Kölner Box-Legende Jupp ElzeEin Schlag zu viel
Vor 50 Jahren ging der Kölner Mittelgewichts-Boxer Jupp Elze beim Kampf gegen Carlos Duran um den Europameister-Titel in der Deutzer Sporthalle K.o. Acht Tage später starb er an einer Gehirnblutung.
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Nur noch ein paar Sekunden - und Josef "Jupp" Elze wäre am Ziel seiner Träume gewesen. Dann traf den Kölner Mittelgewichts-Boxer in der 15. Runde im Kampf um die Europameisterschaft in der Sporthalle auf dem Messegelände in Deutz ein Schlag seines Gegners Carlo Duran hart am Hinterkopf. Das war am heutigen Dienstag vor 50 Jahren. Dieser letzte Schlag Durans war fatal, es war der eine Schlag zu viel. Dieser Schlag beendete jäh alle Hoffnungen Elzes auf Titel, Ruhm und Reichtum - acht Tage später, am 20. Juni 1968, nach Notoperation und Koma, starb der damals 28 Jahre alte Familienvater.
Jupp Elze erlag den Folgen einer Gehirnblutung. Und war - das ergab die Obduktion - voll gepumpt mit einem Cocktail aus Dopingsubstanzen, unter anderem dem Stimulans Pervitin. Das wurde im Zweiten Weltkrieg als "Panzerschokolade" oder "Fliegermarzipan" eingesetzt und sollte Soldaten die Angst nehmen und ihnen zu gesteigerter Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit verhelfen. Dinge, die auch einem Boxer im Ring zum Sieg verhelfen können. Allerdings zu dem Preis, dass natürliche Schutzmechanismen des menschlichen Körpers außer Betrieb gesetzt werden.
Erster Sportler, der an den Folgen von Doping starb
So ging Elze, der als Box-Champion die Welt in einer Zeit erobern wollte, in der das Profiboxen angeführt von einem gewissen Muhammad Ali eine weltweite Hochphase erlebte, als erster Profisportler in die Geschichte ein, der an den Folgen von Doping starb. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden zwar ergebnislos eingestellt und Manager (der spätere Fußballmäzen und langjährige Präsident von Fortuna Köln, Jean Löring), Trainer (Hans Weinbach) und Umfeld (unter anderem der Masseur und Radsportler Peter Herzig) des Boxers wurden nicht belangt. Aber ohne Doping hätte Elze die 150 Treffer, die an jenem Abend an seinen Kopf krachten, kaum weggesteckt und bis zu jenem tragischen Schlag zu viel in der 15. Runde durchgehalten. Das gilt als sehr wahrscheinlich. Aber beweisen kann und konnte das niemand.
All die Schläge des aus Argentinien stammenden Italieners Duran, den Elze drei Jahre zuvor schon einmal nach Punkten besiegt hatte, der Kölner habe sie "total widerstandslos hingenommen", wie sich der Frankfurter Journalist und Boxspezialist Hartmut Scherzer erinnert. Er hat den Kampf am 12. Juni 1968 am Ring miterlebt. Und sagt noch heute: "Es war unverantwortlich, dass Elzes Team das nicht beendet hat. Die Ringrichter waren damals noch nicht so zimperlich wie heute, ein Abbruch lag in der Verantwortung der Ecke."
Doch der EM-Sieg war Elzes großes Ziel. Er hätte ihm den internationalen Durchbruch verschafft und aus seiner finanziellen Notlage geholfen. Und er galt als hart im Nehmen. Der Kampf war brutal, aber ausgeglichen. Nach der 14. Runde habe Elze auf den Zetteln der Punktrichter sogar vorn gelegen, heißt es.
Der Journalist Rolf Kunkel, der den EM-Fight damals fürs Radio kommentierte, erzählte vor einigen Jahren in einem Interview mit der "taz": "Nicht nur das Programmheft kriegte Blut ab. Meine Frau kann sich daran erinnern, dass sie mein Hemd am nächsten Morgen in die Reinigung bringen musste." Die Rundfunkreporter direkt am Ring hätten "ganze Fontänen an Schweiß und Blut abbekommen" - und sich gefragt, warum niemand den Kampf abbricht, so Kunkel.
Kampf gegen „de Aap“
Für Jupp Elze, am 14. Dezember 1939 in Köln geboren, Sohn eines Kraftfahrers, selbst gelernter Metallarbeiter, war das Boxen, das er als Amateur bei den Faustkämpfern Kalk erlernt hatte, die Chance, einem Leben im Arbeitermilieu zu entkommen. 1961 wurde er Profi, drei Jahre später Deutscher Meister und ein lokale Größe.
