„Kann der Kanzler Krise?“ Unter diesem Motto hat sich der Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagabend bei RTL in einer Spezialsendung den Fragen der Bürger gestellt. Angesichts der Entwicklungen im Ukraine-Krieg sowie den Auswirkungen der Kampfhandlungen auf Deutschland und der deutlichen Niederlage seiner SPD in Nordrhein-Westfalen waren die Themen dabei breit gefächert.
Das Format ist ungewöhnlich: Insgesamt vier Wählerinnen und Wähler sitzen mit dem Kanzler an einem Tisch, sie dürfen Scholz löchern. Ihre Fragen sind so unterschiedlich wie sie selbst. Ein Stahlarbeiter, eine Ukrainerin, deren Eltern in Odessa leben, eine alleinerziehende Mutter und ein selbstständiger Finanzdienstleister – RTL hat eine heterogene Mischung zusammengestellt.
Pinar Atalay konfrontiert Scholz zu Beginn mit Umfrage zur Kommunikation
Zunächst aber eröffnet Moderatorin Pinar Atalay die Fragerunde und konfrontiert den Kanzler zu Beginn mit dem Ergebnis einer Forsa-Umfrage, laut der 68 Prozent der Meinung sind, der Scholz würde seine Politik nicht ausreichend erklären. Scholz nimmt das gelassen, dafür sei er ja nun hier.
Angesprochen auf die NRW-Wahl liefert Scholz aber wenig neues. Man hätte sich ein besseres Ergebnis gewünscht, eine Koalition mit der SPD an der Spitze sei aber nicht völlig ausgeschlossen, so Scholz.
Kanzler Scholz zeigt bei RTL Verständnis für Sorgen
Im Anschluss mischen auch die geladenen Bürgerinnen und Bürger mit. Für die Sorgen wegen anhaltend steigender Preise hat Scholz Verständnis. Scholz verweist auf die Hilfspakete der Bundesregierung, er mache sich aber „wirklich Sorgen, dass es viele gibt, die auch wenn sie drei Mal jeden Cent umdrehen, trotzdem nicht gut zurechtkommen“. Romy Puhlmann überzeugt das nicht, die alleinerziehende Mutter von vier Kindern hat Angst, dass die Hilfen zu spät ankommen. Scholz verspricht, die Beschlüsse gingen „mit großem Tempo voran“.
Finanzdienstleister Philipp Meyer hat keine Geldsorgen. Ihm geht es an diesem Abend unter anderem darum, wer denn all die Schulden zurückzahlen solle, die die Bundesregierung in Krisenzeiten mache. „Wir werden im Wesentlichen aus ihnen raus wachsen“, erwidert Scholz.
Stahlarbeiter sieht Job in Gefahr – Scholz verspricht Tempo
Um die Zukunft der Stahlbranche geht es Chris Rücker, einem Stahlarbeiter aus Eisenhüttenstadt. Er sieht seinen Arbeitsplatz in Gefahr, weil die geplante Umstrukturierung nicht vorankomme. Abermals verspricht der Kanzler Tempo: „Wir werden das in diesem Jahr alles auf den Weg bringen.“
Die Ukrainerin Viktoria Prytuliak, seit 16 Jahren in Deutschland, interessiert sich insbesondere für die Waffenlieferungen an ihr Heimatland. Wann die Lieferungen endlich ankommen, will sie wissen. Scholz zählt auf, was bereits geliefert worden sei, es werde „keine Zeit verzögert“, man liefere „das modernste, das wir überhaupt verfügbar machen können“, sagt Scholz. Spätestens hier zeigt sich, dass die Gäste völlig unterschiedliche Ansichten haben. Chris Rücker sieht die Waffenlieferungen kritisch, er fürchtet eine Eskalation. „Was ist denn, wenn der Putin mal richtig ausflippt? Was soll denn dann passieren“, so der Stahlarbeiter.
Scholz widerspricht und betont die Wichtigkeit der Ukraine-Unterstützung auch aus Deutschland. In Sachen Abhängigkeit von russischem Gas, räumt der SPD-Politiker Fehler ein. „Ja, wir hätten uns immer in die Lage versetzen müssen, jederzeit andere Lieferanten in Anspruch zu nehmen, indem wir die Pipelines, die Häfen bauen, wo man dann von woanders das Gas bekommen kann“, so Scholz.
Scholz am Ende der Sendung zufrieden – Gäste geteilter Meinung
Angesprochen auf seine bislang ausgebliebene Ukraine-Reise, bleibt Scholz gelassen. Er wolle nicht nur für einen Fototermin nach Kiew reisen und telefoniere regelmäßig mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der Finanzdienstleister unterbricht den Kanzler und wirft ihm vor die Symbolik einer solchen Reise zu unterschätzen. Scholz antwortet trocken: Er unterschätze das nicht, doch auf die Gespräche komme es an.
Am Ende stellt sich die die Frage, ob Scholz' Kommunikation nun klarer geworden sei? „Durchschnittlich“, sagt die Bürgerin neben ihm. Scholz nimmt die Reaktion mit einem Lächeln auf, er scheint zufrieden mit dem Verlauf der Sendung. „Solche Gespräche sind mit das, was ich am liebsten mache“, sagt er. (pst)