Angriff in WienWas wir über den Terroranschlag wissen – und was nicht
Wien – Nach dem Terroranschlag in Wien am Montagabend ist noch nicht klar, ob der Täter alleine gehandelt hat oder ob er Komplizen hatte. Sicher ist: mindestens vier Passanten sind bei der Bluttat ums Leben gekommen, auch ein Täter wurde erschossen.
Was wir wissen
Die Tat: Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Corona-Lockdowns in Österreich. Die ersten Schüsse fielen nach Angaben von Innenminister Karl Nehammer am Montagabend um 20 Uhr. Bewaffnet mit einem Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete sowie einer Sprengstoffgürtel-Attrappe feuerte ein Mann in die Menge und wahllos in Lokale. Ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Bei den vier Todesopfern handelt es sich nach Angaben von Kanzler Sebastian Kurz um einen älteren Mann, eine ältere Frau, einen jungen Passanten und eine Kellnerin.
Bei dem Angriff wurden außerdem mindestens 22 weitere Menschen verletzt. Einige von ihnen erlitten nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA lebensgefährliche Verletzungen.
Nach Angaben von Nehammer dauerte es neun Minuten, bis die Polizei den Täter ausschalten konnte. Der Attentäter habe zu diesem Zeitpunkt noch viel Munition bei sich getragen.
Der Täter: Der 20 Jahre alte Täter wurde von der Polizei erschossen. Nach Angaben von Innenminister Nehammer hieß er Kujtim Fejzulai und hatte neben der österreichischen auch die mazedonische Staatsbürgerschaft.
Er hatte Nehammer zufolge in der Vergangenheit versucht, nach Syrien auszureisen, um sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Er wurde jedoch aufgehalten und am 25. April 2019 wegen versuchter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt. Am 5. Dezember wurde er demnach als junger Erwachsener vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.
Dem Mann sei es gelungen, die Behörden vor seiner vorzeitigen Haftentlassung über den Misserfolg seiner Deradikalisierung zu täuschen, so Nehammer. Es habe keine Warnhinweise über die Gefahr durch den 20-Jährigen gegeben.
Der Ort: Die Polizei benannte sechs Orte, darunter die Seitenstettengasse, den Morzinplatz, den Fleischmarkt und den Bauernmarkt. Einer der Orte liegt nahe der Wiener Hauptsynagoge. dpa konnte nach Sichtung der Bildmaterialien zwei weitere Orte identifizieren.
Nach der Tat war die Wiener Innenstadt zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an.
Die Hintergründe: Der Anschlag geht nach den Worten von Innenminister Nehammer auf das Konto mindestens eines islamistischen Terroristen. Der Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, sagte er.
Die Ermittlungen: Nach Angaben des Innenministeriums in Wien waren rund 1000 Beamte im Einsatz. Nach dem Anschlag seien insgesamt 18 Wohnungen durchsucht worden, die Wohnung des Täters sei aufgesprengt worden. Insgesamt 14 Personen seien vorläufig festgenommen worden, teilte Nehammer mit. Zuvor war bereits bekannt geworden, dass die Polizei in St. Pölten westlich von Wien zwei Menschen festgenommen hatte, zudem gab es in niederösterreichischen Landeshauptstadt zwei Hausdurchsuchungen. Der „Kurier“ berichtete, es handele sich um Kontaktadressen des mutmaßlichen Attentäters.
Was wir nicht wissen
Täter und mögliche Hintermänner: Zunächst hatte die Polizei nicht ausgeschlossen, dass an dem Schusswechsel weitere Täter beteiligt gewesen sein könnten. Die Innenstadt war nachts weitgehend abgeriegelt. Am Vormittag waren dort wieder Passanten unterwegs.Am Dienstagnachmittag hatte das Innenministerium noch keinen Hinweis auf einen zweiten Täter bei dem Anschlag in Wien. Das gehe aus den bisherigen Ermittlungen und den Auswertungen von vielen der rund 20 000 Videos hervor, die die Bürger der Polizei zur Verfügung gestellt hätten, sagte Innenminister Nehammer vor Journalisten.
Unklar ist auch noch, ob der getötete Schütze Unterstützer im Hintergrund hatte. Offen ist etwa, wie er sich die Waffen besorgen konnte. Nach Behördenangaben wurden in seiner Wohnung Munitionsteile gefunden.
Das Motiv: Trotz der Verbindung zur Terrormiliz IS ist das konkrete Motiv für die Tat ebenso wenig bekannt wie ein Bekennerschreiben oder -video. Wollte der Schütze Panik im gut besuchten Ausgehviertel verbreiten oder hatte er sich die Synagoge als Ziel ausgesucht? Nach Angaben des Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, waren allerdings sowohl die Synagoge als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen.
Überwachung: Der Täter war einschlägig vorbestraft. Ob und wie die Sicherheitsbehörden ihn auch nach seiner vorzeitigen Haftentlassung auf dem Schirm hatten, blieb zunächst offen. Er habe sich in seiner Bewährungszeit frei bewegen können, sagte Innenminister Nehammer. (dpa)