BeethovenhalleChronologie der Debatte über Abriss, Neubau und Renovierung
Bonn – Im Jahr 2020 begehen Bonn, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, ja eigentlich die ganze Welt den 250. Geburtstags des Komponisten-Genies Ludwig van Beethoven. In seiner Geburtsstadt Bonn, in der Beethoven am 17. Dezember 1770 getauft wurde, laufen seit Jahren die Vorbereitungen für das große Jubiläum. Über die Frage, an welchem Ort, denn eigentlich zentral des größten Sohnes der Stadt gedacht werden soll, wird sogar noch länger debattiert. Die 1959 eingeweihte Beethovenhalle am nördlichen Rand der Bonner Innenstadt ist dafür eigentlich der prädestinierte Ort.
Doch im Zusammenhang mit dem seit Ende der 1990er Jahre neu in Bonn etablierten jährlichen Beethovenfest wuchs unter Musikern und Kulturverantwortlichen die Unzufriedenheit mit dem direkt am Rhein gelegenen Konzertsaal. Eine Debatte über den Neubau eines Festspielhauses hob an, die schon bald mit dem Beethoven-Jubiläum und der Frage einer Renovierung des in die Jahre gekommenen Konzertgebäudes verknüpft wurde. Eine Chronologie.
2007 - Post, Telekom und Postbank wollen Festspielhaus finanzieren
Die drei in Bonn beheimateten Unternehmen Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank AG bekunden im Frühjahr 2007 die Bereitschaft, ein neues Beethoven-Festspielhaus zu finanzieren. Kostenrahmen: 75 Millionen Euro. Der Rat der Stadt Bonn stimmt dem Projekt Mitte Juni 2007 in einem Grundsatzbeschluss zu. In diesem Beschluss hält der Rat fest, dass das Festspielhaus neben der Beethovenhalle oder jedenfalls „in unmittelbarer Nähe“ errichtet werden soll.
2008 - Architektenauswahlverfahren
Die drei potenziellen Geldgeber für das Festspielhaus suchen sich im Oktober 2008 elf internationale Architektenbüros aus, die beauftragt werden, Entwürfe einzureichen. Dabei ignorieren Post, Telekom und Postbank jedoch die Vorgabe der Stadt, dass die Beethovenhalle erhalten und das Festspielhaus in dessen Nähe errichtet werden soll. Sie räumen vielmehr den Abriss der Halle als Möglichkeit ein. Die vier favorisierten Entwürfe sehen sämtlich einen Abriss der Beethovenhalle vor.
Mitte Juni 2009 teilt die Post mit, die Büros von Zaha Hadid und Hermann & Valentiny seien die Sieger des Auswahlverfahrens.
2009 - Unterstützer und Gegner formieren sich
Die Unterstützer des Projektes tun sich im Dezember 2009 unter dem Namen „Fest.Spiel.Haus.Freunde“ zusammen. Die Gegner firmieren unter dem Slogan „Für eine soziale Stadt Bonn – gegen den Bau eines Festspielhauses“.
2010 - Das Festspielhaus wird auf Eis gelegt
Am 21. April 2010 teilt der neue Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch nach Absprache mit den Vorständen der drei Sponsoren mit, dass das Projekt Festspielhaus einstweilen nicht weiter verfolgt werden soll. Zuvor hatte er angekündigt, die Bürger zu dem Projekt befragen zu wollen. Aber dazu kam es dann nicht mehr. Die finanzielle Lage der Stadt ist – wie damals bereits seit Jahrzehnten – prekär. Außerdem hat Nimptsch von seiner Vorgängerin Dieckmann die politische Verantwortung für den Bauskandal rund um das UN-Kongresszentrum geerbt. Dessen finanzielle Konsequenzen für den Haushalt der Stadt sind 2010 noch nicht absehbar.
