Bad Münstereifelerin näht Schutzmasken„Helfen ist für mich selbstverändlich“
- Martina Unterharnscheidt aus Bad Münstereifel wollte gegen das Coronavirus helfen.
- Also setzte sie sich an die Nähmaschine. Seit dem 20. März näht sie Atemschutzmasken.
- Mittlerweile sind 500 Bestellungen bei ihr eingegangen. Sie berichtet aus ihrem neuen Alltag.
Bad Münstereifel – Die Idee kam am Tag des Frühlingsanfangs: Seit dem 20. März setzt sich Martina Unterharnscheidt in jeder freien Minute an ihre Nähmaschine. Sie näht. Keine Textilkunst wie sonst, sondern Behelfsmundschutze. An die 500 Bestellungen sind mittlerweile bei ihr eingegangen, sogar von Altenheimen, Pflegediensten und einem Krankenhaus.
„Nein, ich bin keine Heldin! Ich finde es einfach selbstverständlich zu helfen. Und ich habe Zeit.“ Martina Unterharnscheidt sitzt im kleinen Atelier ihres Häuschens am Eingang zur Bad Münstereifeler Altstadt. Von draußen leuchtet idyllisch das Licht der Straßenlaterne hinein. Doch für Idylle hat die 60-Jährige seit dem vergangenen Freitag keine Zeit mehr: Sie muss nähen, am besten rund um die Uhr.
„Eine Bekannte simste mich an, die eine Autoimmunkrankheit hat und keinen Mundschutz mehr bekommt. Ob ich ihr helfen könne, ich könne doch nähen.“ So einfach war das im Rückblick für sie – und der Beginn einer Lawine. Denn es blieb ja nicht bei dem einen Behelfsmundschutz, den sie nähen kann. Es blieb auch nicht dabei, dass sie den Service nur für ebenfalls etwa an chronischer Lungenentzündung Erkrankte im Kurort via Facebook anbot.
Hunderte Exemplare von Freunden bestellt
Ein Infektionsschutz für Einzelne? Da unterschätzte sie die „Beitrag teilen“-Funktion bei ihren Facebook-Freunden. „Alleine am Montag kam von einem Dialysezentrum in Düsseldorf ein Auftrag für 100 Stück“, so Unterharnscheidt. Ein Pflegedienst aus Zülpich will 50, ein Krankenhaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler bestellte ebenfalls im großen Stil. „Die 500er-Grenze wurde schon am Montag geknackt“, so die Mundschutznäherin von Bad Münstereifel.
Infobox Mundschutze
Das Thema Mundschutz und Schutzkleidung wird in diesen Tagen vielerorts diskutiert. Für den erkrankten Patient reiche eine OP-Maske, also ein Mund-Nasen-Schutz (MNS-Maske) , erläutert der Leiter des Kreisgesundheitsamtes, Christian Ramolla: „Das schützt die Umgebung.“Helfer, die gesund sind und in engen Kontakt mit den Patienten treten, müssen sich höher schützen – und zwar mit FFP 2- und FFP 3-Masken. So werden die Feinpartikel-Filtermasken mit der entsprechenden Schutzstufe genannt, bei denen nur kleinste Partikel durchkommen. (sch)
Martina Unterharnscheidt hat nicht lange gezögert. Der Hausputz war Tage zuvor getan. Ihr Hotelchen in der Kurstadt ist vom Gesundheitsamt wie alle anderen geschlossen worden. Eine geplante Ausstellung im April in New York mit ihren Textilkunstarbeiten wurde erst einmal auf den Herbst verschoben. Kurz: Sie hat gerade bis zu sechs Stunden täglich Zeit. Die will sie nutzen. Jetzt zeigte sich, dass ein Geschenk vor einiger Zeit ein Glücksfall war: Ein Stapel guter, kochfester Hotelbettwäsche aus reiner Baumwolle! Unterharnscheidt schneidet die Laken erst in verschieden große Stücke für den Mundschutz selbst und die Tragebänder. Dann bügelt sie die Stoffe – für den Schutz selbst auch in Falten. Schließlich werden Schutz und Streifen zusammengenäht: „So an die 20 Stück schaffe ich pro Tag.“ So wird sie den schnell wachsenden Auftragsberg nicht abarbeiten können, egal wie schnell und gut sie nähen kann. Es ist eine Sisyphusarbeit. Die Helferin braucht Hilfe. Mittlerweile hat sie einen Nähkreis in Euskirchen um Unterstützung gebeten, Freundinnen wollen ihr bei den vorbereitenden Arbeiten und dem Versand – sie hat Postpakettaschen gekauft – helfen.
„Wie man einen Mundschutz näht, das kann man ja auch auf YouTube im Video lernen“, so ihr Tipp für Gleichgesinnte. Den Download-Link zu einer PDF mit Nähanleitung hat sie auf ihrem Facebook-Account hinterlegt.
Genähte Baumwollmasken sollen wiederverwendbar sein
Eins ist ja klar: So lange Corona wütet, werden immer mehr Mundschutze gefragt sein. Ihre handgenähten Exemplare sind zwar nicht zertifiziert wie etwa ein FFP 2-Schutz, aber sie bieten doch Menschen mit Autoimmunkrankheiten und allen anderen immerhin eine Reduzierung möglicher Tröpfcheninfektionen. Dafür sind die Baumwollmasken wiederverwendbar: „Die kann man einfach in kochendem Wasser desinfizieren, danach auf der Wäscheleine trocknen – nicht auf der Heizung“, so ihr Rat.
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Martina Unterharnscheidt will nach wie vor das, was sie jetzt näht und so viele brauchen können, kostenlos an Hilfsbedürftige abgeben. „Ich bitte um Spenden für die Tafeln“, so ihr Vorschlag. Nur bei kommerziellen Auftraggebern wird sie eine Rechnung schreiben.
Und da sie ja – derzeit fast nebenbei festgestellt – eigentlich Kunstwerke aus Textilien näht, sind die von ihr hergestellten Mundschutze auch noch Unikate: „Ich habe 250 verschiedene Zierstiche im Programm meiner Nähmaschine. Die wechsele ich jetzt je nach Laune. Im Frühling vielleicht was mit Bäumen.“
Ist die Pandemie eines Tages vorbei, kann man ihr das zuvor Getragene gerne zur kreativen Weiterverwendung zurückgeben: „Dann mache ich daraus eine Corona-Mundschutz-Installation.“