AboAbonnieren

75 Jahre Ardennen OffensiveAm Westwall wirkt die Faszination bis heute nach

Lesezeit 5 Minuten

Einen Versorgungsschacht des Westwalls zeigt Peter Drespa .

Kreis Euskirchen – Die Situation könnte vor 75 Jahren ähnlich gewesen sein: Im Tiefflug dröhnt das Flugzeug über die alte Flakstellung am Flugplatz Dahlemer Binz hinweg. Denn auch wenn der Westwall in Richtung Frankreich gerichtet war, so dürften die Flugzeuge im Luftraum über der Flakstellung in Schmidtheim aus der anderen Richtung gekommen sein.

„Die Flieger sind nördlich in das deutsche Reich gekommen, haben dort ihre Bomben abgeladen und sind dann über die Eifel wieder rausgeflogen“, erläutert Peter Drespa. Pures Kopfkino, das allerdings immer noch in den alten Betonstellungen des Westwalls aktiv ist.

„Der Westwall war keine Verteidigungslinie“

Immer noch prägt der Westwall die Landschaft an der deutsch-belgischen Grenze. Kilometerlang ziehen sich die Ketten der „Drachenzähne“, der Höckerlinien der Panzersperren, die teilweise in mehreren parallelen Linien den Wald oder die Felder zerteilen. Oft begegnen den Wanderern unvermutet die Ruinen der Bauwerke, die sich heute noch in den Wäldern der Eifel verstecken.

Gras überwuchert inzwischen die ehemaligen Abwehrstellungen.

Peter Drespa, der mit seinem Westwallzentrum seit 2007 aktiv ist, stellt dem seine Sicht der Dinge entgegen. „Der Westwall war keine Verteidigungslinie“, sagt er. Es handele sich um massiven Feldstellungsbau, keine Festung. Der Westwall sei tatsächlich für die Infanterie gebaut und als Ausgangspunkt für die Attacke auf Belgien genutzt worden.

Führung über Hintergründe des zweiten Weltkriegs

„Der Mythos war, Frankreich wird es nicht schaffen, hier hereinzukommen“, so Drespa. Eigentlich habe dagegen der Westwall den Zweiten Weltkrieg erst ermöglicht. Denn er habe als Rückversicherung den deutschen Truppen den Rücken für den Angriff auf Polen freigehalten. Fertiggebaut worden sei der Westwall nie. „Der Endausbau war für das Jahr 1952 geplant“, erläutert Drespa.

Original ist die Treppe zum Wasserbunker in Schmidtheim.

Der Westwall könne heute genutzt werden, um die politischen Hintergründe der Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges deutlich zu machen. Dafür braucht der ehemalige Berufssoldat viel Zeit: Drei Stunden dauert allein die kleine Führung, die vor allem die Anlagen des Westwalls in Schmidtheim zum Thema hat. Wer die kompletten zehn Bunker, die Drespa vorstellt, anfahren will, sollte sich noch mehr zeit nehmen: Sechs Stunden veranschlagt er dafür.

MG-Kasematte in Ormont unter Naturschutz

Der Höhepunkt ist die unzerstörte MG-Kasematte in Ormont. Sie ist nicht öffentlich zugänglich, denn sie liegt auf privatem Gelände. Nach dem Krieg wurde sie nicht gesprengt, da sie an einem Wohnhaus lag, aber mit Erde zugeschüttet. Im Jahr 2007 erfuhr Drespa von der Existenz des Bunkers und machte sich daran, das Bauwerk freizulegen. Viele der Bunkeranlagen sind in den Jahren nach dem Krieg gesprengt worden. Noch bis 2005, so Drespa, habe die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) alte Bunker am Schwarzen Mann gesprengt. Dann allerdings sei ihr Wert für den Naturschutz erkannt worden. Mittlerweile stehen zumindest in Rheinland-Pfalz die alten Betonbauwerke unter Denkmalschutz.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Es geht darum, dem Mythos zu entkräften“, sagt er. Denn der Westwall sei nicht, wie zum Beispiel die Maginot-Linie in Frankreich als Festungsbau angelegt gewesen. „In einer Festung kann nur Fachpersonal gebraucht werden.“ Ohne Besatzung sei die Festung hilflos. So habe der Westwall keinen defensiven Charakter gehabt. „Bei einem offensiven Charakter bringen die Leute ihre eigenen Sachen mit und können dann damit weiterziehen“, erläutert er.

