Rassismus-Kritik auch am FilmRavensburger zieht Winnetou-Bücher zurück
Köln – Der Ravensburger Verlag hat zwei Kinderbücher vom Markt genommen, die als Begleitung zum neuen Film „Der junge Häuptling Winnetou“ erschienen sind. Es geht um das „Buch zum Film“ ab 8 Jahren und das „Erstlesebuch zum Film“ ab 7 Jahren. Grund ist teils harsche Kritik in den sozialen Medien. Der Ravensburger Verlag schreibt, man reagiere auf die „vielen negativen Rückmeldungen“, man habe die Gefühle anderer nicht verletzten wollen.
Winnetou-Bücher: Kritiker werfen Verlag Rassismus vor
Dem Verlag war Rassismus vorgeworfen worden. Die Bücher von Karl May zeichneten ein kolonialistisch geprägtes Bild der Ureinwohner Nordamerikas, und auch die Neu-Adaption würde in keiner Weise den zeitgemäßen Anspruch an antirassistische, diverse Kinderliteratur erfüllen. Es handele sich bei der Winnetou-Saga um kulturelle Aneignung durch Weiße, die wie im Fall von Karl May romantisch verklärt auf Menschen blicken, an denen ihre Landsleute einen Genozid verübt hätten.
Grundlage der Bücher ist der Film „Der junge Häuptling Winnetou“ des Regisseurs Mike Marzuk, der seit dem 11. August in den Kinos läuft. Die Geschichte wird in die Jugend der Protagonisten verlegt. „Der 12-jährige Winnetou ist der Sohn des Häuptlings des Stammes der Apachen. Obwohl er noch jung ist, meint Winnetou schon ein großer Krieger zu sein und will dies auch seinem Vater beweisen, der anderer Meinung ist.
Als seinem Stamm eine Hungersnot droht, weil die Büffelherden verschwunden sind, sieht Winnetou seine Chance, zu beweisen, wie mutig er ist. Unterstützung bekommt er von seiner Schwester und einem Jungen aus der Stadt, der eigentlich sein Feind sein sollte“, heißt es in der Filmbeschreibung.
Winnetou-Film erhält Förderung und Auszeichnung
Der Film wurde vom Film-Fernseh-Fonds Bayern mit 950.000 Euro gefördert und erhielt zudem das Prädikat „besonders wertvoll“ der „Deutschen Film- und Medienbewertung“. Insofern sah sich der Ravensburger Verlag vermutlich mit seinen Büchern auf der sicheren Seite. Allerdings gab es gegen diese Bewertung ganz offensichtlich erbitterten Widerstand einzelner Jury-Mitglieder, wie sich auf der Website der Organisation erkennen lässt.
Diese bemängelten, es sei nicht mehr zulässig, einen Jugendfilm mit „derart mythisch aufgeladener und klischeehaft darstellender Karl May-'Folklore'“ zu realisieren. Es ist von „Kitsch der 1960er Jahre“ die Rede. Das Unrecht, was der indigenen Bevölkerung zugefügt wurde, würde vollkommen ausgeblendet zugunsten einer literarischen Idylle und Lüge.
Die Mehrheit der Jury-Mitglieder spricht jedoch von einer zulässigen Fiktion. Es sei allgemein bekannt, dass es bei Karl May um Märchen und nicht die Realität indigener Völker gehe.
Kritik am „redfacing“ im Winnetou-Film
Kritik am Film kommt jedoch nicht nur von einigen Jury-Mitgliedern, sondern auch von Rezensenten. So bemängelt die „Frankfurter Rundschau“ die „rassistische Darstellung indigener Völker Nordamerikas“. Das Stereotyp vom „edlen Wilden“ habe sich in Deutschland im Gegensatz zu Hollywood offenbar gehalten, das Volk der Apachen würde dargestellt wie bei einer Kölner Karnevalsfeier – nämlich mit Hilfe von „redfacing“, dem Bemalen weißer Darsteller mit rötlichem Make-up.
Im Deutschlandfunk kommt ein in Deutschland lebender Angehöriger der Lakota zu Wort, der einem solchen Ansatz eine Trivialisierung des Völkermordes vorwirft. „Es ist rassistisch, was sie da machen“, sagt Tyrone White zum Thema redfacing. Indigene Menschen würden wie auch in diesem Film noch viel zu oft als Phantasiefiguren betrachtet.
Aufregung über „Winnetou-Woke-Wahnsinn“ bei Ravensburger
Der Ravensburger Verlag schließt sich nun nachträglich den kritischen Stimmen an und revidiert seine Entscheidung, die Bücher zu verlegen. Auch ein Sticker-Buch und ein Puzzle werden vom Markt genommen. Die Entscheidung, die Titel zu veröffentlichen, würde man heute nicht mehr so treffen, heißt es. Man entschuldige sich.
Dass man mit diesem Statement eine andere Usergruppe gegen sich aufbringt, ist klar. Zahlreiche Menschen beschweren sich über das angebliche Einknicken des renommierten Verlags vor dem „Woke-Wahnsinn“. Die Aufregung über Winnetou sei lächerlich und kleinlich, man solle den Kindern doch nicht den Spaß nehmen, meinen sie. Und überhaupt solle man doch getrost von „Indianern“ sprechen. Der Vorwurf der kulturellen Aneignung erinnert manche an die Anschuldigungen gegen weiße Musiker mit Dreadlocks.
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Die Debatte lässt sich als Teil einer größeren Diskussion um die Adaption von speziell Kinder- und Jugendbüchern in die heutige Zeit verstehen. Die Meinungen darüber, ob man selbst Klassiker wie „Pippi Langstrumpf“ anpassen sollte, gehen stark auseinander. Formulierungen, die heute als eindeutig rassistisch verstanden werden, sind in vielen Texten vorhanden.
Winnetou ist ein fiktiver Häuptling der Mescalero-Apachen, der in den Büchern des Deutschen Karl May (1842 bis 1912) den „edlen guten Wilden“ verkörpert. 1893 erschien die erste Winnetou-Trilogie. Der Stoff wurde mehrfach verfilmt, unter anderem mit Pierre Brice in der Hauptrolle. Karl-May-Festspiele gibt es in Bad Segeberg und in Elspe.