2010/2011 Geldgeber springen ab
Erst die Telekom im September 2010 und dann die Postbank im Frühjahr 2011 ziehen ihre Absichtsbekundung, den Bau des Festspielhauses mitfinanzieren zu wollen, wieder zurück. Eine rechtsverbindliche Zusage über die Zahlung der Millionensummen hat es ohnehin nie gegeben.
2011 Rettungsversuche für das Projekt
Im Verlauf des Jahres gibt es verschiedene Initiativen mit dem Ziel, das Festspielhaus-Projekt vor dem endgültigen Aus zu retten. Dabei wird zunächst an ein Baugrundstück sozusagen zu Füßen des verbliebenen Sponsors, der Deutschen Post AG, im Rheinauenpark gedacht, später erneut der Bau direkt südlich neben der alten Beethovenhalle auf einem zu räumenden Baugrundstück am Rhein favorisiert.
Die Post will 30 Millionen Euro einbringen, die Finanzierungslücke von 40 bis 50 Millionen Euro sollen weitere private Sponsoren füllen. Bis Mitte 2012 will der Stadtrat Klarheit haben, ob das möglich ist.
Parallel dazu wird von verschiedenen Seiten immer deutlicher für eine umfassende Modernisierung der Beethovenhalle geworben. Die hatte mindestens bis 2009 in den oberen Etagen der Stadtverwaltung gewichtige Gegner.
Die Frage etwa, ob denn der 50. Geburtstag der Beethovenhalle feierlich begangen werden soll, beantwortete der damalige Kulturdezernent der Stadt Bonn, Ludwig Krapf, 2009 folgendermaßen: Die Beethovenhalle könne die „Perspektive als akustisch hochkarätiges, international anerkanntes Konzerthaus“ nicht erfüllen. Deshalb sehe man von Jubiläumsveranstaltungen ab.
2015 Projekt Festspielhaus wird beendet
Nachdem insbesondere die Finanzierungsfrage letztlich ungeklärt bleibt, zieht sich die Deutsche Post AG im Juni 2015 aus dem Projekt zurück. Post-Vorstandschef Frank Appel bemängelt in seiner Begründung den fehlenden Schulterschluss in der Stadt mit dem Projekt.
2016 Ratsmehrheit stimmt für Sanierung der Beethovenhalle
Im April 2016 stimmen CDU, FDP, Linke, AfB und Grüne für die Sanierung der Beethovenhalle. Der Kostenrahmen sollte ursprünglich bei 60,7 Millionen Euro liegen. Bereits 2013 hatte der Rat die Stadtverwaltung beauftragt, einen Kosten- und Zeitplan für die Sanierung der Beethovenhalle zu erstellen. Ziel: Aus dem Konzertsall der 1950er Jahre soll eine Multifunktionshalle werden. Die Sanierung beginnt Mitte November 2016 nach dem Ende des Beethovenfestes.
2017/2018 Kosten steigen, der Termin der Fertigstellung verzögert sich
Bis Juni 2018 steigt die Kostenprognose auf 79 Millionen Euro, im Oktober 2018 werden es 94 Millionen Euro. Grund: Der zum Teil aus Weltkriegsschutt bestehende Baugrund. Die Beethovenhalle war 1959 auf dem Gelände der im Krieg von Bomben zerstörten Universitätsklinik gebaut worden. Der problematische Baugrund war in der Stadtverwaltung eigentlich bereits seit 1996 bekannt, oder besser: wieder ins Bewusstsein gerückt. Denn den Verantwortlichen in den 1950er Jahren dürfte klar gewesen sein, auf was für einem Boden die Beethovenhalle errichtet wurde.
2019 Wiedereröffnung verschiebt sich auf 2022
Im März 2019, da sollten die Arbeiten eigentlich beendet sein, teilt die Stadt mit, dass die Kosten auf 102 Millionen Euro steigen und die Sanierung nicht vor 2022 beendet sein wird. Ende Juni ist von schlimmstenfalls 166 Millionen Euro die Rede. Im Dezember wird deutlich, dass sich die Sanierungsarbeiten unter Umständen bis 2024 hinziehen können. (ps)