Ein Bunker immernoch in Benutzung

Drespa hält die Anlagen, die er in seiner Führung zeigt, selbst in Ordnung. Dazu gehören der Wasserbunker in Schmidtheim und die dazugehörenden Flakstellungen. „Es ist nicht gesichert, dass von hier jemals geschossen worden ist“, sagt er, während über ihm eine einmotorige Propellermaschine zur Landung auf dem nur wenige Meter entfernten Flugplatz Dahlemer Binz ansetzt.

Die Perspektive könnte vor 75 Jahren ähnlich gewesen sein: Ein Flieger im Anflug auf die Dahlemer Binz über der Flakstellung aus dem Zweiten Weltkrieg.

Dazu zeigt er einen Bunker, der heute noch in Benutzung ist. Seltsame Geräusche dringen aus der Tiefe unter dem mehrere Meter dicken Beton. „Keine Sorge, da ist niemand drin“, lächelt Drespa vor der verschlossenen Tür. Das Geheimnis lüftet sich wenig später. Denn von diesem Bauwerk aus wird heutzutage der benachbarte Bauernhof mit Trinkwasser versorgt. Hier war die Quellfassung der Wasserversorgung für die Flakstellung. „In der Planung war es so, dass die Geschütze von Pferden gezogen wurden“, erläutert er. Dazu hätte jede Flakstellung eine Quellfassung und einen Wasserbunker gehabt. Noch heute ist zu sehen, wo die Leitung zu dem Wasserbunker nahe der Dahlemer Binz abging. Eine von einem Elektromotor betriebene Kreiselpumpe habe hier gestanden.

Führungen durch alte Bunker wieder in 2020

„Auch hier ist nicht nachzuvollziehen, ob die Anlage während des Zweiten Weltkrieges genutzt worden ist“, sagt er. „Die Faszination des Westwalles funktioniert noch“, warnt Drespa dennoch. Der Guide, der die Führungen macht, müsse in der Lage sein, diese Faszination aufzufangen. Probleme mit Besuchern, die rechte Gesinnung gezeigt hätten, habe er noch nicht gehabt. „Typen mit Bomberjacke und Kurzhaar gibt es hier nicht“, sagt er. Jeder Besucher bekomme von ihm das gleiche Programm.

Der Westwall

Auf einer Strecke von rund 630 Kilometern zieht sich der Westwall von Kleve bis an die Schweizer Grenze. Die Planungen begannen im Jahr 1936, errichtet wurde er zwischen 1938 und 1940. Neben den bekannten Höckerlinien bestand der Westwall vor allem aus verschiedenen Bunkern.

Der Westwall wurde als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit regulären Arbeitern errichtet. Dabei entstanden 18 000 Bunker und Kampfanlagen. Dazu etwa 250 Kilometer Höckerlinien und 90 Kilometer Panzergräben. Zu den Abwehrstellungen gehörte außerdem die Luftverteidigungszone West. (sev)

„Mit dem Westwall kann man nicht reich werden“, macht Drespa deutlich. Viel sei ehrenamtliches Engagement. Die vergangenen zwei Jahre habe er sich daher anderen Projekten gewidmet. Nach dem Aufbau des Museums in Elsenborn habe er bis zum Sommer im Ardennen-Center in Losheim eine Ausstellung über die Nachkriegsjahre in dem Eifelort installiert.

Demnächst, so kündigt der Erlebnispädagoge an, solle es wieder losgehen. Im Jahr 2020 werde das Westwallzentrum wieder seine Führungen durch die alten Bunker zeigen, so Drespa. Anfragen nach Führungen können unter der Telefonnummer 01 77/2994248 oder per E-Mail erfolgen.