anästhesist und Notarzt mit eigener Praxis, beide arbeiten Vollzeit
Ich bin total ausgepowert, einfach durch. Die paar Tage Urlaub, die ich im Jahr habe, nutzen da auch nichts mehr. Als es losging, war mein Sohn acht Jahre alt und in der zweiten Klasse. Als der harte Lockdown kam und die Schulen zu waren, hatte ich ein Riesenproblem. Als Handwerkerin galt ich zunächst nicht als „systemrelevant“, das verstehe ich bis heute nicht.
Viele Verlustängste während des Lockdowns
Zum Glück konnte ich mein Kind privat bei Bekannten unterbringen. Wenn das nicht gewesen wäre, weiß ich nicht, wie ich das finanziell hätte machen sollen. Bei einer dreiviertel Stelle bleibt nicht viel übrig, wenn man nur 68 Prozent des Gehaltes bekommt. Und der Kinderbonus war ja auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Diese Zeit hat mich sehr viel Kraft gekostet, sie war mit großen Verlustängsten verbunden. Hätte die Unterbringung nicht geklappt, hätte ich nicht arbeiten können, und dann hätte ich vielleicht meinen Job verloren.
Später waren auch wir Handwerker systemrelevant und mein Sohn durfte in die Notbetreuung. Das war gut. Aber beim Schulstoff ist er nicht mitgekommen, er musste das zweite Schuljahr wiederholen. Und das bestand fast nur aus Notbetreuung. Ich musste ja arbeiten gehen, ich konnte mich nicht immer mit ihm hinsetzen und lernen. Und ich kann das auch nicht so erklären wie eine Lehrerin. Jetzt, im dritten Schuljahr, merke ich, dass ihm die Zeit, die er gebraucht hätte – dafür ist das Wiederholungsjahr ja da – fehlt.
Eingeschränkte Kontakte sind für Kinder schwer zu verstehen
Ich ziehe den Hut vor meinem Sohn und den anderen Kindern, wie die das machen mit den Masken und den Tests. Die sind da besser als manch Erwachsener. Aber die immer wieder eingeschränkten Kontakte waren und sind für ihn schwer zu verstehen. Ich erkläre dann immer, dass es einen großen Kreis gibt: Sein Sport, die Schule, Mama Haushalt und Papa Haushalt. Und dann noch einen kleinen Kreis mit den zwei Freunden, die er immer treffen darf.
T. Schneider, alleinerziehend mit einem zehn Jahre alten Sohn, Maler- und Lackiererin, angestellt zu 75 Prozent
Wir haben fast zwei Jahre alles dafür getan, dieses Virus von uns fern zu halten. Im vergangenen Jahr haben wir unsere Kinder monatelang nicht in die Kita geschickt und abwechselnd zu Hause betreut – unterstützt von Babysittern, die uns viel Geld gekostet haben. Inzwischen geht der Große in die Schule, da haben wir keine Wahl mehr.
Keine verpflichtenden Tests in den Kitas. „Das ist doch Wahnsinn!“
Aber ich muss sagen, im Vergleich zur Kita empfinde ich die Schule als den sichereren Ort. Schulkinder und Lehrer tragen Masken und die Kinder müssen zweimal pro Woche an den Lolli-PCR-Tests teilnehmen. In der Kita gibt es überhaupt keine verpflichtenden Tests. Das ist doch Wahnsinn!
Die Kinder halten naturgemäß keinen Abstand und tragen keine Masken. Und die Inzidenzen in der Altersgruppe sind extrem hoch. Weil auch viele Erzieherinnen zwischenzeitlich erkrankt oder in Quarantäne waren, bot unsere Kita nur eine Notbetreuung bis zum Mittag an. Mein Mann und ich arbeiten beide, was mit kleinen Kindern zu Hause kaum möglich ist. Ich habe dann oft noch spätabends am Schreibtisch gesessen.
Angst vor ungetesteten Kindern
Absurderweise hat sich die Sicherheit in gewisser Weise erhöht, seit vermehrt Corona-Infektionen in unserer Kita auftauchen: Denn nur wenn es einen Fall gibt, müssen alle Kinder der entsprechenden Gruppe zwei Wochen lang an drei festgelegten Tagen pro Woche einen Test machen. Es reicht allerdings ein Selbsttest zu Hause – man weiß ja, dass die deutlich weniger aussagekräftig sind.
Trotzdem habe ich schon Sorge vor nächster Woche, wenn dieser Corona-Sonderstatus möglicherweise wieder endet und die Tests wieder freiwillig sind. Denn vermutlich werden die meisten ihre Kinder ungetestet schicken. Mehrmals haben wir über den Elternrat versucht, verpflichtende Selbsttests an zwei Tagen pro Woche in unserer Kita einzuführen – zu viele Eltern lehnten das ab, weil sie die Kinder nicht unnötig belasten wollten.
Warum gibt es keine verpflichtenden Tests?
Wenn das auf Eingeninitiative nicht klappt, sollte es von staatlicher Seite aus eine Testpflicht geben. Ich verstehe nicht, warum es in Schulen eine Testpflicht gibt, in Kitas aber nicht. Warum kann man für Kitakinder einerseits eine Impfpflicht gegen Masern durchsetzen, aber keine Testpflicht?
Erst seit paar Wochen wird das Thema PCR-Tests in Kitas in Bergisch Gladbach ernsthaft diskutiert. Köln macht schon lange vor, wie es gehen kann. Hier sollten die Lolli-PCR-Tests jetzt eigentlich auch endlich kommen. Aber ob das in Zeiten von überlasteten Laboren noch kommt, bezweifle ich. Und so schicken wir unser Kind mit ungutem Gefühl in die Kita.
Durchseuchung scheinbar von Politik gewünscht
Die Durchseuchung ist scheinbar von der Politik gewünscht, obwohl man bisher nur wenig über Langzeitfolgen von Coronainfektionen bei Kindern weiß. Das Thema Kinder und Familien hat in der Politik keine Priorität. Dabei sind doch die Kinder die Zukunft der Gesellschaft. Es ist unfassbar: Seit zwei Jahren gibt es die Pandemie, aber noch immer keine anständige Teststrategie in Kitas. Eine solche Planlosigkeit macht mich wütend.
Mutter, 38, Bergisch Gladbach, 2 Kinder (2 und 6 Jahre)