Seinen ersten Angriff auf die EM-Krone unternahm Elze am 14. Mai 1966 in der Berliner Deutschlandhalle gegen den Italiener Nino Benvenuti. Der Kölner unterlag dem legendären Olympiasieger von 1960 und späteren Profi-Weltmeister allerdings durch technischen Knock-out in Runde 14. Knapp vier Monate später verteidigte Elze seinen Titel als Deutscher Meister gegen Peter "de Aap" Müller, seinen Vorgänger als Kölner Box-Held. Müller ging K. o. und kassierte seine dritte Niederlage in Folge, anschließend beendete er seine Karriere.
Bis Elze eine neue WM-Chance erhielt, vergingen knapp zwei Jahre. Er machte in dieser Zeit zehn weitere Kämpfe, zweimal verlor er. Trotz dieser vielen Ring-Auftritte stand Elze vor dem Duell gegen Duran kurz vor dem finanziellen Ruin. Er lebte ständig auf Pump und brauchte seine Kampfbörsen (von denen einen Großteil ohnehin sein jeweiliges Management einbehielt), um Schulden und Forderungen des Finanzamtes zu begleichen. Vor dem EM-Kampf gegen Duran hatte er sogar seine Lebensversicherung aufgelöst. Er brauchte das Geld und setzte alles auf die eine Karte Titelgewinn, Ruhm und Reichtum.
Das Duell gegen Duran sollte eigentlich bereits am 8. Juni 1968 in der nicht überdachten Kölner Radrennbahn stattfinden. Doch wegen Regens wurde es auf den 12. Juni verschoben und in die Sporthalle in Deutz verlegt. Der heute 79 Jahre alte Willi Struben, damals live dabei, erinnerte sich kürzlich im "Kölner Stadt-Anzeiger": "Damals waren solche Großereignisse vor der eigenen Haustür eine Rarität, hatten einen ganz anderen Stellenwert als heute." Und damals war ein EM-Kampf im Profiboxen anders als heute eine große Sache.
Elzes Tod löste viele Diskussionen aus
Vier Jahre zuvor etwa war Karl Mildenberger Europameister im Schwergewicht geworden - was ihm am 10. September 1966 sein trotz einer Niederlage legendäres Duell gegen Muhammad Ali vor 45000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion einbrachte.
Geschichten wie diese dürften die Träume des Jupp Elze genährt haben. Er galt als technisch limitiert, doch ihn zeichneten Schlaghärte, Tempo und Ausdauer aus. An das Ende jenes tragischen Abends vor 50 Jahren erinnerte sich Zeitzeuge Hartmut Scherzer vor 25 Jahren in der "FAZ" so: "In der 15. Runde lässt Jupp Elze wehrlos, aber mit unglaublicher Widerstandskraft einen Schlaghagel nach dem anderen über sich ergehen. Anderthalb Minuten trennen ihn noch vom Titel. Er muss nur durchstehen. Da trifft ihn eine harte Rechte Durans. Elze sinkt auf die Knie, hört offenbar noch, wie der Ringrichter zählt. Bei "acht" hebt er die rechte Faust zum Zeichen der Aufgabe und steht auf. Duran reißt jubelnd beide Fäuste hoch." Kurz darauf bricht Elze bewusstlos zusammen. "Duran wird der Siegerkranz um den Hals gehängt, Elze eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht gedrückt", so beschrieb es Scherzer. Auch eine kurz darauf erfolgte Notoperation in der Kölner Uni-Klinik kann Elze nicht retten. Er erwacht nicht mehr aus dem Koma und stirbt acht Tage später.
Sein Tod löste vielerlei Diskussionen aus. Es wurde mal wieder hinterfragt, ob Profiboxen tatsächlich Sport oder nicht doch eher legitimierter Totschlag sei - woraufhin zumindest die Regeln angepasst wurden: Die Rundenzahl wurde von 15 auf zwölf verkürzt, die Unzenzahl, sprich die Polsterung der Handschuhe wurde erhöht und Dopingkontrollen wurden eingeführt. Auch die Mitte der 60er Jahre aufgekommene Doping-Bekämpfung im Spitzensport erhielt einen (wie wir heute wissen, nicht all zu nachhaltigen) Schub. Und die Abhängigkeit der Boxer von profitorientierten Managern geriet einmal mehr in Verruf. Aber bis heute hat sich auch daran wenig geändert.
Bevölkerung half der Familie
Immerhin: Der Medienrummel um Elzes Tod brachte verschiedene Benefizaktionen zugunsten seiner Frau und seines Sohnes hervor, am Ende blieb ihnen statt der Mittellosigkeit ein Eigenheim. In Köln engagierte sich besonders der "Express". Und in Frankfurt organisierte Hartmut Scherzer ein Benefiz-Fußballspiel von Journalisten gegen ein Team aus Boxern, dem unter anderem Karl Mildenberger und Peter Müller angehörten. Sie wurden von dem ehemaligen Eintracht-Profi Richard Kress unterstützt - und gewannen 4:1.
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