Diskussion im NRW-LandtagUmstrittene Beiträge für Straßenbau stehen auf dem Prüfstand
- Die Straßenbaubeiträge in NRW sind unbeliebt, unfair und umstritten.
- Im NRW-Landtag stellen Experten die Kostenbeiträge nun auf den Prüfstand.
- Eine Schleidener Bürgerinitiative stellt sich dagegen, sie sagen: „Schöne Straßen an leeren Häusern – nein danke!“
Düsseldorf – Die Bürger der Eifel-Gemeinde Schleiden haben zu den Straßenausbaubeiträgen, die in Paragraf 8 des Kommunalabgabengesetzes geregelt sind, eine klare Meinung. „Dieses Gesetz ist rücksichtslos und ungerecht. Es missachtet das Verursacherprinzip und bedroht Existenzen“, sagt Lydia Schumacher von der Bürgerinitiative „Schöne Straßen an leeren Häusern – nein danke!“
Schumacher ist eine der Expertinnen, die am Freitag im Düsseldorfer Landtag von den Parlamentariern um Stellungnahmen zu einer Abgabe gehört werden, die höchst umstritten ist. In Schleiden gebe es einen Fall, da sei ein junges Paar weggezogen, weil die Beiträge zum Straßenausbau den Wert der Immobilie überstiegen hätten.
Ein Eckgrundstück und zwei Beiträge für zwei Straßen – da könne das schon mal der Fall sein. „Wir Bürger können die Bagger nicht aufhalten, unsere Immobilie einpacken und in ein Bundesland ziehen, wo uns die Gesetzeslage besser gefällt“, sagt Schumacher.
Kommunale Selbstverwaltung
Das kann man so sehen. Doch die Lage nicht immer so eindeutig. Sollte das Land einspringen und die Ausbaubeiträge übernehmen, wie es die SPD-Opposition im Landtag fordert, müssten die Kommunen einen wichtigen Baustein ihrer Selbstverwaltung abgeben. Für den Bürgermeister der Gemeinde Weeze bei Mönchengladbach kommt das gar nicht Frage. „Wir regeln das seit Jahren im Einvernehmen mit den Bürgern selbst“, sagt Ulrich Francken (CDU). Die kommunale Selbstverwaltung sei ein hohes Gut. #allarticles
Francken fordert die Politik auf, Rahmenbedingungen für Härtefälle zu schaffen: „Bei uns ist noch nie eine Oma vor die Tür gesetzt worden. Wir finden immer eine Lösung, am Ende vielleicht zum Nachteil von Erben.“ Fast 40 Jahre Arbeit der Kommunalpolitik hätten ihn eins gelehrt: „Wenn das Geld anderswo herkommen soll, bleiben wir am Ende auf den Kosten sitzen.“
Völlig anders sieht das sein Amtskollege aus Erndtebrück. Die Ausbaubeiträge hätten angesichts der extrem gestiegenen Baukosten „soziale Sprengkraft“, sagt Henning Gronau (SPD). Der kommunale Straßenbau liege brach. „Wo keine Straßen gebaut werden, zerstört man auch keine kommunale Einnahmequellen.“
Ungerechtes System
Das bestehende Berechnungssystem nach Grundstückslänge und Straßengröße ist laut Professorin Gisela Färber von der Universität Speyer schon deshalb ungerecht, weil es für alle Stadtteile in einer Kommune gleichermaßen gelte und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bürger nicht berücksichtige.
„Es macht in Düsseldorf schon einen Unterschied, ob das Haus in Golzheim oder Garath steht. Manche Grundstücke haben gleich drei Seiten , andere nur eine Garageneinfahrt“, sagt Färber. Die Abgabe abzuschaffen und das Land zahlen zu lassen, mache dennoch wenig Sinn. Färber plädiert für ein besseres kommunales Steuersystem. „Das ist eine Aufgabe des Bundes. Aber ein großes Land wie NRW könnte sich da einbringen. Es ist aber illusorisch zu glauben, dass wir das schnell lösen können.“
Resolutionen und Proteste aus dem Rheinland
Rhein-Sieg-Kreis: Der Ausbau der Hauptstraße in Winterscheid (Gemeinde Ruppichteroth) mit den zu erwartenden hohen Anliegerkosten hat im vergangenen Jahr den Widerstand der Bürger auf den Plan gerufen: Sie gründeten einen Verein und setzten durch, dass der Gemeinderat den Start der Bauarbeiten verschiebt, bis das Land eine Entscheidung in Sachen Finanzierung getroffen hat. Der Ausbau ist mit 2,7 Millionen Euro veranschlagt, 40 Prozent sollten die Anlieger übernehmen. (seb)
Rheinisch-Bergischer Kreis: Rösrath hat sich auf ähnliche Weise im Februar ein Jahr Zeit verschafft: Nach einem Bürgerantrag von Anwohnern des Rösrather Lindenwegs, alle Straßensanierungen mit Anlieger-Finanzierung so lange auszusetzen, bis der Landtag über eine Reform des Kommunalabgabengesetzes entschieden hat, beschloss der Hauptausschuss, dass ein Jahr lang nur noch neue Straßen gebaut werden sollen.
Oberbergischer Kreis: Etliche Städte- und Gemeinderäte haben Resolutionen gegen die Beiträge verabschiedet. Der Widerstand gegen die Kostenbeteiligung ist groß. Im Juli 2016 setzte sich der Reichshofer Gemeinderat über den Bürgerwillen hinweg und stimmte für den Bau eines Gehwegs, obwohl sich die Betroffenen in einer Bürgerbefragung dagegen ausgesprochen hatten. In Morsbach müssten die Bewohner des Ortes Flockenberg einen Teil der Arbeiten bezahlen, die Anwohner des Nachbarortes nicht. (höh)
Rhein-Erft-Kreis: In Frechen gibt es schon seit Monaten heftige Proteste gegen die Erhebung von Straßenbaubeiträgen. (rtz)